NIGHTWISH: Tales From The Elvenpath von rls (Drakkar)
Typisches Szenario: Eine große Band wechselt das Label, und das alte Label bringt nochmal eine Best Of heraus, in diesem Falle strategisch günstig auch noch vor Weihnachten. Inwieweit eine solche CD dann kaufenswert ist, verlangt eine intensive Einzelfallprüfung zunächst des Angebotes und danach natürlich noch der eigenen finanziellen Möglichkeiten. Von außen her überzeugt "Tales Of The Elvenpath" jedenfalls schon mal: Ein edel aussehender Kartonschuber (der allerdings den gleichen Nachteil hat wie der lange nicht so schön aussehende des "Once"-Albums: Man bekommt ihn kaum unfallfrei aus dem handelsüblichen CD-Regal heraus) mit Bandname und Albumtitel in eingeprägter Goldschrift, dazu ein stimmungsvolles Coverartwork von Andreas Marschall (auch wenn das Pferd ein wenig arg langsam galoppiert, um seine wehende Mähne und das flatternde Gewand des Ritters zu erzeugen), dazu noch diverse Sonnenuntergänge auf dem Backcover und im Booklet - da freut sich der Romantiker, und der Eskapist (Überschneidungen der Personengruppen sind nicht zufällig) malt sich aus, wo denn der titelgebende Elfenpfad entlangführen könnte, worauf man auf der und um die CD allerdings keine Antwort bekommt. Aber die alles entscheidende Kauffrage beinhaltet natürlich die Zusammenstellung des Materials, und da finden sich unter den 15 Songs respektive knapp 68 Minuten (ein wenig Spielraum wäre also noch gewesen) zehneinhalb gewöhnlichere Tracks und viereinhalb Raritäten. Der halbe Song ist die zauberhafte Halbballade "Sleeping Sun", die bekanntlich nicht auf einem regulären Nightwish-Album steht (zumindest keinem deutschen), aber durch die "Single zur Sonnenfinsternis" anno 1999 trotzdem einen weitreichenden Bekanntheitsgrad erlangt hat und auch auf der Herbsttour 2004 noch im Liveset stand. Bleiben also noch zehn bekannte Albumtracks, und bei denen hat man sich erwartungsgemäß auf kompakteres Material beschränkt (mit der Ausnahme des fragilen Mini-Epos "Dead Boy's Poem", einem der stärkten Nightwish-Songs aller Zeiten). Das Debüt "Angels Fall First" erschien anno 1997 noch nicht auf Drakkar und bleibt demzufolge auch auf dieser Best Of-Zusammenstellung ausgespart (Gleiches gilt natürlich für das von Nuclear Blast releaste 2004er Werk "Once", das ansonsten mit "Dark Chest Of Wonders", "Wish I Had An Angel", "Nemo", "Creek Mary's Blood" und "Ghost Love Score" gleich mal ein reichliches Drittel der CD hätte einnehmen müssen). Das Monumentalwerk "Oceanborn", in meiner ganz persönlichen Allzeit-Rangliste immer noch auf Platz 3 hinter Seraphims "The Equal Spirit" und HammerFalls "Glory To The Brave" angesiedelt, steuert neben dem aus der gleichen Songwritingsession stammenden "Sleeping Sun" noch drei Tracks bei, welche die in meinem "Over The Hills And Far Away"-Review bei den Livetracks ausführlich behandelte Ambivalenz ein weiteres Mal bestätigen, indem mit "Walking In The Air" und "Sacrament Of Wilderness" zwei der drei Albumtracks, die nur 99 von 100 Punkten erreichen, auf diese Best Of übernommen wurden (die gleichlautende Zahl assoziiert allerdings, daß sich mittlerweile auch ein kleiner Wandel in meiner Einschätzung vollzogen hat, indem "Walking In The Air" nach dem x-ten Durchlauf in der Rangliste etwas nach oben geklattert ist). Der dritte Track allerdings ist "Stargazers", nach wie vor ein Musterbeispiel für allerfeinsten orchestralen Speed Metal mit einem eskapistischen Gitarren-Hauptthema, das seither nie wieder jemand übertroffen hat. Daß dieser Song für die Best Of ausgewählt worden ist, spricht eindeutig für den Geschmack des Compilers und übrigens auch gegen den der Band, die ihn seit der "Oceanborn"-Tour 1999 nie wieder live spielte und auf der 2004er Tour gar das ganze "Oceanborn"-Album außen vor ließ (außer dem assoziierten "Sleeping Sun"). Das wäre so, als ob Iron Maiden nix von "The Number Of The Beast" spielen würden und Helloween beide "Keeper"-Alben vergäßen. Wen es interessiert, der kann sich dazu mein Showreview vom 15.10.2004 aus Leipzig durchlesen. Weiter im Text und damit zu "Wishmaster", dessen erste Albumhälfte mich nach wie vor nicht so aus den Latschen kippt, wenngleich man von ihr mit "Wishmaster" (dem nach wie vor einzigen geringfügig überladen wirkenden Track aus dem Nightwish-Schaffen), "She Is My Sin" und "The Kinslayer" wenigstens noch das Beste herausgefiltert hat und von der sehr starken zweiten Albumhälfte noch das wunderbare, wenngleich tieftraurige siebenminütige "Dead Boy's Poem" als Closer der zehneinhalb "Normalotracks" positioniert. Der Zwischendurch-Happen "Over The Hills And Far Away" stellt das titelgebende Gary Moore-Cover bereit, dessen Umsetzung immer noch höchsten Qualitätsansprüchen genüügt und das mit seinem folkigen Unterton sehr gut ins Nightwish-Repertoire paßt, und daß "Century Child" mit "Bless The Child" und "End Of All Hope" bedacht werden würde, bildet auch keine Überraschung, wenngleich die Reihenfolge verwundert: Beide Songs stehen wie schon auf dem regulären Album hintereinander - aber in vertauschter Folge, also erst das schneller marschierende "End Of All Hope" (welches die deutliche Herabsetzung des Durchschnittstempos von "Oceanborn" bis "Century Child" unterstreicht, indem es am oberen Ende des Tempospektrums von "Century Child" steht, auf "Oceanborn" allerdings als Midtempo klassifiziert worden wäre) und erst dann das gemäßigte, ebenfalls recht sehnsuchtsvolle und über die Jahre hinweg in meiner Rangliste deutlich gestiegene "Bless The Child" (daß ich mir in einzelnen Wertungen seinerzeit noch keineswegs sicher war, hatte ich ja bereits im "Century Child"-Review geschrieben), was bei den ersten Hördurchläufen etwas komisch wirkt, bis man sich daran gewöhnt hat.
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