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Münchener Freiheit   14.12.2006   Leipzig, Gewandhaus
von rls

Mancher unverbesserliche Optimist dürfte angesichts des Spielortes gehofft haben, die Münchener Freiheit würde zumindest bei dem einen oder anderen Song auf Orchesterunterstützung zurückgreifen, denn immerhin ist das Gewandhaus zu Leipzig die Heimat eines Orchesters von Weltruf. Aber einen solchen werbewirksamen Effekt hätte man im Vorfeld garantiert irgendwo publik gemacht, und da das nicht geschehen war, konnte man bei realistischer Betrachtungsweise davon ausgehen, daß die fünf Jungs den Gig wohl doch alleine bestreiten würden, was dann letztlich auch eintrat. Genau genommen entpuppte sich das Konzert als letzte Station der 2006er Gastspielreise zum letzten Single-Package-Doppelalbum, deren Auftaktgig der Rezensent am 9.3.2006 in Chemnitz ebenfalls gesehen hatte und somit gespannt war, ob er die gleiche Setlist noch einmal kredenzt bekommen würde oder man im Laufe der Tour noch ein paar Änderungen eingebaut hatte. Letztlich stellte sich letztgenannte als die korrekte Option heraus, weshalb der interessierte Leser für den grundsätzlichen Bericht auf das Review zu besagtem Chemnitz-Gig zurückverwiesen sei, während er hier noch ein paar Worte über die Unterschiede nachlesen kann. Deren einer bestand im Sound - hier hatte der Soundmensch zwar von Anfang an alles im Griff, aber leider auf einem geringfügig zu hohen Pegel, zumindest wenn man die Sitzposition in der fünften Reihe Parkett rechts als Maßstab nimmt, wo speziell Stefans Gesang mitunter ein wenig schwer verständlich war, was indes kein existentielles Problem darstellte, da man die Texte ja sowieso auswendig konnte und sich selbst Figuren im Saal fanden, die "Ich will dich nie wieder verliern" schon sicher mitsangen - immerhin ein Song, der noch nie auf offiziellem Tonträger veröffentlicht worden ist (Frage an die Spezialisten: Gibt es eigentlich Livebootlegs von der Münchener Freiheit???) und lediglich auf den Gigs der 2006er Tour gespielt worden ist, von dem aber zu hoffen bleibt, daß er sich längere Zeit in der Setlist hält. Auch die beiden anderen neueren Tracks wachsen langsam, wenngleich weder "Kleine Wunder" noch "Du bist das Leben" zu den ganz großen Würfen in der Bandgeschichte zählen - sie fallen aber auch nicht nach unten durchs Qualitätssieb. An "Geile Zeit", das seine Klassikerqualitäten auch diesmal wieder bewies, kommen sie allerdings deutlich nicht ran. Stefan war deutlich besser bei Stimme als im März, mußte sich also auch ansagenseitig nicht so schonen wie damals, wenngleich es bei ihm mittlerweile nicht mehr so richtig auf seine Entertainerqualitäten ankommt - die Stimmung im Publikum besorgen die Classics im Set schon lange von alleine, und deren waren es erwartet viele (allenfalls "Ich will dich nochmal" hätte man getrost durch "Verlieben, verlieren" ersetzen können). Die Highlights aufzuzählen kann man sich getrost ersparen, allein "S.O.S." gab es wieder in einer nicht ganz so spannenden Version zu hören, die beispielsweise hinter der vom 91er Livealbum zurücksteht. Der bezaubernde Akustikteil war ebenso im Programm geblieben wie das mit Worten nach wie vor unfaßliche "Sommernachtstraum", das interessanterweise diesmal stärker beklatscht wurde als damals bei seinem völlig überraschenden ersten Auftauchen in der Setlist in Chemnitz - entweder befanden sich zahlreiche Menschen im Saal, die beispielsweise den Halle-Gig im März schon gesehen hatten und daher wußten, was auf sie zukommt, oder es waren generell mehr Altfans unter den 1100 Zuschauern, die eben nicht nur "Traumziel" und "Fantasie", sondern auch die Vorgängeralben im Schrank stehen haben und diese auch heute noch mit Genuß auf den Plattenteller legen. Der Bestuhlungscharakter der Location machte allerdings das Aufkommen richtiger Partystimmung wieder mal recht schwer, und so kochte der Saal erst wieder beim vorletzten regulären Song, dem unvermeidlichen (und vom Rezensenten aufgrund seiner persönlichen Situation an diesem Abend ganz eigenartig miterlebten) "Ohne dich". Den Zugabenteil hatte man diesmal umgedreht, intonierte also erst "Solang man Träume noch leben kann" und dann "Bis wir uns wiedersehen", was dramaturgisch zweifellos die gelungenere Lösung war, als wie in Chemnitz den Reißer vor den Relaxer zu setzen, wenngleich bis zum alten Energiegrad von "Bis wir uns wiedersehen" auch diesmal wieder noch Platz nach oben blieb. Über das gewohnt perfekte Zusammenspiel der Musiker zu berichten hieße Bier nach Bayern zu exportieren, eine hübsche Lichtshow rundete das Konzerterlebnis ab - und dann blieb ja noch der letzte Song, die Instrumententauschnummer, und hier kam der einzige Song zum Zuge, den man damals in Chemnitz nicht gespielt hatte, allerdings auch kein neuer im Freiheit-Kontext: "I Love Rock'n'Roll" war schon 2005 beim Brauereifestgig in Radeberg erklungen und macht prinzipiell zwar Laune, damals wie diesmal, stellt aber die Fähigkeiten der Musiker auch an ihren ungewohnten Instrumenten doch ein wenig zu sehr unter den Scheffel. Das nächste Mal wünsche ich mir für diesen Programmpunkt wieder sowas Brillantes wie die improvisatorisch ausgewalzte Version von "All Right Now" von der 1998er Tour und bin gespannt, was die Sichtung des Bandbackkataloges auf der 2007er Tour so für Überraschungen ergibt. Jedenfalls war dieser Gig ein ebenso würdiger Abschluß der 2006er Konzertsaison der Münchener Freiheit, wie der Chemnitz-Gig einen würdigen Auftakt gebildet hatte.



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