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Bettina Roccor: Heavy Metal - Kunst. Kommerz. Ketzerei.
von rls anno 1998

Bettina Roccor: Heavy Metal - Kunst. Kommerz. Ketzerei.

Es wurde langsam, aber sicher mal Zeit, daß sich jemand wissenschaftlich mit dem Phänomen Heavy Metal auseinandersetzt. Gibt es auf rein musikalischem Bereich dazu schon den einen oder anderen Ansatz (ich kann mich z.B. düster erinnern, sogar in einem Musikbuch für die gymnasiale Oberstufe eine Analyse des Scorpions-Songs „The Same Thrill“ [1984] gelesen zu haben), so fehlte eine von einem soziologischen Standpunkt ausgehende Gesamtanalyse bisher völlig. An selbige hat sich nun die Regensburgerin Bettina Roccor herangewagt. Im Rahmen ihres Volkskundestudiums (wußte vorher gar nicht, daß man sowas auch studieren kann - muß sowas Ähnliches wie Soziologie sein) untersuchte sie bereits 1992 die Gruppe der Heavy Metal-Fans - heraus kam die (unpublizierte) Magisterarbeit „Heavy Metal - Eine Fantypologie anhand von Kleidung“. Vier Jahre später erhielt Bettina Roccor für ihre Dissertation die Bestnote Summa Cum Laude, und auf ebenjener Arbeit basiert das hier vorliegende Buch, das nach mehrmaliger Verschiebung des Erscheinungstermins quasi pünktlich zum Redaktionsschluß von CrossOver 3/98 in meine Hände gelangte, so daß ich es nicht mehr schaffte, die Rezension für selbiges Heft zu schreiben. Aber besser spät als nie, und verdient hat es sich dieses Werk unbedingt.
Ich kenne kein anderes Buch, das von musikalisch-stilistischen Merkmalen über die Fans, die Cover- und Kleidungsgestaltung, politische Haltungen und die allgegenwärtigen Okkultvorwürfe bis hin zur ökonomischen Dimension JEDEN Aspekt rund um Heavy Metal derart sachkundig, realitätsnah und quellenreich abhandelt. Zahlreiche Primärquellen (u.a. Zuschriften von über 100 Fans, die auf einen diesbezüglichen „Hilferuf“ der Autorin im Rock Hard-Magazin antworteten, sowie Interviews mit diversen Szenepersönlichkeiten) machen das Buch besonders wertvoll. Ausgesprochen nützlich ist auch die vierzehnseitige Literaturliste am Ende, die, nachdem man sie um die ganze volkskundliche Literatur bereinigt hat, eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage für alle, die sich (mit der gebotenen Vorsicht ob der „Qualität“ vieler Publikationen!) via Sekundärquellen in das Thema der harten Rockmusik hineinarbeiten wollen, darstellt. Da es sich hier um eine Dissertation handelt, wählte die Autorin eine wissenschaftlich-korrekte Ausdrucksweise, an die sich der eine oder andere Leser vielleicht erst gewöhnen muß; dankenswerterweise wirft sie aber nicht mit komplexesten Fachtermini nur so um sich. Die einzigen Kapitel, durch die sich der am Fach Volkskunde eigentlich nicht interessierte Leser förmlich durchkämpfen muß, sind die eben eher volkskundlich-theoretisch orientierten Abschnitte 3.1 bis 3.3, aber die kann man ja auch überschlagen. Die ganzen Highlights des Buches hier aufzuzählen, würde den Rahmen völlig sprengen, also beschränke ich mich (trotz einiger Passagen, in denen ich mich der Meinung der Autorin nicht vorbehaltlos anschließen kann, und der einen oder anderen fachlichen Ungereimtheit, die aber eh nur dem absoluten Insider auffallen wird) auf eine strikte Kaufempfehlung und die Drohung, daß ab sofort jeder, der eine wissenschaftlich gedachte Arbeit über Heavy Metal schreibt, ohne vorher dieses Buch gelesen zu haben, von mir den Stempel „Mangelhafte Recherchetiefe“ aufgedrückt bekommt.

Falls eure örtliche Buchhandlung dieses Werk nicht beschaffen kann oder will, dann schickt einen V-Scheck über DM 42,30 (incl. P+V) an den I.P.-Verlag, DGZ-Ring 7, 13086 Berlin. Bestellung via Internet geht, wenn ich mich recht erinnere, auch; schaut am besten mal unter http://www.ip-verlag.de nach. ISBN: 3-931624-07-2
 






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