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Jan Koenot: Hungry for Heaven
von *tf anno 1999

Jan Koenot: Hungry for Heaven

Daß Kunst die Welt vor Verzweiflung retten kann, will der Autor, Theologe und Dozent für Philosophie an der Universität Paris, am Beispiel der Rockmusik und ihren Texten beweisen. Er schreibt aus dem Blickwinkel des Szenekenners und so gelingt ihm das Aufheben wissenschaftlicher Distanz in ein engagiertes Plädoyer, ohne dabei blauäugig zu sein. Bereits auf den ersten Seiten führt er in nachvollziehbarer Analyse die Überlegungen Platons, Aristoteles' und der Kirchenväter mit der Gegenwart zusammen: die Funktionen der Rockmusik sind eben in erster Linie generelle musikalische Funktionen, die ihre Wirkungen nur in verschiedenen Kontexten entfalten. Eine grundlegende Wirkung ist dabei die Befreiung aus alltäglichen Grenzen. Koenot schreibt in Argumentationsketten, die den Leser auf Zeitreisen mitnehmen. Der Prophet Jeremia, Mozart und R.E.M. finden sich nebeneinander wieder. Auch wissenschaftlich setzt sich Koenot wohltuend zwischen alle Stühle: Eben noch ganz der Theologe, führt er seine Betrachtungen als Historiker weiter, um schließlich soziologisch zu resümieren. Eine Grundhaltung durchzieht das Buch: Koenot geht es nicht um ein klares JA oder ein ebenso klares NEIN, sondern um die Gleichzeitigkeit des JA und NEIN durch Musik. Diese paradoxe Betrachtungsweise ist möglicherweise eine Hürde für flüssiges Lesen – geübte Bibelleser dürften damit keine Schwierigkeiten haben. Und das ist auch eine der Stärken dieses Buches. Es widerlegt die Meinungen fundamentalistischer Rockgegner in einer Denkart, die diesen zueigen sein müßte. Ein Verweis auf das Ziel des Buches: nicht Konfrontation, sondern Diskussion tut not – im Interesse der Rockmusik. Denn die Argumente gegen Rockmusik sind die gleichen, die bereits vor zwei Jahrtausenden gegen die heutige Kirchenmusik eingesetzt wurden – Argumente gegen Musik überhaupt. Ein Zitat am Schluß: „Der Erfolg von Schriften, die – auf sogenannten wissenschaftlichen Beweisen basierend und womöglich noch ausgestattet mit einigen pikanten Illustrationen – mit Fingern auf die „teuflische“ Musik zeigen, ist umgekehrt proportional zu dem Tiefgang der geistigen Erkenntnis, die daraus spricht“. (Der Autor scheint die rls-Haarus-Artikel gelesen zu haben.)

Jan Koenot: Hungry for Heaven, Rockmusik, Kultur und Religion. Düsseldorf: Patmos 1997, ISBN 3-491-72367-1
 






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