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Nightwish, Sonata Arctica, Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus   15.10.2004   Leipzig, Arena
von rls und CSB

Die Entwicklung Nightwishs vom Underground-Projekt zum Top-Act läßt sich an den Konzerten in Sachsen deutlich ablesen: War man zum ersten Album "Angels Fall First" hierzulande noch gar nicht aktiv, spielte man zu "Oceanborn" als Rage-Support in Freiberg, und es folgte 2000 nach "Wishmaster" dann die erste Headlinertour, die im auch noch recht undergroundigen Hellraiser in Engelsdorf halt machte. 2002 gastierte man im Easy Auensee zu Leipzig (einer Lokalität der Größenordnung "Motörhead", "Type O Negative" oder "Manowar") und nun, anno 2004, in der Arena, wo ansonsten Combos der Marke "ZZ Top und größer" auftreten. Trotz eines Eintrittspreises von deutlich über 30 Euro war die Halle doch recht ordentlich gefüllt (Kollege CSB war auch anwesend, seine Kommentare kommen kursiv), und es hätte ein richtig gelungener Abend werden können, wenn, ja, wenn da nicht diverse Beeinträchtigungsfaktoren zum Zuge gekommen wären.
Mit dem ersten Negativum ging's gleich los: Sehr gefreut hatte ich mich auf den Gig von Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus, gefällt mir doch deren "In frostigen Tälern"-Album sowohl in musikalischer Hinsicht als auch aufgrund der unfreiwillig komischen deutschen Texte ausgesprochen gut. Demzufolge bemühte ich mich, pünktlich zur verbrieften Anstoßzeit 20 Uhr in der Arena zu sein, nur um festzustellen, daß die Truppe da schon mitten im Set war. Dreieinhalb Songs bekam ich noch mit, allesamt vom mir noch nicht bekannten neuen Album "Hartes Land" stammend und musikalisch vermuten lassend, daß sich nicht viel verändert hat: Immer noch regierte schwerer Metal mit deutlicher Schlagseite zum frühen Schaffen von Danzig und Black Sabbath. Leider waren die (wiederum deutschen) Texte akustisch nahezu nicht verständlich, was nicht an Timos pathetisch-flächigem Gesang, sondern eher an der Gesamtabmischung lag, wiewohl die eigentlich nicht wirklich schlecht war und die Arena abgesehen von der Schwierigkeit des sehr großen mit Sound zu füllenden Luftraumes akustisch gar nicht so problematisch sein dürfte. Jedenfalls präsentierte sich das Trio Niskalaukaus wieder als Quartett (mit Timo standen also fünf Finnen auf der Bühne), und gleich drei Menschen spielten Gitarre, wobei sich Timo selbst aber konsequent auf das Einstreuen einiger Fills und der Leads beschränkte, so daß keine Wand von drei Riffgitarren abzumischen war. Trotz teilweise nicht vorhandener Haarpracht bangte die Saitenfraktion phasenweise recht fleißig, und auch die Stimmung im Publikum war gut - eine Zugabe durfte die Truppe trotzdem nicht geben, und so war ich am Ende ob der unerquicklichen Kürze des von mir miterlebten Setteils doch etwas unglücklich. Kann Kollege CSB noch etwas über den ersten Teil des Sets sagen? Nun ja, eigentlich nichts Wesentliches, was nicht schon erwähnt wurde. Das Quintett hatte sich von Beginn an auf die "deutschen" Songs beschränkt, wobei vor allem das etwas flottere dritte Liedchen (Titel ist mir leider entfallen) mit seinen Folkanleihen überzeugen konnte und auch im Publikum etwas mehr Leben aufkam, als noch bei den vorangegangenen Titeln, bei welchen die auf Melodicmetal fixierten Fans wahrscheinlich erst mal realisieren mussten, welch seltsame Mixtur ihnen da von der Bühne entgegenschallte. Außerdem war der Sound zu Beginn noch weitaus schlechter, so dass man die eigentlich in unseren Breiten verständlichen Texte zu erahnen konnte. Trotz allem meines Erachtens sehr überzeugender Auftritt einer Band mit hohem Kultfaktor.
Ebenfalls sehr gefreut hatte ich mich auf den Gig von Sonata Arctica, da ich diese Truppe noch nie live gesehen hatte. Leider litten diese fünf Finnen unter der Leistung des Soundmenschen (wenn ich das richtig mitbekommen habe, hatten sie sogar ihren eigenen dabei, was die schwache Leistung doppelt unverständlich machte - ich stand unmittelbar vor dem Mischpult und hatte somit ähnliche akustische Verhältnisse wie er), welcher besonders in der ersten Sethälfte der Theorie frönte, Heavy Metal müsse in erster Linie aus Doublebassdrums bestehen. Wenn man in deren Wirbel (der sich anhörte, als würde man Jan Ullrich seitlich Zweige in die Speichen halten) aber nicht mal mehr die Leadgitarre heraushört, kann eigentlich irgendwas nicht stimmen. So wuchs sich der nächste Nachteil des Sets (der unter optimalen Soundbedingungen definitiv einer gewesen wäre) paradoxerweise fast zum Vorteil aus: Sonata Arctica spielten mit Ausnahme des Openers (der vom neuen Album "Reckoning Night" gewesen sein müßte, das ich noch nicht kenne) sowie "The Cage" von "Winterheart's Guild" ausschließlich Songs, die allenfalls im gehobenen Midtempo anzusiedeln waren und daher größtenteils mit einer geringeren Trommelanschlagsfrequenz (auch Snare und Hi-Hat waren zu laut) auskamen, was das Klangbild etwas entzerren half. Das bedeutete eben auch, daß brillante Kompositionen wie "Wolf & Raven", "Weballergy" oder "Blank File" im Set fehlten - die dort aber vermutlich zu einem völligen Klangbrei geführt hätten. Die Band intonierte zwar gleich vier Tracks ihres Hammerdebüts "Ecliptica" - aber warum es ausgerechnet die zwar keineswegs schlechten, aber eben auch nicht überstrahlenden Songs waren ("My Land", "Replica" und "Full Moon" - aber eben nicht "Destruction Preventer" oder "Blank File"), weiß wohl nur sie allein. Wenigstens kam "Kingdom Of A Heart" vor, ergänzt noch durch einen kleinen Jam-Schlenker hin zur Saga über Dana O'Hara. Auch die Songauswahl vom gleichfalls superben Nachfolgealbum "Silence" war merkwürdig - man beschränkte sich auf das gute, aber nicht weiter auffallende "Black Sheep", anstatt, wenn es schon was in mittlerer Tempolage sein sollte, vielleicht den epischen Knaller "The End Of This Chapter" aufzufahren. Ergänzt noch durch einiges Material von "Winterheart's Guild" und drei neue Songs ergab sich somit ein zwar keinesfalls schlechter Set melodischen Metals, der aber auch noch an stimmlichen Treffsicherheitsschwierigkeiten Tony Kakkos litt (die ganz hohen Passagen mied er über weite Strecken gleich ganz), was die unübersehbare Spielfreude der meisten auf der Bühne stehenden Akteure etwas negierte. Das Publikum feierte die Band trotzdem ab, aber auch hier wurde keine Zugabe genehmigt, und somit muß ich anhand meiner hohen Erwartungen erneut von einer Enttäuschung sprechen.
Wie sich meine Stimmungslage entwickelt hätte, wenn Nightwish nach dem obligatorischen klassischen Intro nicht mit einer mitreißenden Version von "Dark Chest Of Wonders" losgelegt hätten, möchte ich nicht prognostizieren. Jedenfalls war urplötzlich der Sound deutlich besser, wenngleich man Jukkas Schlagzeug auch nicht gerade in den Hintergrund gemischt hatte. Weiter ging's mit "Planet Hell", bevor diese fünf Finnen (wer hat sich nur dieses gleichförmige Package ausgedacht :-)) mit "Deep Silent Complete" erstmals auf älteres Material zurückgriffen. Spielfreude war wie schon bei den beiden Supports in rauhen Mengen vorhanden, selbst Tuomas bangte heftig hinter seiner Keyboardburg, und Sopranistin Tarja (erst im roten Kostüm, später auf Schwarz umsteigend) war erstklassig bei Stimme, legte nur an einer einzigen Stelle die Melodie einige Halbtöne tiefer, damit statt der Lead- die Backinglinie intonierend. Mit einer Ausnahme (war es "The Siren" oder "Dead Gardens"? Hilfe, mein Kurzzeitgedächtnis!) hatten sich Nightwish für die Setlist ausschließlich die Perlen aus dem neuen Album "Once" herausgepickt. Auf den Vorgänger "Century Child" griffen sie nur dreimal zurück, nämlich mit "Phantom Of The Opera" und "Bless The Child" (zum dritten Song gleich mehr), wobei das fürchterlich außertaktmäßige Mitklatschen des Publikums im Intro des letztgenannten Songs die eingangs erwähnte Theorie über die rapiden Zuströme an Fans in der jüngsten Vergangenheit (welche folglich mit dem Vor-"Once"-Material nicht vertraut waren) unterstrich. Dreieinhalb Songs gab's von "Wishmaster" zu hören, neben dem Titeltrack, dem erwähnten "Deep Silent Complete" und "She Is My Sin" noch "Dead Boy's Poem", und nur Gott und Tuomas Holopainen wissen, warum dieser hochemotionale Song in der Mitte abgebrochen wurde und nahtlos in "Slaying The Dreamer" (den oben erwähnten dritten Song) überging, dessen pseudoharte Atmosphäre nach wie vor aufgesetzt wirkt und ganz und gar nicht zu "Dead Boy's Poem" paßte. Auch an ihren Entertainerqualitäten müssen Nightwish noch deutlich feilen: Warum forderte Tarja ausgerechnet während des fragilsten Teils des Gitarrensolos im ersten Teil von "Dead Boy's Poem" zum Mitklatschen auf? Warum fragte Bassist/Co-Sänger Marco nach der träumerischen Halbballade "Sleeping Sun" das Publikum: "Did she make you cry?" (Was zur Hölle soll man als Publikum darauf antworten???) Und die Tatsache, daß "Sleeping Sun" der älteste Nighwish-Track des Abends bleiben sollte, erfreute das Herz des Rezensenten auch absolut nicht. Gut, um "Angels Fall First"-Material ist es mir nicht gediehen, aber daß auch das Fabelwerk "Oceanborn" (welches immerhin noch den Bronzerang in meinen persönlichen Alltimefaves belegt) komplett außen vor blieb, war eine herbe Enttäuschung. Da bildete auch das völlig unerwartete und coole Cover von "Symphony Of Destruction" (ja, Megadeth!) keine richtige Kompensation, zumal man hier durchaus auch mal das Experiment hätte wagen können, diesen Track zumindest zum Teil von Tarja singen zu lassen und nicht von Marco alleine (wobei ich vermute, dass der Song eher als Füller der Umbaupause von Frau Turunen diente und es unter normalen Umständen nicht in den Set geschafft hätte). So richtig versöhnen konnte mich letztlich erst wieder das Setende: Während dem regulären Setcloser "Nemo" war ich gedanklich immer mal abwesend, und als erste Zugabe das Mammutwerk "Ghost Love Score" vorgesetzt zu bekommen bildete zumindest für mich die positivste Überraschung des Abends. Die letzten Pyros gingen dann bei "Wish I Had An Angel" hoch, und dieser fulminante Schluß versöhnte zumindest für einige der angeführten Schwächeanfälle. So bleibt für mich die Erinnerung an ein durchaus gutes Konzert, welches aber nicht die erhoffte Glanzlichtmarke setzen konnte.



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