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von rls

LUCIE BÍLÁ: Koncert   (Monitor Records)

Eine deutsche Sängerin, die in den Achtzigern sowohl gasthalber bei Accept als auch im Duett mit diversen Schlagergrößen gesungen hat? Undenkbar, oder? Der analoge Fall bei unseren tschechischen Nachbarn existiert aber und hört auf den Künstlernamen Lucie Bílá. Geboren als Hana Zanáková, legte sie sich in den Mittachtzigern besagten Künstlernamen zu, sang als Gast bei Arakain, die schon in den Achtzigern eine der bedeutendsten tschechischen Power/Thrashmetalbands waren, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine offizielle Platte draußen hatten (Lucies Schaffen ist allerdings auf einer 1992 erschienenen Liveplatte, die alte Aufnahmen aus den Achtzigern enthält, und auf einer 2001er CD namens "Archeology", die ebenfalls mit alten Aufnahmen bestückt ist, dokumentiert, und auch zum großen 25-Jahre-Arakain-Jubiläumsgig anno 2007 war sie mit dabei, wie Besitzer der dort mitgeschnittenen Bild- respektive Tonträger wissen), und agierte zugleich als Duettpartnerin von Karel Gott. Parallel sang sie in diversen tschechischen Musicals, die sehr erfolgreich waren, und brachte auch eine Reihe an Soloplatten heraus. "Koncert" ist nun, wie man auch ohne Kenntnis der tschechischen Sprache ahnen kann, ein Livealbum, mitgeschnitten anno 2006 in Prag. Neben ihr an vorderster Front agiert eine sechsköpfige Band, ergänzt noch um zwei Gäste, nämlich Lubomír Brabec (Akustikgitarre in "Boubel") und Kamil Strihavka (männlicher Gesang in "Sklenený Hvezdy"), und das Ergebnis dieser Kollaboration ist irgendwo im jazzangehauchten Pop mit leichten Rocktendenzen und diversen anderen Einflüssen (etwa Blues, von dem mit dem gerade erwähnten "Sklenený Hvezdy" ein reinrassiges Exemplar auf der CD steht, oder Rock'n'Roll, als dessen Vertreter "Amor Magor" durchgeht) anzusiedeln. Pavel "Bady" Zboril streichelt seine Drums also gerne mal, anstatt wild auf sie einzuprügeln, und auch Gitarrist Stanislav Jelínek schaltet seine Verstärker und Verzerrer häufiger aus als ein, während mit Frantisek Kop ein fester Saxophonist/Baßklarinettist in der Besetzung steht, der sich mit Pianist Petr Malásek (jawoll, kein Keyboarder, sondern ein richtiger Pianist, zumindest in den allermeisten Songs) auch in die Soloarbeit hineinteilt, wobei der Pianist auch für den grundsätzlichen Songaufbau Basisarbeit leistet, während sich die Aufgabe des Saxers zumeist auf Farbtupfergestaltung beschränkt. Frau Bílá selbst deckt ein breites Spektrum ab, packt also gleich im Opener "Unesený" eine breitwandige Rockröhre aus (das ist dann auch die Klangfarbe, die sie bei Arakain eingebracht hat), bekommt aber im Intro von "Summertime" ebenso problemlos eine weich-laszive Jazzstimme hin, deren Trägerin man kaum von der Bettkante stoßen würde, bevor sie auch hier energischer wird und gar ein paar ganz hohe Kiekser ans Ende mancher Töne setzt. Generell dominiert allerdings die etwas weichere Intonation, was ja auch zur eher entspannten als rockenden instrumentellen Untermalung paßt, wenngleich an manchen Stellen die Musiker schon mal von der Leine gelassen werden, etwa wenn in "Summertime" der Pianist für sein wildes hämmerndes Solo Szenenapplaus vom Publikum bekommt. "Summertime" ist, der Leser ahnt es möglicherweise schon, tatsächlich ein Cover von George Gershwin und zugleich der einzige englisch vokalisierte Song hier, während alle anderen Coverversionen (das sind unter den fünfzehn Livetracks immerhin acht) mit neuen tschechischen Texten versehen wurden - eine Praxis, die man ja beispielsweise auch schon vom "Legendy 2"-Coveralbum Ales Brichtas und Pavla Kapitanovas kennt. Bleiben also noch sechs original tschechische Tracks, und auch hier bekommt Frau Bílá keinen einzigen Composercredit, wobei es bei ihr allerdings schon immer so war, daß sie mit externen Songwritern gearbeitet hat; auf welchen Studioalben die sechs Songs eventuell zu finden sein könnten, muß dem Besitzer dieser Alben zu ergründen vorbehalten bleiben. Interessant ist übrigens die Anordnung dieser sechs, denn gleich vier stehen als Block am Setbeginn, die beiden anderen folgen mit jeweils zwei Songs englischsprachiger Herkunft dazwischen. Eine Studiofassung des letzten tschechischen Songs "S Cizím Chlapem V Cizím Pokoji" findet man noch nach dem Livemitschnitt als erster von drei Bonustracks (mit der Klammerbemerkung "Singl" gekennzeichnet), auch die beiden anderen Boni sind Studioaufnahmen, die sich stilistisch allerdings nur wenig vom Liveset unterscheiden, wenngleich es hier natürlich deutlich mehr keyboarderzeugte Klänge gibt. Beim letzten der drei, "Ulice" (offensichtlich das Titellied einer gleichnamigen Fernsehserie), taucht übrigens zum einzigen Mal einer der Musiker der Liveband, nämlich der Pianist, als Songwriter auf. Die Coverauswahl ist übrigens recht geschmackvoll vorgenommen worden, zumindest was die Ergebnisse der neuen Arrangements angeht - das sehr ausdrucksstarke "Písen Samotárky (On My Own)", ein reines Klavier-/Gesangsstück, etwa weiß sehr hoch auf der Emotionsskala zu punkten und wüßte das vielleicht noch höher zu tun, wenn man denn die ausgedehnte tschechische Ansage verstehen würde. Zumeist hält sich Frau Bílá allerdings mit Ansagen zurück und läßt eher die Musik sprechen. Die stammt mal gar von den Bee Gees ("Zpivás Mi Requiem [Only One Woman]"), mutet mal an, als ob gleich Europes "The Final Countdown" losdonnern würde (Orchesterintro von "Pískovec [You Don't Have To Say/Lo Che Non Vivo Senza Te]"), kratzt auch mal am klassischen AOR der Achtziger ("Vokurky") oder mündet in bombastischen Breitwandrock ("Pouta [Chains]", der Setcloser), ist in einem glasklaren Sound aufgenommen worden und hält für den Genrefreund genügend Reize bereit, um die CD sofort in die eigene Sammlung aufzunehmen zu trachten, während der Metaller zum Kennenlernen dieser interessanten Stimme halt erstmal zu den erwähnten Arakain-Alben und der Schlagerfreund zur "Duety"-CD mit Karel Gott greift, bevor beide Fraktionen zumindest partiell dann doch eines Tages mal beim "Koncert"-Mitschnitt landen werden.
Kontakt: www.emimusic.cz, www.luciebila.com

Tracklist:
Unesený
Tolik Vina, Tolik Slov
Vokurky
Papouch
Láska Je Kýc (Enter From The East)
Summertime
Boubel
Tma (Lamentation)
Písen Samotárky (On My Own)
S Cizím Chlapem V Cizím Pokoji
Sklenený Hvezdy (Please, Come Home For Christmas)
Pískovec (You Don't Have To Say/Lo Che Non Vivo Senza Te)
Zpívás Mi Requiem (Only One Woman)
Amor Magor (Stupid Cupid)
Pouta (Chains)
S Cizím Chlapem V Cizím Pokoji (Singl)
Umírás Celkem Rád
Ulice (Z TV Seriálu Ulice)



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