www.Crossover-agm.de SCENE X DREAM: Identity
von rls

SCENE X DREAM: Identity   (Eigenproduktion)

In geringfügig anderer Groß-/Kleinschreibweise trug der Anfang 2015 veröffentlichte Drittling von Alpha Tiger den gleichen Titel wie der Ende 2015 veröffentlichte Drittling von Scene X Dream - aber die Offenbacher waren ideentechnisch dennoch früher dran: Bereits anno 2013 hatten sie zu Promozwecken eine Drei-Track-EP mit dem gleichen Titel und drei der jetzt auch auf dem gleichnamigen Album zu findenden Songs veröffentlicht. Hatten freilich die Sachsen auf dem besagten Longplayer ihren Stil gegenüber dem Vorgängerwerk leicht modifiziert (und laut Eigendefinition individualisiert), so steht die Sache bei den Hessen etwas anders: "Identity" erinnert durchaus stark an den allerdings nicht zwei Jahre, sondern zwei Jahrzehnte vorher entstandenen (wenngleich erst mit knapp zwei Dekaden Verspätung erschienenen) Zweitling "Colosseum", baut im Direktvergleich allerdings noch ein paar mehr Elemente, die für das selbstbetitelte Debütalbum typischer gewesen waren, ein, was freilich ein nur um Nuancen verändertes Klangbild ergibt. Aber ein paar kleine Auffälligkeiten ergeben sich schon. Zum einen hat das nach dem 2015er Wiedereinstieg von Drummer Frank Rohe wieder in der "Colosseum"-Besetzung agierende Quartett nach dem eher unauffälligen Intro mit dem Titeltrack den "modernsten" der Scheibe gleich an den Anfang gesetzt und verschreckt damit erstmal nachhaltig diejenige Hörerfraktion, die sich nichts sehnlicher als eine komplette Rückkehr zum Debütsound wünscht, aber keine Geduld hat, sich die Scheibe als Ganzes anzuhören. Die Anführungszeichen um "modernsten" erklären sich daraus, daß wir uns wie eingangs beschrieben musikevolutionär in den Mittneunzigern befinden, wo solcherart groovemetallische Songs durchaus en vogue waren - und zum Ende des Songs bereiten Scene X Dream dem Hörer dann noch eine Überraschung, indem sie ein mehrstimmiges melodisches Gesangsarrangement einfügen, das im typischen Groove Metal weiland völlig unbekannt war und damit schon wieder als progressiv im Sinne von fortschrittlich durchgeht, übrigens durchaus auch heute noch, allerdings jetzt eher aus dem Grund, daß kaum noch jemand besagten groovigen Metal spielt. Die Folgesongs enthalten dann wieder deutlich mehr für eine kompakte Form des Progmetal typische Elemente und bringen das Kunststück fertig, quasi das komplette Schaffen von Queensryche in einem Album zu vereinigen und trotzdem keineswegs wie ein Klon der Seattle-Formation zu wirken. Auffällig ist im Vergleich zu früher eine gewisse Erhöhung des Anteils an schnellen Songs, wobei der Speedknaller "What If I" gar das tempolastigste Stück der bisher konservierten Bandgeschichte darstellen dürfte und prima mit der unmittelbar nachfolgenden Ballade "One More Time" korrespondiert wie kontrastiert. Daß die letzten 20 Jahre nicht spurlos an Andi Sommers Stimme vorübergegangen sein dürften (obwohl er sie auch während der Ruheperiode von Scene X Dream fitgehalten hat, z.B. bei Lanzer und Everfest), war von vornherein klar, und so hält sich der Mann diesmal von den extremen Höhen fern, macht aber auch eine Region tiefer noch eine prima Figur, erinnert dort abermals bisweilen ein wenig an Michael Kiske und sorgt damit dafür, daß man beim Hören von "Identity" gelegentlich an dessen "Instant Clarity"-Solodebüt denkt, ohne damit aber eine allzustarke instrumentale oder kompositorische Ähnlichkeit zu verbinden - es ist im wesentlichen die Stimme, die für diese Ahnungen sorgt. Dafür gibt es auf "Identity" noch einen anderen Rückgriff in die Vergangenheit und zudem die erste Coverversion, die die Hessen auf CD verewigt haben: "Forged In Fire" von Anvil, mit denen Scene X Dream anno 1993 auf Tour waren (plus Titan Force - das war die erste von diversen Touren, die mit Riot geplant waren, aber von diesen nicht realisiert werden konnten), was anno 2014 dann noch einmal geschah (ohne Titan Force). Die Coverversion mutet dennoch ein wenig unentschlossen an, korrespondiert damit aber freilich mit der aktuellen Anvil-Livefassung, die (in diesem Fall nur mit einer Gitarre, während Sommer bei Scene X Dream eine Zweitgitarre umhängen hat) zumindest den Rezensenten auch nicht vom Hocker riß. Da überzeugen auf "Identity" das schnelle "Lost Forever" oder der in eine pure Humoreske mündende "Goatsong" mehr. Zwar hätte man sich hier und da eine noch ausführlichere und detailliertere Umsetzung der Grundideen gewünscht (wie sie bei "What If I" und "One More Time" geschehen ist, was diese beiden Songs zu den Highlights des Albums macht), aber auch in der vorliegenden kompakten Form (der von den beiden ersten Alben bekannte Viererschnitt wird mit zwölf Songs plus Intro in 42 Minuten hier noch ein gutes Stück unterboten) ist das von "The Call" auf hohem Niveau (und nochmal stark ans Debüt erinnernd, nicht nur, aber nicht zuletzt aufgrund des Backingvokalarrangements) abgeschlossene "Identity" auf alle Fälle hörenswert.
Kontakt: www.scenexdream.de

Tracklist:
Intro
Identity
Lost Forever
Black Message
Silent Crawling
Hostile
What If I
One More Time
Goatsong
Forged In Fire
The Call



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