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von rls

MÜNCHENER FREIHEIT: XVII   (Koch Universal)

Die Ergründung, um das wievielte Album der Münchener Freiheit es sich hierbei handelt, sollte anhand des Titels keine größeren Schwierigkeiten hervorrufen und gleichzeitig für überraschende Erkenntnisse bei all denjenigen sorgen, welche die Band mit den abgelaufenen Achtzigern aus den Augen verloren hatten, weil die Ultimativität und ubiquitäre Bekanntheit der Highlights von "Traumziel" und "Fantasie" späterhin nicht mehr reproduziert werden konnte. Trotzdem ist die Band kontinuierlich aktiv geblieben, hat in halbwegs regelmäßigen Abständen von meist zwei Jahren neue Studioalben herausgebracht und ist ebenfalls halbwegs regelmäßig auf Tour zu erleben. Der Rezensent hatte anno 2006 gleich zweimal die Gelegenheit, das Quintett live zu sehen, und bei beiden Gigs stand ein Song namens "Ich will dich nie wieder verliern" im Set, den es bis dato noch auf keinem Tonträger der Band zu hören gegeben hatte. Dieses Phänomen, also das Live-Antesten bisher noch nicht konservierter Songs, war ganz früher, also in den Sechzigern oder Siebzigern, durchaus nicht unüblich, verschwand danach aber fast völlig und erlebte erst in den letzten Jahren ein Revival, gespalten allerdings in völlige Ablehnung und begeisterte Zustimmung, wobei sich erstgenannte meist auf die Angst vor Bootleggern gründet, die dann Material verbreiten, das, wenn die Band und das Publikum nicht von seiner Brauchbarkeit überzeugt sind, schnell wieder in den Annalen verschwindet und über das alle Seiten wohl am liebsten den Mantel des Schweigens decken würden. Nun brauchte man im Falle von "Ich will dich nie wieder verliern" diesbezüglich keine Angst zu haben, schließlich handelt es sich neben dem Titeltrack von "Geile Zeit" (der sich auch im Set festgekrallt hatte) um einen der besten Songs, den sich Stefan Zauner und seine Mannen in der jüngeren Vergangenheit aus den Rippen geschnitten haben, wenn man den recht banal wirkenden Titel mal aus der Betrachtung ausklammert, und so war es keine Überraschung, diesen Song gleich als Opener auf der neuen Scheibe wiederzufinden. Der Schreck beim ersten Hören war allerdings groß - die recht lebendig-organische Liveversion noch im Ohr habend, wirkt die Studioversion geradezu kalt, manchmal gar steril, erst der zweite Teil des Chorus umfängt den Hörer mit etwas wärmeren Bombastwolken und vor allem natürlicher wirkenden Drums. Das ist ein nicht selten anzutreffendes Phänomen auf der CD - die Drums hören sich hier und da schlicht und einfach viel zu maschinell an, obwohl man mit Rennie Hatzke einen bekanntermaßen nicht unfähigen Menschen an diesem Instrument sitzen hat. Als Stilmittel haben Zauner & Co. ja schon früher mit diesen künstlich anmutenden Drums experimentiert, was etwa "Mach die Augen zu" und die Langversion von "Liebe auf den ersten Blick" zu schwer verdaulichen, nach eingehender Beschäftigung allerdings recht reizvollen Songherausforderungen machte, allerdings auch dazu führte, daß gewisse Teile des "Love Is No Science"-Albums mehr oder weniger ungenießbar waren. In den 13 Songs auf "XVII" haben sie es manchmal auch ein bißchen übertrieben mit der sterilen Anmutung des Unterbaus, der gegenüber den lebendigeren Liveversionen in einem zwar interessanten, aber nicht zwingend anstrebenswerten Kontrast steht. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die deutlich basischere Inszenierung vieler Songs - mit dem einen oder anderen Bombastturm kann man ja noch einiges überdecken, aber das war hier offensichtlich nicht Sinn und Zweck der Sache. Das ist ein wenig schade, denn viele der Songs an sich sind ideenseitig recht gut, aber man wird das Gefühl nicht los, daß in der Umsetzung noch viel begeisterndere Ergebnisse herausholbar gewesen wären. Das heißt nicht, daß nun alles mit Bombasttürmen hätte zugestellt werden sollen, denn die Strobel-Komposition "Mein schwerster Fall" etwa beweist, daß das Kontrastprogramm eines voluminös inszenierten Refrains und einer eher spartanischen Strophe (die harmonie- wie strukturseitig übrigens an einen Hardrocksong mit der Choruseinleitung "I Need Somebody Like You" erinnert, bei dem mir partout nicht einfallen will, wie er genau heißt und von wem er ist) durchaus funktionieren kann. Was sich die Arrangementabteilung dagegen bei "Bis ans Ende der Welt" gedacht hat, bleibt völlig im Dunkeln: Hier verewigt ist eine langweilige Dancefloorumsetzung, bei deren Hören man mit Tränen in den Augen daran denkt, wie dieser von der Idee her richtig coole Song geklungen haben könnte, wenn man aus ihm einen poprockigen Speedhammer der Bauart "Bis wir uns wiedersehen" (in der Originalversion natürlich, nicht in der eher lahmenden Neuumsetzung auf "Zeitmaschine") gebastelt hätte (wohingegen das Metrum des Textes, nicht dagegen sein Inhalt, auch eine Anlehung an den Kuschelklassiker "Laß mich nie mehr los" erlaubt hätte). Experimentierfreude ist ja prinzipiell nichts Schlechtes und gerade im Falle der Münchener Freiheit durchaus angebracht, die bei allzugroßer Stromlinienförmigkeit schnell in die Gefahr des simplen Selbstplagiats geraten würde (auch hierfür hält "XVII" einige Exempel bereit), aber in diesem Fall ging der Schuß klar nach hinten los (die Liveversion der 2007er Tour konnte da zumindest ansatzweise noch etwas ausbügeln, nicht zuletzt aufgrund der dort nicht mit Effekten zugekleisterten Stimme). Daß in einem Fall die Kreativität nicht mal für einen neuen Songtitel gereicht hat, darf dagegen getrost unter "Kuriositäten" verbucht werden - "Tut so gut" gab's nämlich anno 1983 auf dem zweiten Album "Licht" schon mal, und die beiden Songs haben nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun, weder musikalisch noch lyrisch. Die Lyrics auf "XVII" sind übrigens ausschließlich zwischenmenschlich orientiert, es gibt keine Abweichungen etwa zur Umweltthematik, die den Opener der letzten Tour "Ihr kommt zu spät" prägte. Aber "AKW-nee"-Texte erwartet von der Band auch irgendwie niemand, und so hat sich Fast-Allein-Texter Zauner eben hauptsächlich seinem Lieblingsthema gewidmet, und das mit unterschiedlichem Erfolg, was die gewonnenen sprachlichen Bilder angeht. Unterschiedlicher Erfolg prägt wie geschrieben auch die musikalischen Umsetzungen (von einer kompetenten instrumentalen Einspielung konnte man ja ebenso ausgehen wie von einer hochklassigen Zaunerschen Gesangsleistung - was der Mann in seinem Alter immer noch für spielerisch-weiche Höhen erreicht, bleibt ein Phänomen sondersgleichen), wobei auffällt, daß der absolut beste Song das Album beschließt und nicht von Zauner, sondern von Keyboarder Alex Grünwald komponiert worden ist (man sollte ihn vermutlich öfter mal ranlassen ...): "Hier und überall" ist der bombastischste Song der ganzen Platte, harmonisch an manchen Stellen erfreulich unkonventionell, läßt auch mal ein paar instrumentale Zaubereien zu und wird hoffentlich in einer mit einem ausgedehnten Instrumentalduell zwischen den vier Frontleuten im Mittelteil auf die doppelte Spielzeit seiner derzeitigen fünf Minuten ausgedehnten, begeisternden Version im Geiste der alten Amon Düül 2 oder wahlweise einer anderen coolen Siebziger-Rockband zwischen The Free, UFO und Deep Purple den Weg in die nächste Livesetlist finden (daß die Jungs in dieser Richtung Affinitäten hegen, weiß man ja anhand ihrer immer als letzte Zugabe gespielten Coverversion aus diesem musikalischen Bereich, und mit einer nostalgischen Träne im Knopfloch denke ich immer noch an die beste, längste und spielfreudigste dieser Sorte zurück, nämlich The Frees "All Right Now" - das Erlebnis des Auftaktgigs der 2007er Tour offenbarte allerdings die Nichterfüllung des genannten Wunsches). Ansonsten sind die 50 Minuten "XVII" grundsolides Popfutter der alten Schule, aber definitiv nicht das beste Album des Fünfers, weshalb dem Einsteiger die bekannten Achtziger-Alben zum Test ans Herz gelegt seien, wohingegen der Anhänger der Band bedenkenlos zugreifen und das angenehme Gefühl genießen kann, daß es sich bei der Münchener Freiheit im Gegensatz zu zahllosen anderen "alten" Bands eben nicht um eine pure Revivaltruppe handelt.
Kontakt: www.crocodile-music.de, www.kochuniversal.com

Tracklist:
Ich will dich nie wieder verliern
Halt mich fest
Nichts ist wie du
Reif für die Insel
Sorry
Manche Dinge kommen einfach über Nacht
Mein schwerster Fall
Bis ans Ende der Welt
Verliebt
Vielleicht
Tut so gut
Wenn der Wind sich dreht
Hier und überall



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