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von rls

CREATURE: Way To Paradise   (Karthago Records)

Karthago-Chef Stefan Riermaier hat bei seinen außerdeutschen Ausgrabungen ein glücklicheres Händchen als bei deutschen Bands - eine Theorie, die alle seine bisherigen Veröffentlichungen stützen, von denen die der deutschen Black Fate die schwächste war (wenn auch im allgemeinen Maßstab alles andere als richtig schlecht) und auch Creature nicht auf einen Treppchenplatz gelangen. Die Nordlichter konnten anno 1989 mit "Way To Paradise" nichts mehr reißen, da der geneigte Fan zu dieser Zeit schon längst mit professionellen Produkten aus Deutschland, Europa und Übersee eingedeckt wurde und nicht mehr wie in den Frühachtzigern darauf angewiesen war, sich an jede harte Gitarre zu klammern. Zudem lagen Creature mit ihrem Melodic Metal und dessen gelegentlichen Siebziger-Rückverweisen schon damals zwischen den Lagern, waren für die Haarsprayfraktion zu unpoliert und für Anhänger des Thrash oder des sich entwickelnden Death Metal klar zu soft. Ferner hatte die Band mit Alexander Schmitt einen nicht richtig schlechten, aber doch von seinen Möglichkeiten her sehr eingeschränkten und ein phraseologisch sehr eigenartiges Englisch (hört euch mal "Ballad Of A Fat Man" an) intonierenden Sänger am Frontmikro stehen, dessen Gesangsleistung zumindest in den rauheren Passagen nicht wirklich begeistern kann, wohingegen er in getrageneren Abschnitten durchaus besser klingt (wenngleich auch dort nicht zur Spitzenklasse zählend). Die Instrumentalisten fahren solide Wertarbeit mit ein paar absoluten Geistesblitzen vor allem bei den Gitarrensoli auf. Nur beim Songwriting hapert's etwas, denn einige Tracks kommen über ein durchschnittliches Level nicht hinaus. Zu denen zählt ausgerechnet "L.O.V.E.", das im Booklet den Terminus "Ohrwurm" verpaßt bekommt und ein solcher vermutlich auch ist - nur eben kein guter (wer diese Aussage für ein Paradoxon hält, vergegenwärtige sich bitte, daß auch "Ein Bett im Kornfeld", "Anton aus Tirol" oder "You're My Heart, You're My Soul" Ohrwürmer sind); es schleppt sich zumindest für meinen Geschmack zu kraftlos durch die Botanik, und auch der schnellere Opener und Titeltrack will nicht so recht zünden. Der erste richtig gute Song steht mit dem ebenfalls schnelleren und für deutsche Verhältnisse leichtfüßigen "Liar" an Position drei, und auch das getragene "Creatures Of Love" erreicht ein überdurchschnittliches Niveau. Im Karthago-Stall sind Creature am ehesten mit den Dänen Mirage zu vergleichen, erreichen deren Songqualität aber nur in Ausnahmefällen, von denen der nächste auf den Namen "Criminal" hört. Über vorausgegangene oder nachfolgende Veröffentlichungen von Creature ist mir nichts bekannt, wohl aber steht mit Bassist Martin Henke ein Mann im Line-up, dessen Namen ich irgendwo schon mal anderweitig gelesen habe (aber in Zusammenhang mit welcher Band nur?). Das Booklet kann mir diesbezüglich leider keine Auskunft geben, denn im Gegensatz zu den sonst sehr vorbildlich aufgemachten Karthago-Releases fehlt eine Bandbio diesmal völlig, es sind lediglich einige Liner Notes von Stefan Riermaier, ein paar historische Fotos sowie die Lyrics abgedruckt (letztgenannte hätte allerdings mal noch jemand Korrektur lesen können - da wird etwa "Against The Warmachine" in bestem Denglisch zu "Against The Warmaschine"). Der Text zu "L.O.V.E." wurde übrigens "censored" und damit nicht abgedruckt - guter Witz auch. Das Backcover mit dem bereits vom mäßig gezeichneten Frontcover bekannten grünen Monster, das sich diesmal nicht durch einen Dschungeltümpel quält, sondern mit Karthago-T-Shirt im Sessel sitzt und unter Kopfhörern das Creature-Album hört, obwohl rechts hinter ihm ein Boxenturm steht, war offenbar auch als Witz gedacht, wirkt aber insgesamt eher so tragikomisch wie ein Gedicht von Friederike Kempner. Widmen wir uns also lieber wieder der Musik, die kurz vor Ende des regulären Albums mit den verhältnismäßig schnellen "If Tears Should Fall" und dem erneut ein starkes Solo beinhaltenden "Now It's Over" noch zwei gutklassige Exempel auspackt, bevor es in die von Karthago-Re-Releases gewohnte Bonusrunde geht, hier aus drei Songs bestehend, über deren Herkunft gleichfalls nichts bekannt wird. "Back On The Road Again", ganz am Ende der CD stehend, jedenfalls muß von einem alten Tape gezogen worden sein, das irgendjemand mal irgendwo mitgeschnitten hat (über die Jahrzehnte hinweg hat es leicht zu leiern begonnen). "What Will You Do" besitzt einen viel cooleren Stampfrhythmus als "L.O.V.E." und verleitet mich zu einem Zitat aus den Lyrics: "Hey hey hey little daughter / why do you through me in the night / aren't you afraid about the slaughter / he'll come if you won't cut the light / you may say that I'm misty / and I will never comin' back / you don't feel that fun / my slipping tonque between your legs, sex". Der beste Song von allen kommt aber noch: "Just Another Lonely Night" hätte, wäre er sagen wir mal von Def Leppard geschrieben und noch ein wenig weiter als bis zu seinen zweieinhalb Minuten ausgearbeitet worden, ein großer Hit werden können. Aber dazu sollte es nicht kommen, und Creature werden irgendwann mal ihr Bandkapitel zu den Akten gelegt haben. Wer sich ihr Vermächtnis in den Schrank stellen möchte, kontakte Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Way To Paradise
L.O.V.E.
Liar
Creatures Of Love
Against The Warmachine
Criminal
Ballad Of A Fat Man
If Tears Should Fall
Now It's Over
What Will You Do
Just Another Lonely Night
Back On The Road Again





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