www.Crossover-agm.de ALPHA TIGER: iDentity
von rls

ALPHA TIGER: iDentity   (Steamhammer/SPV)

Drittes Album beim dritten Label: Alpha Tiger sind bisher Wandervögel gewesen, und es bleibt ihnen zu wünschen, daß sie mit Steamhammer eine langlebigere Partnerschaft begründen können. Freilich ist "iDentity" für diesen Zweck ein schwieriges Album geworden: Zwar verschafft es der Band, so die Eigenaussage, ein Stück mehr eigene Identität, aber dafür gerät es längst nicht so eingängig wie die beiden Vorgänger und dürfte manchem Altanhänger daher etwas Hineinarbeitungszeit abverlangen, während der Uraltanhänger, der die Band noch aus ihrer Frühzeit, als sie unter dem Namen Satin Black firmierte und das für ein eigenproduziertes Debüt einer noch ganz jungen Band erstaunlich starke "Harlequin"-Album herausbrachte, kennt, vielleicht schneller damit warmwird. "Harlequin" nämlich bot durchaus vielschichtiges Songwriting mit so manchem Schlenker in progmetallische Gefilde, und die letztgenannten sind, nachdem sie auf den ersten beiden Alpha-Tiger-Alben zugunsten einer etwas straighteren Herangehensweise in den Hintergrund getreten waren, nun wieder etwas verstärkt im Einsatz, allerdings kombiniert mit der in den seither vergangenen sechs Jahren gewonnenen songwriterischen Reife, die dafür sorgt, daß Alpha Tiger jetzt viel besser wissen, an welcher Stelle welcher Part welche Wirkung entfaltet. Daß sie an einigen wenigen Stellen auch auf "iDentity" noch bzw. wieder übers Ziel hinausgeschossen sind, sei nicht verschwiegen - schon der dem unbetitelten Intro (mit Marc-Antoine Charpentiers Eurovisions-Te-Deum, das sich in einer Endlosschleife verfängt) folgende Opener "Lady Liberty" wäre ohne ein, zwei Verharrungen noch packender ausgefallen. Besser macht das beispielsweise "Long Way Of Redemption", ein Sechsminüter, der trotz dieser beträchtlichen Länge gemäß der klassischen Songwritingschule auf einer Grundidee beruht, der dann die unterschiedlichsten Elemente abgewonnen oder abgerungen werden, angereichert noch mit der einen oder anderen überraschenden, aber genialen Zutat wie den Kastagnetten in den Halbakustikparts - fertig ist melodischer Metal erster Güteklasse (die eher unmotiviert wirkende Ausblendung am Ende mal ausgeklammert), und von dieser Sorte gibt es in den knapp 50 Minuten etliche Exempel zu bestaunen, auch wenn nicht alle dem Hörer das Einarbeiten so leicht machen wie das genannte. Und "Lady Liberty" ist weit davon entfernt, etwa als schwach abqualifiziert werden zu müssen - da die Band bereits im Herbst 2014 ein Video dazu veröffentlicht hat, dürfte es so manchem Anhänger bereits liebgeworden sein, da die Einarbeitung hier bereits lange vor Albumrelease beginnen konnte. Und Alpha Tiger haben bei allem Anspruch auch nicht vergessen, besonders die Refrains mit merkfähigen Melodien auszustatten - als Paradebeispiel hierfür darf der Titeltrack dienen, dessen Grundstruktur zwar zu denen gehört, die etwas mehr Einarbeitungszeit erfordern, aber der dafür mit einem dieser Widerhakenrefrains lockt, die auch Sänger Stephan Dietrich großes Entfaltungspotential bieten, das er in der Konservenform auch in erstklassiger Manier nutzt und so den Schluß nahelegt, daß seine schwache Leistung beim Releasekonzert in Leipzig ein Ausrutscher war. Weitergehende Erörterungen zu diesem Punkt sind allerdings nicht mehr möglich - Stephan hat die Band aus Zeitgründen mittlerweile verlassen, und Alpha Tiger stehen vor dem großen Problem, einen gleichwertigen Ersatz finden zu müssen, was nicht leicht wird, denn solche großen Power-Metal-Stimmen, wie Stephan eine hat (hier und da, beispielsweise in "Revolution In Progress", ein wenig ähnlich zu Bruce Dickinson, aber etwas heller gefärbt und auch generell einen Tick vielschichtiger als der Maiden-Fronter), wachsen auch in Sachsen nicht gerade auf den Bäumen. Aber das ist ein Problem, das dem Liebhaber von "iDentity" erstmal egal sein kann - er erfreut sich halt an der hochklassigen Abschiedsvorstellung des Sängers, und mit Peter Langforth und Alexander Backasch sind ja die beiden Bandgründer und Gitarrenasse immer noch da, ergänzt durch die kompetente Rhythmussektion aus Bassist Dirk Frei und Drummer David Schleif, die zwar keine eigenen Akzente setzen, sich aber auch dort, wo Hauptsongwriter Langforth einen verwinkelten Pfad durchs musikalische Unterholz legt, problemlos zurechtfinden. Und daß der Chefdenker den Spaß am geradlinigen melodischen Speed Metal nicht verloren hat, beweist er mit "Shut Up & Think" - zwar spät, nämlich an vorletzter Albumposition, aber nicht zu spät. Freilich muß man auch hier mit einer verschleppten Bridge (und auch einigen Tempoausschlägen in die andere Richtung) klarkommen, und der Refrain wirkt hier, da die Backingstimmen seinen ersten Teil dominieren, etwas merkwürdig, aber trotzdem eignet sich dieser Song wohl am besten als Anspieltip für den Altanhänger der Band, während derjenige Hörer, der prinzipiell leicht abweichenden Wegen nicht abgeneigt ist, "iDentity" auch problemlos von Anfang bis Ende durchhören kann. Letzteres wird vom längsten Albumtrack markiert, dem reichlich siebenminütigen "This World Will Burn", das dem Hörer tempowechselseitig nochmal einiges abfordert, bisweilen etwas an Angra erinnert und erst nach einer ganzen Reihe Durchläufen zu zünden beginnt. So steht zu befürchten, daß in der heutigen, auch im Metal schnellebig gewordenen Zeit viele potentielle Anhänger nicht die Geduld aufbringen werden, sich "iDentity" zu erschließen - wer aber die Mühe investiert, wird mit knapp 50 Minuten interessantem Melodic Metal belohnt. Zweifler greifen zur Special Edition im Digipack, denn der ist noch eine DVD mit acht Songs der ersten beiden Alben beigefügt, mitgeschnitten beim Bang Your Head-Festival.
Kontakt: www.spv.de, www.alphatiger.de

Tracklist:
Intro
Lady Liberty
Scripted Reality
Long Way Of Redemption
Identity
We Won't Take It Anymore
Revolution In Progress
Closer Than Yesterday
Shut Up & Think
This World Will Burn



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