www.Crossover-agm.de NENA: Made In Germany Live
von rls

NENA: Made In Germany Live   (Laugh & Peas)

Die Nena-Tour war anno 2010 eine der positivsten Überraschungen in der Livemusiklandschaft des Rezensenten, wie man anhand des Reviewnachlesens vom Leipzig-Gig am 20.04.2010 wieder ins Gedächtnis zurückholen kann. Von dieser Warte aus ist die Veröffentlichung eines Livedokumentes von dieser Tour also nur zu begrüßen, zumal damit auch endlich das "Deep-Purple-Versprechen" des letzten Studioalbumtitels eingelöst wird (siehe die Bemerkung im Livereviewtext). Daß das Farbmanagement des im Digipack vorliegenden Doppelalbums nun ausgerechnet auch auf ein tiefes Purpur als Grundfarbe setzt, dürfte dennoch purer Zufall sein und ist für die musikalische Bewertung eigentlich auch ohne Bedeutung, wenngleich die äußerst rocklastige Ausrichtung des Sets schon damals auffiel und natürlich auch auf dem Livedokument entsprechend ausgeprägt ist. Das dürfte nach wie vor nicht jeder mögen, wenn aus eher poplastigen Achtziger-Songs wie "Nur geträumt" auf einmal feiste bis speedlastige Bombastrockhymnen mit teils doppelläufigen Gitarren werden - aber wenn das in der vorliegenden Qualität geschieht, bleiben als potentielle Meckerer eigentlich nur noch die Fraktion "Ich will alles exakt so wie auf Platte hören" und die Fraktion "Rockmusik ist sowieso scheiße" übrig. Natürlich fehlen auf der Liveplatte drei Dinge: der Überraschungsfaktor (wenn man auf der Tour dabei war, weiß man, was einen auf der Konserve erwartet), der äußerst aufwendige Bühnenaufbau und die großartige Lichtshow (die sich als Ahnung nur reproduzieren ließen, wenn das Werk auch als DVD erscheint) und schließlich das alles einhüllende, sehr laute und trotzdem relativ klare Soundgewand, das man auch mit der besten Tonwiedergabetechnik in den heimischen vier Wänden nur eingeschränkt reproduzieren kann. Freilich hat gerade der letzte Fakt durchaus auch Vorteile: In der Setmitte standen einige Songs, bei denen im Livesound bestimmte elektronische Elemente sehr in den Vordergrund gemischt worden waren und daher ein eher störendes, bis ins Technozide reichendes Feeling hervorriefen. Diese vordergründige Abmischung ist auf dem Livedokument ein wenig abgeschwächt worden, so daß auch "Du bist so gut für mich" (ist eigentlich jemandem schon mal dessen grundstrukturelle Verwandtschaft mit Pink Floyds "Another Brick In The Wall Part 2" aufgefallen?) und "Willst du mit mir gehn" sich problemlos in den gutklassigen Teil des Konzertes einfügen. Danach stand in Leipzig "Sheriff", auch mit erwähnten Balanceproblemen - dem ist man auf der Konserve gleich ganz aus dem Weg gegangen: Der Mitschnitt stammt vom Konzert am 24.04.2010 in der O2-Arena in Berlin, also vier Tage nach dem Leipzig-Gig, und "Sheriff" ist dort gar nicht enthalten. Keine Ahnung, ob er nur aus der CD-Fassung entfernt oder aber in Berlin gar nicht erst gespielt wurde - aber der Verlust führt in diesem Fall zu einer besseren Stringenz des Endproduktes. Und auch "Wunder gescheh'n" übertrifft in der Berlin-Fassung die von Leipzig in einem Punkt deutlich: In Leipzig hatte der Schlußteil dieses wunderbar emotionalen Songs (der beweist, daß sich emotionale Tiefe und Charterfolg nicht automatisch ausschließen) darunter gelitten, daß von der Bühne eine Aufforderung zum Mitklatschen kam, und zwar im doppelten Tempo des Grundbeates, was die Stimmung dieses Teils nachhaltig beeinträchtigt hatte. Das passiert in Berlin nicht - und schon haben wir hier das emotionale Highlights des Sets vor uns, auf Augenhöhe mit "Liebe ist" (auf der Livekonserve irgendwie auffälliger als im Konzert - und hier kann man auch mal genau nachhören, wie gut die Band eingespielt ist, denn auch wenn die "Chefin" mal unabgesprochen improvisiert, sitzen die folgenden instrumentalen Einsätze trotzdem paßgenau) und dem epischen Setcloser "Der Anfang". Nach diesem folgen hier allerdings noch sechs weitere Tracks. Wer die Toursetlist kennt, wird im regulären Berlin-Mitschnitt neben "Sheriff" auch noch "Du hast dich entschieden" und "Heute hab ich die Sonne mit dem Mond verwechselt" vermißt haben - die beiden gibt's im Bonusteil als Mitschnitte aus Hamburg, zeitlich exakt in der Mitte zwischen Leipzig und Berlin angesiedelt. "Engel der Nacht" ist als Proberaummitschnitt vertreten und hat dafür einen äußerst sauberen Sound. Die eigentlichen Entdeckungen für viele Nena-Anhänger werden aber "Strangers" und "Ecstasy" sein, zwei Songs der Band The Stripes, in der Nena vor ihrer Solokarriere spielte. Diese beiden gibt's als Livemitschnitte aus Huxleys Neuer Welt in Berlin vom 23.11.2009, wo Gabriele Susanne Kerner offensichtlich vor eher kleinem Publikum in ihre Vergangenheit eintauchte und hörbar Spaß dran hatte, diese 30 Jahre alten Kamellen (eine Art zivilisierter 77er-Punkrock) wieder mal ans Tageslicht zu zerren. Apropos Spaß: Den hat sie auch im ganzen regulären Mitschnitt reichlich, und zieht man ein paar typische Showgesten ab, bleibt immer noch genug an echter Zuneigung zu denen, die ihr Dasein finanzieren, nämlich ihren Anhängern, die sich auch nicht lumpen lassen und eine große Party feiern. Und richtig spaßig wird's dann im allerletzten Song "Liebe isch...", einem Mitschnitt aus Stuttgart, wo Nena, angestachelt von einem ihrer dort beheimateten Bandmitglieder, versucht, "Liebe ist" in eine schwäbische Version umzuwandeln, was zu einem fröhlichen Fiasko führt. So enden die 140 Minuten Musik der mit einem Posterbooklet und vielen Fotos ausstaffierten Doppel-CD mit richtig guter Laune, die allerdings auch schon aufgrund der musikalischen Leistung im Hauptset aufgekommen ist und beweist, daß die gute alte deutsche Garde auch heute noch erstklassige Leistungen im pop- bzw. rockmusikalischen abzuliefern in der Lage ist.
Kontakt: www.nena.de

Tracklist:
CD 1:
Made in Germany
SchönSchönSchön
Nur geträumt
Lass die Leinen los
Wunder gescheh'n
Geheimnis
Wir sind wahr
Fragezeichen
Tokyo
Liebe ist
Du bist so gut für mich
Willst du mit mir gehn
Ich bin hyperaktiv

CD 2:
Ganz viel Zeit
99 Luftballons
Leuchtturm
Schmerzen
In meinem Leben
Nachts wenn es warm ist
Irgendwie Irgendwo Irgendwann
Der Anfang
Bonussektion:
Strangers
Ecstasy
Engel der Nacht
Du hast dich entschieden
Heute hab ich die Sonne mit dem Mond verwechselt
Liebe isch...
 




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