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Stefan Riermaier et al: Heavy Metal aus Osteuropa
von rls anno 2003

Stefan Riermaier et al: Heavy Metal aus Osteuropa

Da sitzt also auf dem Cover der russische Drache und fällt über Mittel- und Westeuropa her. Man könnte das fast politisch interpretieren, denn seine Zunge ist gespalten, und zwar laufen die beiden Enden in Hammer und Sichel aus! Für diese Darstellung wäre wohl vor 15 Jahren der BND mal eben aus Pullach ausgeschwärmt und hätte in München der Zeichnerin Regina Machalica energisch auf den Zahn gefühlt. Heute fürchtet niemand mehr den Weltkommunismus (obwohl die Sicherheit trügerisch ist - schon Leo Trotzki stellte die Theorie auf, die Weltrevolution in Albanien und Kuba zu beginnen, und notfalls kann Albanien ja auch durch die Koreanische Volksdemokratische Republik ersetzt werden). Was also verbirgt sich hinter dem Einbanddeckel? Der Titel spricht eine klare Sprache: Heavy Metal aus Osteuropa. Albanische Bands sind interessanterweise gar nicht dabei (vielleicht gibt es ja keine dort, ich weiß es nicht), dafür beginnt Osteuropa im Kontext des Buches interessanterweise schon in Österreich. Vom Stil her schränkte man das Spektrum der behandelten Bands etwas ein und konzentrierte sich auf traditionellen Metal, wohingegen neuartigere Spielarten oder auch alles jenseits der Death Metal-Grenze außen vor bleiben mußten. Riermaier und seine Mannen (wenige Damen sind auch dabei) betonen ausdrücklich, daß das kein Bandlexikon sein soll. Entschuldigung, aber wenn das hier kein Bandlexikon ist, was ist dann ein solches? Alle mir bekannten Bandlexika ließen und lassen persönliche Wertungen der Autoren mit in die Texte einfließen, manche gewollt, andere ungewollt, manche mehr und andere weniger - aber alles andere würde in reinen Diskographie- und Zahlenwerken münden, und die Auswahl der Fakten würde selbst hier noch ein subjektives Moment einbringen.
Halten wir also fest: Das hier ist ein Bandlexikon über osteuropäische Metalbands der eher traditionellen Sorte. In einer Erstauflage erschien es schon einmal 1997, war aber recht rapide vergriffen (auch der Rezensent schaute damals in die Röhre) und konnte nicht mehr nachgedruckt werden, weil irgendwie sämliche Druckunterlagen und Dateien verschwunden waren. Was jetzt hier vorliegt, ist also eine komplett neu erarbeitete Version, abgesehen von einigen wenigen Kapiteln, die man aus der Erstversion übernommen hat (vielleicht an manchen Stellen aber wenigstens noch in den Zeitbezügen hätte aktualisieren sollen, denn "vor 8 Jahren" bedeutet logischerweise 1997 was anderes als 2003). Nicht zu allen Bands waren Komplettabhandlungen möglich, da viele Tonträger aus Osteuropa nur recht mühevoll zu bekommen sind, selbst wenn man gute Connections in die betreffenden Länder hat. Unter "betreffende Länder" fallen hier übrigens Bulgarien, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisien (diese beiden sind aber beim besten Willen nicht mehr europäisch), Lettland, Litauen, Moldawien, die Ukraine, Weißrußland, die einstmals Jugoslawien bildenden Staaten, Österreich, Polen, Rumänien, Rußland, die Slowakei, Tschechien und schlußendlich Ungarn. Am Anfang der Bandeinträge jedes Landes (die dann alphabetisch nach Bandnamen sortiert und jeweils mit Gründungslineup, Text und Diskographie sowie hier und da ein paar Coverabbildungen, manchmal auch gar nicht zum Bandkapitel gehörigen, versehen wurden) steht eine kurze Einleitung mit Informationen über die allgemeine metallische Situation im betreffenden Land. Man bedient sich insgesamt einer mehr oder weniger unterhaltsamen Schreibe, und die Stellen, wo man mal den Unterhaltungswert über den Informativitätsgrad stellt, halten sich dankenswerterweise in Grenzen. Nur hier und da liest man entweder zwischen den Zeilen oder auch in denselben überdeutlich heraus, daß der Großteil der Schreiber eben doch aus den Altbundesländern kommt und keine praktischen Erfahrungen mit dem planwirtschaftlichen System in fast allen der behandelten Länder besitzt. Verlagshäuptling und Layouter Otger Jeske hat manche Stellen schon entsprechend kommentiert, aber es sind auch einige so dringeblieben. Das wird vermutlich aber auch nur den entsprechend sozialisierten Lesern auffallen.
Erbsenzählerei beiseite: Wer sich grundlegend über den traditionell orientierten Metal der aufgezählten Länder informieren will, und zwar sowohl über im Westen noch halbwegs bekannte Bands wie Kruiz oder Kreyson als auch über absolute No-Names wie (ich greife zweimal wahllos ins Buch) Astharoth aus Polen oder Scandall aus Tschechien, hat selbst in Zeiten des Internets nicht allzuviele Alternativen zum Erwerb dieses Buches. Zumal die Sprachbarriere oder gar die Schwierigkeiten mit der Schrift (wer hat schon einen kyrillischen Zeichensatz auf seinem Rechner, um sich russische oder bulgarische Homepages ansehen zu können?) automatisch wegfallen.

Stefan Riermaier et al: Heavy Metal aus Osteuropa. Berlin: I.P. Verlag 2003. 248 Seiten. ISBN 3-931624-20-X. 19,25 Euro.
Zu bestellen u.a. bei www.karthagorecords.de

 






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