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von rls

V.A.: Najveci Rock Hitovi   (Song Zelex)

Wohl eine Art Pendant zum hier bereits rezensierten bosnischen Rockballadensampler ist die vorliegende Kompilation, die sich, wie man bereits vermutet haben wird, dem härter rockenden Schaffen in Bosnien widmet (auch die Backcovergestaltung entpuppt sich als gewisse Parallele zum Balladensampler, nur mit dem Unterschied, daß die Dame hier nicht blond, sondern dunkelhaarig ist). Gehen wir auch hier wieder durch:
- Vatreni Poljubac hatten ja schon im Balladenfach mehr als überzeugen können, und auch hier machen sie eine erstklassige Figur, indem sie mit "100% R'N'R" einen Rocker an den Anfang der CD stellen, der seinem Namen alle Ehre macht: Classic Rock vom Feinsten, eine angerauhte Stimme drauf, fertig! "Stipu Gatibo" beinhaltet zunächst ein leicht entrückt wirkendes Akustikintro, bevor ein allerdings etwas eigenartig produzierter schneller Hardrocksong losbricht, dessen Launemachfaktor nicht mal durch die Bassdrums, die sich ungelogen wie Klanghölzer (ja, diese Dinger, die man in der Grundschule im Musikunterricht verwendet) anhören, getrübt werden kann. Leider versauen Vatreni Poljubac den positiven Eindruck nachhaltig mit "Tike Tike Tacke" - der Refrainteil und das Hauptthema machen ja mit ihrem coolen Hardrock wieder Spaß, aber wer auf die Idee gekommen ist, die Strophen über ausschließlichem Drumbackground zu rappen (und die sind laaaaang, die Strophen), darf sich die angesprochene Eindrucksversauung auf seinem Konto gutschreiben.
- Divlje Jagode, Bosniens wohl bedeutendste Hardrock-/Metalband, dürfen auf einem solchen Sampler natürlich auch nicht fehlen. "Motori" ist ein kleiner Klassiker des osteuropäischen Metals, auch wenn oder gerade weil die Eröffnungspassage den Hörer automatisch an Arija denken läßt - allerdings stammt "Motori" vom gleichnamigen 1982er Album Divlje Jagodes, und da war an die Gründung von Arija noch lange nicht zu denken. Also auch noch ein früher Klassiker! "Shayla" (mitunter auch "Seyla" geschrieben und phonetisch auch eher an diese Variante erinnernd) beginnt balladesk, entwickelt sich aber bald zu einem massiven Midtempo-Metaller, bei dem die Keyboards auffallen: Sie werfen nicht selten extrem tiefe Klänge ein, die an eine Baßposaune erinnern und die im Metal erst in den späten Neunzigern mit Therion oder gar Hollenthon salonfähig wurden - also schon wieder eine Vorreiterrolle für die Bosnier. "Marija" wiederum greift in die Vergangenheit zurück, denn der Einleitungsteil erinnert in Struktur und Melodik unverkennbar an Uriah Heeps "Lady In Black", bevor der Song dann aber eigenständiger wird und lediglich Elemente wie Grundhärte und Tempo nach wie vor übereinstimmen.
- Alen Islamovic hatte in den Achtzigern etliche Alben für Divlje Jagode eingesungen, sich dann aber selbständig gemacht und eine Reihe Soloalben mit eher im Rockareal angesiedelten Songs herausgebracht. Zweimal darf er auf dem Sampler ran, zunächst mit "Lipe Cvatu", das mit seinen an Balkanfolklore erinnernden Bläserklängen zunächst etwas anderes erwarten läßt als den "normalen", allerdings durchaus guten Rocksong, der sich daraus entwickelt, wenngleich er auch weiterhin mit dem Bläserthema spielt. "Napile Se Ulice" macht leider den Schwachpunkt der zu sterilen Produktion überdeutlich, besonders die Drums und einige der Keyboardklänge erinnern an finsterste NDW-Zeiten, und auch der sprechgesangartige Appell in der Songmitte weckt eher negative Emotionen, wenngleich die Songidee als solche zweifellos gut ist.
- Maja Milinkovic ist die erste Künstlerin, die nicht auf dem Balladensampler vertreten war. Zunächst hat sie eine Coverversion von "Proud Mary" am Start, die balladesk beginnt, aber nach einiger Zeit in einen flotten Boogierocker umschlägt, der einfach nur Spaß macht, mit schnellem Tempo und feisten Bläsern (herrlich knarzendes Fagott!) Laune aufs Tanzbeinschwingen weckt und durchaus auch von Lucie Bíla so hätte interpretiert werden können. Dazu hat Maja eine gute Stimme im Normalbereich. "Genijalno" ist dann eine Eigenkomposition, aber leider eine, die zumindest anfangs überhaupt nicht geht - die Drums sind derart kraftlos eincomputerisiert, daß man von Normal- auf Kraftstrom umzustellen geruht ist, der Spoken Word-Part im Hauptsolo, deutlich vor die Leadgitarren gemischt, könnte sich allenfalls dem Kenner der bosnischen Sprache sinnfällig erschließen, und auch die hintergründigen Scratchelemente in der ersten Strophe hätten nicht sein müssen. Wenigstens reißt die starke Rhythmusgitarre noch etwas heraus, und sie überdeckt dankenswerterweise auch die Kraftlosigkeit der Drums und stimmt damit noch versöhnlich.
- Irina & VI eröffnen wie schon Maja mit einer Coverversion, nämlich "Mercedes Benz" der seligen Janis Joplin. Die gemäßigte Reibeisenstimme der Chefin kennt und schätzt man ja schon vom Balladensampler, und auch hier macht sie eine gute Figur, unterstützt durch einen kompetenten Leadgitarristen und leider auch durch einen Drumcomputer, der hilflos im Hintergrund vor sich hintrommelt und der sonst gelungenen Version einen guten Teil ihres Charmes raubt. Der rhythmische Unterbau von "A Krv Mi Vri" klingt etwas organischer (wenn es ein Trommelrechner sein sollte, hat man ihn also zumindest etwas "natürlicher" klingen lassen), was diesem klassischen Rocksong, der wie die Stimme der Chefin irgendwo zwischen Bonnie Tyler und Doro liegt, zweifellos gut tut. "Sve Se Brise I Blijedi" landet im klassischen Melodic Rock recht flotten Tempos, wurde allerdings recht zurückhaltend instrumentiert, so daß die Stimme der Chefin im Mittelpunkt bleibt und nur gelegentlich einen ebenbürtigen Gegenpart in Gestalt der Leadgitarre bekommt.
- Parni Valjak hatten sich auf dem Balladensampler als Bluesrocker präsentiert, und auch ihr einziger Beitrag für den Rocksampler widerlegt diese Einordnung nicht: "Gledam Dok Hodas" beginnt noch relativ verhalten, erreicht aber im Refrain dann einen beachtlichen Expressivitätsgrad (nicht nur, aber auch durch die hohen "Ahah"-Vocals), bleibt allerdings stets im zugänglichen, durch Wärme und Harmoniebedürfnis gekennzeichneten Bereich. Ein starkes Hauptsolo rundet diesen Leckerbissen für Freunde etwa der frühen Solowerke von Ian Gillan ab.
- Auch Ex-Bolero-Musiker Miso Bartulica darf nur einmal ran: "Obican Dan" ist ein treibender Rocksong mit leider arg steril wirkendem Rhythmusunterbau, der den durchaus einfallsreichen Überbau nicht positiv konterkariert. Freilich überzeugen auch nicht alle Einfälle im Überbau so richtig; beispielsweise hätte man die "Huhaha"-Passagen bedenkenlos bei den Mongolen lassen können, wenngleich mancher die durchaus kultig finden wird, was sie ab einem gewissen Promillegrad vermutlich in noch stärkerem Maße sind. Trotzdem oder deshalb für Springsteen-Freunde vielleicht mal einen Check wert.
- Tifa scheint oder scheinen äußerst gastfreundlich zu sein - war auf dem Balladensampler Fazla mit dabei, so kommt hier Halid Beslic zum Zuge. "Tako Ti Je Mala Moja Kad Ljubi Bosanac" ist eine Liveaufnahme vor einer offenbar sehr gut gefüllten Halle größeren Ausmaßes, die einen Heidenlärm macht und zugleich den Text lautstark mitsingt. Der Song selbst lagert im klassischen Rock der Siebziger irgendwo auf halbem Weg zwischen Deep Purple und Bad Company, verschleppt im Refrain geschickt das Tempo und beinhaltet uralte Keyboardsounds aus dem Doors-Arsenal. "Kap, Kap Po Kap" stammt offensichtlich vom gleichen Konzert, die Leute singen wieder mit, als gäbe es kein Morgen, und hier ist ohrenscheinlich noch ein Akkordeonspieler mit dabei, der dem flotten Hardrocker (zwischen Deep Purples "Burn" und der Rainbow-Fassung von "Still I'm Sad" anzusiedeln) noch den letzten Pfiff verleiht. Zele Lipovaca, Kopf von Divlje Jagode, hat übrigens an dem Song mitgeschrieben.
- Zega hat ein "Pjesma O Goranu Bregovicu" am Start - Goran Bregovic wiederum ist der Mann, der "Tako Ti Je Mala Moja Kad Ljubi Bosanac" geschrieben hat. Ob Zega Goran nun unterstützt oder disst, muß der Sprachkundige entscheiden, der Rezensent bleibt diesbezüglich außen vor und kann nur zur Musik was sagen: Eine solche Mixtur kennt man selbst aus dem Crossover-Wahn der Neunziger noch nicht. Fette, aber künstliche Drums im "We Will Rock You"-Rhythmus unterlegen einen klassisch-rockenden Instrumentalbau (man höre die altertümlichen Keyboards!), der Gesang in den Strophen ist klassischer Rap, der hymnische Refrain wird normal gesungen. Kann man sich im Gegensatz zu dem erwähnten Vatreni Poljubac-Song selbst als Modernitätsverweigerer irgendwie mit Genuß anhören.
- Dajra, Amel & Kice schließen den Sampler mit "Sto Nas Ima Masallah" ab - netter moderner Poprock mit Wechselgesang, dessen Melodie am Refraineingang an Stratovarius' "Father Time" erinnert. Kann man sich über die Distanz eines Songs anhören, zumal wieder mal ein phantasievolles Gitarrensolo einiges rausreißt.
Hier lauern also wieder einige lohnende Entdeckungen, die den Sampler bei passender Gelegenheit im WeltWeitNetz oder vor Ort in Bosnien erwerbenswert machen; man kann natürlich auch gleich nach den Alben der jeweiligen favorisierten Künstler suchen.
Kontakt: www.song-zelex.ba

Tracklist:
Vatreni Poljubac: 100% R'N'R
Divlje Jagode: Motori
Divlje Jagode: Shayla
Alen Islamovic: Lipe Cvatu
Alen Islamovic: Napile Se Ulice
Maja Milinkovic: Proud Mary
Irina & VI: Mercedes Benz
Parni Valjak: Gledam Dok Hodas
Miso Bartulica (Ex Bolero): Obican Dan
Divlje Jagode: Marija
Vatreni Poljubac: Stipu Gatibo
Tifa & Halid Beslic: Tako Ti Je Mala Moja Kad Ljubi Bosanac
Irina & VI: A Krv Mi Vri
Maja Milinkovic: Genijalno
Irina & VI: Sve Se Brise I Blijedi
Zega: Pjesma O Goranu Bregovicu
Tifa: Kap, Kap Po Kap
Vatreni Poljubac: Tike Tike Tacke
Dajra, Amel & Kice: Sto Nas Ima Masallah



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