![]() |
![]() von rls
Zele Lipovaca ist der Gitarrist von Divlje Jagode, der wohl prominentesten Metalband, die Jugoslawien jemals hervorgebracht hat und die noch bis ins 21. Jahrhundert hinein aktiv war; das aktuelle Studioalbum stammt von 2003, und die Truppe scheint auch weiterhin am Leben zu sein. Anno 2007 veröffentlichte das Sarajevoer Label Song Celex den kompletten Backkatalog Divlje Jagodes neu auf CD, und in diesem Zuge brachte man auch gleich das Zele-Album "Magic Love" neu heraus. Das Booklet verrät das originale Entstehungsdatum nicht, das Internet gibt 1993 aus; das Booklet sorgt dafür anderweitig für Rätsel, denn Zele wird dort als "Ex Wild Strawberries" bezeichnet. "Wild Strawberries" ist die Übersetzung von Divlje Jagode, aber meines Wissens nach war Zele Kopf der Band und praktisch auch ununterbrochenes Bandmitglied - es könnte also allenfalls sein, daß sich Divlje Jagode Anfang der 90er mal kurz aufgelöst haben, Zele daraufhin "Magic Love" als Soloalbum einspielte, hinterher aber wieder eine neue Divlje Jagode-Besetzung zusammentrommelte. Das könnte zutreffen, da der Vorgänger "Konji" bereits von 1988 datierte - der Nachfolger "Labude kad rata ne bude" kam allerdings schon 1994 heraus, also nur ein Jahr nach "Magic Love", und um die Verwirrung komplett zu machen, führt Riermaiers Osteuropa-Lexikon "Magic Love" auch noch unter den regulären Alben von Divlje Jagode an, was allerdings laut Auskunft des Autors schlicht und einfach ein Fehler ist. Immerhin aber hat Zele kurzerhand seinen Divlje Jagode-Vokalisten Zanil "Zak" Tataj auch noch für "Magic Love" verpflichtet, wenngleich nur als einen von drei Sängern, wobei sich die beiden Männer kaum voneinander unterscheiden lassen, während Tina nur sehr selten auftaucht. Rein stilistisch ist "Magic Love" auch nicht so sehr weit von den übrigen Werken Lipovacas entfernt, wenngleich man hier etwas amerikanischer zu Werke geht - "Magic Love" könnte ein fast reinrassiges Produkt des Spätachtziger-US-Hardrocks sein, wobei sich aber auch andere Anklänge finden lassen. "Hungry For Your Love" etwa hat sehr viel von den Whitesnake der zweiten Achtziger-Hälfte (vom Gesang mal abgesehen), während "Stranger" die Achtziger-Einflüsse mit solchen aus dem Siebziger-Hardrock kombiniert und daher irgendwo zwischen Bachman-Turner Overdrive und Kansas landet. "Life Story" mit seinen folkigen Anklängen hätte auch zu Gary Moore gepaßt, das instrumentale Titelstück wiederum steht in puncto Atmosphäre den Großtaten von Michael Schenker in den Frühachtzigern, diversen Yngwie Malmsteen-Sternstunden aus der gleichen Periode oder auch dem Gates Of Ishtar-Meisterwerk "Forever Beach" in nichts nach - der Gitarrist spielt auch hier zahlreiche schnelle Läufe, versteht es aber meisterhaft, die etwas bis sehr verträumte Atmosphäre dadurch nicht zu zerstören. Noch intimeren Charakter besitzt das abschließende Instrumental "Maida", das Zele seinem kleinen Cousin gewidmet hat, der offensichtlich bereits in einer frühen Phase dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen ist. Mit "She's Gone" und "Love Is In Your Hands" finden sich noch zwei weitere verträumte Balladen unter den insgesamt zehn Songs, der Rest landet im jederzeit melodischen und zugänglichen, aber immer kernigen Hardrock, der 1993 im angloeuropäischen Raum durch eine Seuche namens Grunge schon fast ausgerottet worden war und nur noch in einigen Randrefugien wie Skandinavien oder auch Osteuropa überlebt hatte. Wenn die CD nun nicht mitten im Bürgerkrieg erschienen wäre, hätte sie damals sicherlich auch eine Chance auf einen größeren Erfolg gehabt, aber sie war außerdem auch noch auf Croatia Records erschienen, was in der damaligen Situation die Zielgruppe sicherlich weiter eingeengt hat. Davon sollte man sich als Freund des mittlerweile wieder erstarkten melodischen Hardrocks aber nicht abhalten lassen, diese völlig zeitlose dreiviertelstündige Scheibe bei passender Gelegenheit seiner Sammlung einzuverleiben. Nicht mal die Sprachbarriere zählt hier als Argument, denn "Magic Love" ist im Gegensatz zu fast allen Divlje Jagode-Alben in Englisch eingesungen (und die beteiligten Vokalisten beherrschen diese Sprache auch halbwegs, wenngleich der lyrische Tiefgang den von Ratt oder Poison nicht wesentlich übersteigt), und selbst wenn dem anders wäre, dürfte es eigentlich keinen Hinderungsgrund darstellen - immerhin kaufen die Amis auch wie wild Rammstein-Platten, obwohl sie kein Wort davon verstehen. Der bereits genannte Titeltrack jedenfalls gehört zu den Songs, die man als Hardrockanhänger in seinem Leben unbedingt mal gehört haben sollte, und etliche andere Kandidaten wie der sehr eingängige Opener "Take A Look In The Mirror" stehen ihm nur unwesentlich nach. Wenn das Ding jetzt noch hierzulande leichter erhältlich wäre ... vielleicht findet sich ja mal ein engagierter Importeur, der bei Song Zelex einen Stapel "Magic Love" und auch die Divlje Jagode-Scheiben einkauft und ans interessierte hiesige Publikum weiterverteilt. Bis dahin kann man allenfalls entweder selber nach Bosnien fahren (wo man dann auch recht preiswert zum Zuge kommt; ich habe für "Magic Love" umgerechnet 3,50 Euro bezahlt), oder man schaut mal auf www.song-zelex.ba nach, ob es dort vielleicht auch eine Online-Bestellmöglichkeit gibt.
|
![]() |
![]() |