www.Crossover-agm.de MÜNCHENER FREIHEIT: Geile Zeit
von rls

MÜNCHENER FREIHEIT: Geile Zeit   (Koch Universal)

Nach dem Reinfall "Zeitmaschine" war völlig unsicher, was man von der Münchener Freiheit nun in Zukunft erwarten können würde. Die schreiend bunte Gestaltung von "Geile Zeit", dem bereits ein Jahr später nachgeschobenen nächsten Album, könnte eher als Vorsichtszeichen mißdeutet worden sein - aber nach Durchhören des Albums war man schlauer, und in der rückblickenden Betrachtung kann diese CD als erstes Anzeichen des Jungbrunnens gewertet werden, in den die Band dann mit "XVII" und besonders "Eigene Wege" vollends eintauchte. Auf zeitgeistige Anklänge verzichteten Stefan Zauner und seine Mannen diesmal völlig und konzentrierten sich auf das, was sie schon immer am besten konnten: anspruchsvollen achtzigergeprägten Edelpop mit latenter Rockschlagseite. Vor allem bleibt die Elektronifizierung des Schlagzeugs diesmal über weite Strecken aus ("XVII" sollte dann drei Jahre später diesbezüglich wieder einen kleinen Rückschritt markieren), was das Ganze zu einem erfreulich organisch klingenden Hörvergnügen macht. Interessanterweise hat Zauner die CD fast allein geschrieben, Aron Strobel und Michael Kunzi tauchen nur mit je einem Song auf. Freilich rechtfertigt Zauner die geschulterte Verantwortung auch mit einigen der besten MF-Songs seit langem. Der flotte Opener "Ein Engel wie du" macht schon mit den Bombastlandschaften im letztlich überraschend knappen Intro neugierig und überzeugt über weite Strecken, wenngleich man sich an die grammatikalischen Verbiegungen erst gewöhnen muß und der hintere Refrainteil, also der ab "Du haust mich um", vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Der Titeltrack entpuppt sich als massiver Midtemporocker, wobei in der Studioversion die brillante Auflösung nach hinten mit dem an eine Generalpause angehängten Solo (auf das Stichwort "merk' ich, daß etwas fehlt") noch nicht vorhanden ist, die die Liveversion noch einmal deutlich aufwertete - daß der Song der erste seit "Energie" ist, der sich mehr als ein halbes Jahrzehnt im Liveprogramm halten konnte, spricht Bände, und es bleibt zu hoffen, daß die neue Besetzung ihn nach seiner 2010er Streichung wieder aufgreifen wird. Diese exorbitante Qualität erreichen nicht alle der Folgesongs, aber es finden sich trotzdem noch einige Perlen, deren Live-Exhumierung ähnlich reizvolle Ergebnisse verspräche und die auch in den Studioversionen schon jede Menge Hörspaß machen. Das locker-flotte "Euphoria" etwa trägt seinen Titel vollkommen zu Recht, "Du und ich" entwickelt sich nach musikalisch merkwürdigem Beginn auch noch in eine interessante Richtung (und deklariert Mozart als idealen Soundtrack für gemeinsam-zweisame Stunden - über den Kuschelfaktor der Jupiter-Sinfonie wäre freilich noch zu diskutieren ...), die mit knapp fünf Minuten die Pole Position einnehmende Hymne "Leuchtturm" (keine Nena-Coverversion natürlich) krönt mit einem prächtigen, Zauners Stimme von ganz unten bis fast ganz oben fordernden Refrain einen guten, aber nicht weiter weltbewegenden Strophenteil, und dann wäre da noch "Fahrt ohne Wiederkehr" mit seinen Bombasttürmen und fließenden Keyboardwellen, an songdienlichere Exempel des Siebziger-Progrocks erinnernd. Da macht es nichts, daß Strobels "Du bist so misstrauisch" eher etwas bemüht wirkt, Kunzis "Dreh' die Zeit noch 'mal zurück" auch kein Highlight darstellt und nach "Leuchtturm" (achter von 13 Songs) dem Album ein bißchen die Puste ausgeht. Einige interessante Momente findet man freilich auch im hinteren Bereich noch, etwa eine schon fast bandtypisch zu nennende Harmoniestruktur im Finale von "Irgendwo im Süden". Auffällig ist darüber hinaus, daß die Texter-Fraktion hier und da wieder zur alten Linie zurückgefunden hat, was den Einbau intelligenter Wortspiele und Wendungen betrifft, und das hilft bei der Erschließung des Albums ungemein. Kombinationen wie "Ich küsse dir nicht deine Füße - ich fange gleich oben an" hätten jedenfalls auch auf eines der ganz frühen Alben der Band gepaßt, was ausdrücklich als Kompliment zu verstehen ist und vielleicht auch als Sinnbild gesehen werden kann, "Geile Zeit" wie erwähnt als erstes Signal des zweiten Frühlings für die Band zu interpretieren. Und über die optische Gestaltung kann man, solange die Musik stimmt, ja wohlwollend hinwegsehen ...
Kontakt: www.muenchenerfreiheit.info, www.crocodile-music.de, www.kochuniversal.de

Tracklist:
Ein Engel wie Du
Geile Zeit
Du und ich
Das ist einfach so
Euphoria
Fahrt ohne Wiederkehr
Du bist so misstrauisch
Leuchtturm
Irgendwo im Süden
Wie sie war
Einmal zu viel
Dreh' die Zeit noch 'mal zurück
Ich tu's



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