www.Crossover-agm.de MÜNCHENER FREIHEIT: Glanzlichter
von rls

MÜNCHENER FREIHEIT: Glanzlichter   (Electrola)

Spider Murphy Gang, Patrick Lindner, Tom Astor, Ireen Sheer, Chris Roberts, Udo Lindenberg, Max Raabe, Daliah Lavi, Nana Mouskouri, Hildegard Knef, Claudia Jung, Christian Anders - was hat die Münchener Freiheit mit all jenen zu tun? Sie alle sind mit einer Scheibe in der "Glanzlichter"-Serie vertreten, sagt die Bookletrückseite, und es gäbe noch mehr davon. Augenscheinlich wendet sich diese Serie, deren Titel eine Best Of assoziiert (und außerdem steht noch groß "mit STAR-KARTE" drauf), an den eher unbedarften Konsumenten, der die CD zu einem günstigen Preis im Laden entdeckt und automatisch mitnimmt, weil er den Band- bzw. Künstlernamen kennt und in seinem Hirn mit als gut empfundener Musik (und wenn's ein einziger Hit ist, wie im Falle der Spider Murphy Gang, von der sich außer dem Sperrbezirk-Lied nichts im kollektiven Gedächtnis erhalten hat, obwohl die Band noch heute aktiv ist und durchaus nicht wenige Platten herausgebracht hat) verknüpft hat. Dieser nicht aus sogenannten Die-Hard-Fans bestehende Personenkreis, der von der Münchener Freiheit noch eine Handvoll Achtziger-Hits in Erinnerung hat, wird nach Spontankauf der vorliegenden CD merkwürdig mit den Augen rollen: Es handelt sich tatsächlich um eine Best Of - allerdings um eine Best Of der Jahre 2004 bis 2010 bzw. 2011. Heißt praktisch: Die erwähnten Achtziger-Hits sind als Studioversion komplett abwesend, und die zeitliche Erweiterung ergibt sich aus dem Umstand, daß als Track 16 (und als Bonustrack ausgewiesen) eine Livefassung von "Tausendmal Du" auf der CD steht, die von einer der 2011er Liveveröffentlichungen stammen dürfte. Die anderen 15 Songs sind dem erwähnten Blindkäufer also vermutlich mehr oder weniger komplett unbekannt, und er wird so manche Überraschung erleben - viele davon sind allerdings positiver Natur. Wenn man sich an die Bandgeschichte erinnert, so markierte das "Geile Zeit"-Album von 2004 den ersten Schritt in den Spätfrühling der Zauner-Ära der Band, nachdem die Neuinterpretationen alter Hits auf "Zeitmaschine" weder die alten noch die angepeilten neuen Fans angesprochen hatte. 2007 folgte mit "XVII" ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, der gar mit "Hier und überall" den besten Song der Post-Achtziger-Bandgeschichte enthielt, 2009 mit "Eigene Wege" ein bärenstarkes Album, das mit einer geschickten Medienkampagne den Bekanntheitsgrad der Band noch einmal markant erhöhen konnte, und 2010 schließlich "Ohne Limit", ein gutes, aber seinen Vorgänger nicht übertreffendes Album - vier Werke also, aus denen man problemlos eine Best Of zusammenstellen kann. Die Compiler Wiebke Cansier und Kai Lerner haben von den regulären Fassungen dieser Alben allerdings lediglich zwölf Songs ausgewählt - zu den drei anderen, die an der Zahl 15 noch fehlen, weiter unten mehr. Daß der "Geile Zeit"-Titeltrack gleich den Opener markiert, ist als programmatisches Signal zu werten, und auch wenn die Studioversion die Genialität der Liveumsetzung (mit dem Generalpausen-Arrangement plus anschließendem ekstatischem Ausbruch) nicht erreicht, so stellt sie zweifellos ein Glanzlicht dar. Im Sinne einer demokratischen Auswahl stellt übrigens jedes der vier Alben drei Stücke, und im Falle des 2004er Werkes sind die anderen "Du und ich" und "Dreh' die Zeit nochmal zurück" - im ersteren Fall durchaus nachvollziehbar, aber das unauffällige Zeitdrehstück hätte vielleicht doch besser durch "Leuchtturm" (einen qualitativen solchen auf dem betreffenden Album darstellend) ersetzt werden sollen. Ähnlich merkwürdig mutet die Auswahl von "XVII" an: "Nichts ist wie du" - Applaus, der Song gehört zu den stärksten des Albums, vor allem der plötzliche Geschwindigkeitsausbruch im Refrain sowie der (wie wir acht Jahre später wissen, letzte) Falsetteinsatz Stefan Zauners auf einem MF-Studioalbum haben sich über die Jahre hinweg als ganz großes Kino herausgestellt. Auch "Reif für die Insel" hat nach oftmaligem Hören seine Qualität erst richtig offenbart. Aber mußte es als dritter Beitrag unbedingt das eher peinliche "Verliebt" (eine interessante Strophenkonstellation - und dann dieser völlig platte Refrain ...) sein? Vor allem vor dem Hintergrund, daß das absolute Glanzlicht, das erwähnte "Hier und überall", dadurch außen vor bleiben muß? Schnell weiter zu "Eigene Wege", das neben dem von Gitarrist Aron Strobel gesungenen Titeltrack noch "Sie liebt dich wie du bist" und "Mein Herz bleibt steh'n" stellen darf, deren Analysen im zugehörigen Albumreview auch ein reichliches halbes Jahrzehnt später wenig hinzuzufügen ist. Operation gelungen, Patient bei überwiegend bester Gesundheit - ein Urteil, das man auch für die Wahl von "Ohne Limit" fällen kann: "Seit der Nacht", "Niemals zu spät" und "Da wo ich bin, da will ich sein" gehören zu den stärksten Momenten dieses letzten MF-Albums mit Stefan Zauner am Mikrofon.
Damit es nun aber nicht bei einer Scheibe bleibt, deren Erwerb sich der Besitzer der erwähnten vier Studioalben in der Normalfassung sparen kann (es sei denn, er will unbedingt in den Besitz der STAR-KARTE gelangen, die sich als simpler Bandfotodruck in Bookletgröße herausstellt, deren Rückseiteninformationen von interessanter Schlichtheit sind, wie übrigens auch das Booklet zwar Komponisten und Rechteinhaber nennt, aber auf jegliche Informationen zu den Quell-Alben verzichtet, womit diesbezüglich keinerlei Werbewirksamkeit entsteht), haben die Compiler noch drei seltenere Tracks hervorgezaubert. "Du bist das Leben" und "Kleine Wunder" waren die neuen Tracks der 2005 erstmals und 2010 als erweiterte Neufassung erschienenen Box "Alle Jahre - Alle Hits", ersterer damals auch als Single ausgekoppelt, zweiterer nur als Promosingle und eben im Kontext jener Best-Of-Scheibe erhältlich - und von der Band offenbar so hoch eingeschätzt, daß er noch jahrelang in den Setlisten verblieb, auch wenn er selbst bei größtmöglich wohlwollender Beurteilung nicht zu den Glanzlichtern im Bandschaffen gehört (aber immer noch mehr überzeugt als das noch durchschnittlichere "Du bist das Leben", wiewohl auch dieses nicht wirklich schlecht ist). Eindeutig ganz hell strahlt hingegen die letzte Rarität: "12 Uhr nachts" von der Special Edition des "Eigene Wege"-Albums weist in ganz frühe Bandzeiten zurück, hätte auch auf "Umsteiger" oder "Licht" gepaßt, agiert frisch, frech und so unbeschwert von der Leber weg, wie man es von der routinierten Band eher selten gehört hat. Zauner und Strobel sind hier als Co-Komponisten angegeben, was es in der besagten Zeit im Gegensatz zu früher nur extrem selten gegeben hat - aber beim Blick auf die Komponistenverteilung fällt noch etwas anderes auf: Ist es Zufall, daß unter den 15 jüngeren Songs immerhin 40% aus der Feder von Bassist Michael Kunzi stammen? Wie auch immer: Für Raritätenjäger lohnt sich die "Glanzlichter"-CD hauptsächlich wegen "12 Uhr nachts" (die Special Edition von "Eigene Wege" dürfte nur noch schwer auftreibbar sein), Neueinsteiger sollten aber erstmal die "Eigene Wege"-Normaledition als Gipfelpunkt des jüngeren Bandschaffens anchecken. Ach ja, und es wäre durchaus mehr Platz auf der CD gewesen als knapp 58 Minuten Musik (der Rezensent ist immer noch nicht drüber weg, daß "Hier und überall" fehlt ...).
Kontakt: www.glanzlichter.net, www.muenchenerfreiheit.de

Tracklist:
Geile Zeit
Sie liebt dich wie du bist
Seit der Nacht
12 Uhr nachts
Mein Herz bleibt steh'n
Du bist das Leben
Du und ich
Reif für die Insel
Verliebt
Eigene Wege
Niemals zu spät
Da wo ich bin, da will ich sein
Nichts ist wie du
Dreh' die Zeit nochmal zurück
Kleine Wunder
Tausendmal du (live)
 




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