www.Crossover-agm.de ZARPA: Infierno
von rls

ZARPA: Infierno   (Karthago Records)

Diese CD belegte in einer Reihe von Magazinen souveräne Plätze in der Abstiegszone, und man beginnt sich nach dem Hören ernstlich zu fragen, warum. Okay, den Anspruch auf stilistisch Neues darf man nicht an "Infierno" anlegen, aber das sollte man an 99,8% aller anderen heutzutage erscheinenden CDs auch nicht. Spanische Vocals sind spätestens seit Tierra Santa und Mägo De Oz so weit gesellschaftsfähig geworden, daß auch dieser Faktor als potentieller Grund für eine gestörte Beziehung zu "Infierno" ausfällt. Verdachtsmomente tun sich beim Cover auf, denn Bandkopf Vicente Feijóo beweist mit dieser Zeichnung, daß er doch lieber bei seinen sonstigen Komponenten Gitarre (und noch ein paar sonstige Instrumente), Gesang und Songwriting bleiben sollte, reiht sich aber damit in die für Karthago Records fast typische Folge von, ähem, eigenartigen Covergestaltungen (ich erinnere an Mirage oder Creature) ein. Woran liegt es aber nun, daß "Infierno" ein über weite Strecken negatives Echo entgegenschlug? Neben dem üblichen Verdacht, den der Underground in solchen Fällen gerne mal pauschal ausgießt (von wegen mit Anzeigen "gekauften" guten Reviews anderer Bands - was zwar bewußt oder unterbewußt tatsächlich passieren mag, aber keine flächendeckende Korrumpierung erzeugt hat), bleiben im Prinzip nur noch stilistische Vorbehalte übrig, denn Zarpa sind einflußseitig irgendwo kurz nach der NWoBHM stehengeblieben, entsprechen also ganz und gar nicht den Hörgewohnheiten selbst des traditionsliebenden Metallers von heute, der in seiner Mehrheit Helloween-Nacheiferern Achtung schenkt und der basischeren, meist auch weniger tempolastigen Herangehensweise, wie sie in den Früh- und Mittachtzigern gang und gäbe war, mittlerweile schon etwas hilflos gegenübersteht, wenn's nicht grade um große Bands wie die offensichtlich unangreifbaren Iron Maiden geht (wobei dann auch gerne mal vergessen wird, daß beispielsweise das 2003er Werk "Krestschenije Ognjom" der Russen von Arija große Teile des Maiden-Outputs locker in der Bedeutungslosigkeit verschwinden läßt). Vergleicht man Zarpa etwa mit Tierra Santa, so geht ihnen der geschliffene Aspekt von Angel & Co. deutlich ab, zumal Vicente auch deutlich rauher singt und in den hohen Lagen mitunter einen leicht gequälten, aber noch nicht ins Unangenehme abdriftenden Eindruck erweckt. Trotzdem hätte "Quien Eres Tu" (sehr starkes Hauptsolo!) auch im Repertoire Tierra Santas eine mehr als gute Figur abgegeben. Vom Grundtempo her gestalten Zarpa ihren Metal durchaus abwechslungsreich - so beinhaltet etwa der Titeltrack diverse schnelle Stakkati, und auch das nachfolgende "El Poder De La Fe" löst sein folkloristisches Intro (das leider einen etwas halbfertigen Eindruck hinterläßt) durch derartige Stakkati ab, bevor es das Tempo halbiert und in der Folge zwischen beiden Ausprägungen pendelt. Der Refrain läßt hier übrigens aufhorchen, fühlt man sich doch anfangs an den Song "The Dark Moor" vom Album "Dark Moor" der spanischen Landsleute von, ähem, Dark Moor erinnert, bemerkt aber beim genauen Hinhören, daß sich lediglich die Töne unter den ersten drei Gesangssilben nahezu gleichen. Der "Lalala"-Part im Verlaufe dieses Songs hätte allerdings trotzdem nicht sein müssen. Nicht alle Riffs sind so ganz brandneu - so überlege ich schon einige Zeit, von wem es die durchgeriffte Melodiefolge am Beginn von "No Mas Hombres En La Cruz" (einem rhythmisch fast progressiv zu nennenden Song) schon mal gegeben hat. Zarpa sind in der Gesamtbetrachtung metallische Traditionalisten durch und durch (das schließt hintergründigen Keyboardeinsatz oder gar mal ein Hammondsolo nicht aus), und wenn die Credits im Booklet richtig angegeben sind, handelt es sich bei den zehn Songs des regulären 2004er "Infierno"-Albums auch nicht ausschließlich um brandneues Material. Als Songwriter für "Llega El Castigador" und "Cuero Y Cadenas" ist nämlich die Viererbesetzung angegeben, aus der Zarpa in ihrer bis zu den Mittachtzigern reichenden frühen Schaffensperiode bestand. Stilistisch läßt sich zwar kein allzugroßer Unterschied ausmachen (wenn man mal einen fast rock'n'rolligen Unterton in "Cuero Y Cadenas" ausklammert, der aber im vagen, nicht greifbaren Bereich verbleibt), aber der Sound wird an dieser Stelle, beim Übergang von "Quien Eres Tu" zu "Llega El Castigador", plötzlich anders, geringfügig gedämpfter. Sollte da noch mehr altes Material aufgearbeitet worden sein als die sechs Bonustracks, die den regulären zehn Tracks noch folgen? Ich weiß es nicht, aber es fällt beispielsweise schon auf, daß Zarpa ihr Bandlogo von der "Angeles O Demonios"-LP (das war ihre zweite, sie erschien 1983) wieder reaktiviert haben (auf jedem ihrer bisherigen vier regulären Alben hatten sie ein anderes und auf dem hypothetischen Cover der nie erschienenen 1986er LP "En Ruta Hacia Europa" noch ein anderes). Der Soundbruch von "Cuero Y Cadenas" zu "Viena" an zehnter Trackposition fällt weniger auf, da ihn der Stilbruch überdeckt - dieses Instrumental (an dritter Position gab's den Song schon mal mit Gesang) erinnert eher an klassische Rainbow-Zeiten, hält sich aber mit dem Keyboardeinsatz zurück (es gibt also keine Exzelsior-Duelle, sondern wohltuende Melodiearbeit der Leadgitarre). Auffällig ist, daß mit "Viena" und "Quien Eres Tu" die beiden allerstärksten Songs nicht von Vicente Feijóo stammen, sondern von Gitarrist Rafa Jativa. Sollte Zarpa respektive Vicente das zu denken geben? Vielleicht. Also weiter zu den Bonustracks: "Herederos De Un Imperio" und "Psicotronia" stammen vom 1985er Album "Herederos De Un Imperio", das es bisher nur in Vinylform gibt. Da diese Songs nicht neu eingespielt, sondern lediglich die alten Aufnahmen remastert wurden, kann man schöne Vergleiche anstellen und bemerkt anhand des ersten Tracks, daß sich am generellen Stil im Direktvergleich kaum ein Deut verändert zu haben scheint, wenngleich Vicentes Stimme seinerzeit die Höhen mit weniger Anstrengung meisterte und der Baß (damals eingespielt von Vicentes Bruder Eduardo) soundtechnisch etwas weiter im Vordergrund steht. Aber schon "Psicotronia" ist im Direktvergleich etwas melodischer ausgefallen, besitzt zudem einen recht flauschigen Keyboardteppich im Hintergrund, überzeugt aber trotzdem und fährt ein sehr ausgedehntes Solo auf. Diese Tendenz setzt sich in den vier restlichen Bonustracks fort, die vom nie erschienenen 1986er Album stammen. Hier zeigen sich Zarpa fast in den Melodic Rock abgedriftet, geben den Keyboards weiten Raum, fahren fast sterile Def Leppard-Drums auf, reduzieren das Gitarrenriffing sowohl in Ausdehnung als auch in Soundintensität und liegen damit auf einer Welle mit vielen anderen Bands der damaligen Zeit. Das heißt nicht, daß die Songs als solche schlecht wären, aber irgendwie stören sie den doch recht homogenen Gesamteindruck des eigentlichen "Infierno"-Albums (und meinetwegen auch der beiden "Herederos ..."-Tracks). Konsequenter wäre es daher gewesen, das unveröffentlichte Album getrennt als Komplettwerk herauszubringen und als nächsten Schritt gleich noch "Herederos ..." auf CD wiederzuveröffentlichen. Hier liegt also der eher seltene Fall vor, daß die Bonustracks für sich gestellt überzeugen, aber das Gesamtbild eher beeinträchtigen. Aber wen das richtig stört, der kann die CD nach Track 10 ja aus dem Player nehmen - und "Infierno" an sich lohnt den Kauf für metallische Traditionalisten, die über Helloween hinausdenken können, ganz sicher.
Kontakt: www.karthagorecords.de, http://zarpa-rock.webcindario.com

Tracklist:
Babilonia La Ramera
Fantasmas Del Pasado
Viena
Infierno
El Poder De La Fe
No Mas Hombres Un La Cruz
Quien Eres Tu
Llega El Castigador
Cuero Y Cadenas
Viena (Instrumental)
Herederos De Un Imperio
Psicotronia
Duro El Corazon
Soy Solo Un Robot
Cielo Al Atardecer
Amor Fuerte Amor



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver