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von rls

MÜNCHENER FREIHEIT: Live in München (DVD)   (Koch Universal)

Die 30-Jahre-Jubiläumstour der Münchener Freiheit, die gleichzeitig der Promotion des Albums "Ohne Limit" diente und, wie wir heute wissen, auch die Abschiedstour von Stefan Zauner sein sollte, wurde konserviert und für die Nachwelt festgehalten, und zwar in zwei verschiedenen Formaten, die man auch an zwei verschiedenen Orten mitschnitt. Zunächst gibt es da die Doppel-CD mit dem Gig aus der Großen Freiheit in Hamburg, und auf der anderen Seite stammt die DVD vom Gig in München, der vom Bayerischen Fernsehen sowieso mitgeschnitten wurde - ergo konnte man sich eine gesonderte Technikanmietung sparen und hatte Profis am Start, was sich auch in einer exzellenten Bildqualität niederschlägt. Interessanterweise vollführt der Kameramann vorn im Fotograben anfangs noch eine Reihe recht schneller Schwenks, wird dann aber im Verlaufe des Gigs deutlich ruhiger, so daß die einzigen schnelleren Läufe auf das Konto der Überkopfkamera hinten rechts in der Halle gehen. Aber selbst diese sorgen nicht für Aufregung oder gar Nervosität, wie man das heutzutage fast in Stilmittelmanier auf vielen Live-DVDs vorgesetzt bekommt, nachträgliche Kopfschmerzen und Augenflimmern inclusive. So etwas braucht man hier nicht zu befürchten: Wenn man das Stroboskoplicht im ersten Soloteil von "Sommernachtstraum" heil übersteht (das man am besten mit geschlossenen Augen betrachtet), hat man nur noch wenig zu befürchten, sondern darf sich auf einen technisch einwandfreien und harmonisch ausbalancierten Betrachtungsgenuß freuen.
Vom Liveteil der Setlist her ist die DVD mit der CD identisch. Geht man also vom mit "Seit der Nacht" unterlegten Hauptmenü ins Intro, bekommt man nach einer kurzen Bildcollage mit einströmendem Publikum das wabernde und gekonnt Stimmung aufbauende Showintro samt anschließendem "Seit der Nacht" zu hören. Am Fotograbengitter hängt ein Banner mit der Aufschrift "30 Jahre Geile Zeit", in der ersten Reihe steht immerhin ein Langhaariger (plus ein Kurzhaariger mit Shirt des Hard Rock-Cafés), der sich aber nicht zum Headbangen entschließen kann, und auf der Bühne entdeckt man fünf Herren mit einer Bekleidungskombination aus Eleganz, Wurzeltreue und Rustikalität. Keyboarder Alex Grünwald kombiniert sogar beides: In den ersten zwei Songs trägt er über seinem Beatles-Shirt noch ein Jackett, bis es ihm offenbar zu warm wird und er sich des letztgenannten entledigt. Durch die Verkabelung des In-Ear-Monitorings sehen einige der Herren übrigens ein bißchen wie Aliens aus, und während Stefan Zauner während des ganzen Gigs quasi keine optische Anstrengung erkennen läßt, schwitzt Aron Strobel schon nach kurzer Zeit und dann den ganzen Gig hindurch wie in der Sauna, obwohl er sich nicht mehr bewegt als sein Sänger. Der hat dafür mit anderen Problemen zu kämpfen: Bekanntermaßen standen und fielen MF-Gigs in letzter Zeit immer mit dem Zustand seiner Stimme - der Rezensent hatte auf den von ihm besuchten Gigs fast immer Glück, aber er hätte auch weniger Sonnenschein ernten können, wie schon der Hamburg-Mitschnitt deutlich machte. München reiht sich ebenfalls unter die gelegentlichen Problemfälle ein, und schon die beiden Opener machen das Spektrum deutlich, in dem sich der ganze zweistündige Gig bewegen wird: In "Seit der Nacht" klingt Zauner reichlich angestrengt, in "Wenn das so einfach ist" deutlich lockerer, und so geht das munter weiter. In "Da wo ich bin, da will ich sein" mag man sich gar nicht vorstellen, was ohne die Gesangsstützen von Strobel und Bassist Michael Kunzi passiert wäre, während die Tiefen in den Strophen von "Niemals zu spät" erstaunliche Wirkungen entfalten, die man von der Band so noch gar nicht gewohnt war. "Tausendmal Du" kombiniert beide Fälle auf engem Raum: Zauner als Könner weiß natürlich, wie er am unauffälligsten pressen muß, um den Sprung nach oben in "so wie du" noch hinzubekommen, aber man hört die Anstrengung trotzdem deutlich, während die Höhenlagen im Refrain wiederum fast mit der alten Leichtigkeit herübergeschwebt kommen. Der Gesamtsound weiß durchaus zu überzeugen - Indikator ist gleich der gute, wenngleich in der Konserve natürlich nie so stark wie in der Konzertsituation raumgreifende Bombastsound im Mittelteil von "Wenn das so einfach ist", und auch die knochenharten Gitarren im Refrain von "Sie liebt dich, wie du bist" stimmen eindeutig positiv. Kuriosum am Ende des Twin-Guitar-Solos von "Aus der Nummer raus": An dessen Ende spielt weder Zauner noch Strobel für einen Moment die Rhythmusgitarre weiter - aber solche Details machen das Ganze ja erst richtig interessant. Die Lagerfeueransage vor "Du bist Energie für mich" hält Zauner entweder deutlich kürzer als sonst, oder sie wurde partiell herausgeschnitten - interessanterweise kommt das Klatschgeräusch aus dem Publikum hier tatsächlich in fast elektronifiziert wirkender Manier herüber, so daß entweder auch hier nachbearbeitet wurde oder aber die Nachbearbeitung beim Hamburg-Material doch nicht so stark ausgefallen ist wie damals vermutet. Das durchschnittlich doch recht junge Publikum erweist sich generell als äußerst feierfreudig (die Halle ist übrigens unbestuhlt), aber nicht hundertprozentig als textsicher, wie man am völlig irrationalen Weitersingen nach dem Solo von "SOS" bemerkt, als viele Publikumssänger an völlig unmöglichen Stellen mit "völlig allein" rauskommen. Zu "Sommernachtstraum" fehlen, vom obigen Stroboskop-Einwurf abgesehen, mal wieder alle Worte, "Unterwegs in die Freiheit" hörte man in der Vergangenheit nicht immer so forsch wie hier (das Outro!), und Zauner packt auch mal wieder seine alte Zeitsprung-Weisheit aus, wenngleich in leicht inkorrekter Form: Der "größte Zeitsprung, den wir überhaupt machen können", reichte früher von der aktuellen Single bis zurück zu "Zeig mir die Nacht" (richtig), hier an diesem Abend aber von "Unterwegs in die Freiheit" (nicht vom aktuellen Album "Ohne Limit", sondern von dessen Vorgänger "Eigene Wege") zurück zu "Oh Baby" (nicht vom Debüt "Umsteiger", sondern auf dem Drittling "Herzschlag einer Stadt" zu finden und, da "Ich steh' auf Licht" natürlich nicht gestrichen worden ist und mit "Katrin" noch ein zweiter, übrigens gleich beim Intro-Anspielen frenetisch bejubelter Song des "Licht"-Zweitlings am Start ist, nicht mal ältester Song des Sets). Oder sollte da was rausgeschnitten worden sein? An anderer Stelle scheint zumindest etwas zu fehlen, oder es ist beim Schnitt was schiefgegangen: Zauner steht im Outro von "Meine Königin" am Keyboard, hat in der nächsten Einstellung aber eine Gitarre umhängen, die er anschließend wieder ablegt, um das Intro zu "Katrin" zu spielen. Daß der Cutter das Material auch nicht ganz intus zu haben scheint, wird in "Oh Baby" offenbart: Vor dem Solo schwenkt die Kamera auf Strobel, aber just als dieser mit seinem Solo beginnt, schaltet sie auf Grünwald um und erst einige Sekunden später wieder auf Strobel zurück. Das Grinsen, wenn man so etwas entdeckt, erfährt auch in mancherlei musikalischer Preziose, dort allerdings mit positivem Hintergrund, seine Fortsetzung, etwa in Zauners witzigem Keyboardsolo in "Katrin". Auch die Gesangsdialektik kommt wieder: "Meine Königin" und "Katrin" kommen immer angestrengter rüber, "Liebe auf den ersten Blick" bekommt Zauner wieder deutlich leichtfüßiger hin. Das Intro von "Ohne dich (schlaf' ich heut nacht nicht ein)" filmt die Überkopfkamera von hinten, so daß man sieht, daß hier wirklich bis nach hinten alle Arme nach oben gehen, und in "Ich steh' auf Licht" wandert Grünwald immer dann, wenn er nicht gebraucht wird, zur Mitklatschanimation nach vorne an den Bühnenrand. Im Zugabenblock besticht "1000 Augen" erneut durch eine sehr ätherische Gesangsleistung, der Rest fällt unter business as usual, bis auf die letzten Einstellungen: "Solang man Träume noch leben kann" kommt als Outro vom Band, alle feiern nochmal - und ein Pärchen steht weltvergessen knutschend mittendrin. Kann man auch klasse finden, wenn man gerade nicht frisch verknallt ist :-)
Als DVD-Boni gibt es zunächst eine Bildergalerie, die zu den Klängen der Studioversion von "Ich halte zu dir" einen rauchenden Mixer und sonst meist Bühnenfotos kompiliert. Dazu kommt ein knapp 50minütiger Backstagefilm, in dem die richtig interessanten Dinge im ersten Drittel geballt werden. Da besucht man nämlich die Band im Proberaum auf dem Land, entdeckt ein Spindluder an der Wand, hört Zauner den Hochzeitsmarsch auf dem Keyboard anjammen und identifiziert Strobel als coolen Rockstar, der auch während des Spielens von "Katrin" die Kippe nicht aus der rechten Hand nimmt. Nach diversen Einstellungen von Signierorgien gibt es noch einen Report von der Probebühne in Senden, in deren Industriehallencharme die neuen Touren ausgefeilt und auf Herz und Niederen geprüft werden, auch die Lichteinsätze und der Nebel. Der Rest des handkameragefilmten Streifens besteht dann aus einzelnen Impressionen von der Herbsttour 2010, wobei das Interesse bei der fünften Showvorbereitung irgendwann mal ermüdet, man sich beim Anschauen aber natürlich den Blick für mancherlei Detail bewahrt und hier und da herzlich grinst, etwa wenn man die Mini-Bühne in Winterthur sieht. Kurios die Einstellung aus Ramstein: Dort sind die Garderoben mit "Solistengarderobe 1, 2 usw." beschriftet - Manager Jürgen Thürnau filmt Zauner vor der Solistengarderobe 1 und fragt: "Herr Zauner, Sie sind hier in der Solistengarderobe. Heißt das, daß Sie in Zukunft solo machen werden?" Zauner mit genervt-trockenem Unterton (den er übrigens in etlichen Szenen offenbart): "Ja, logisch heißt das das." Wer die DVD gleich nach Veröffentlichung im März 2011 gekauft hat, konnte also tatsächlich schon einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl auf die Entwicklungen ab November 2011 gewinnen (als Zauner tatsächlich seinen Ausstieg verkündete), auch wenn das damals kaum jemand so analysiert haben wird und es vielleicht auch von Thürnau und der Band gar nicht mit einer solchen Interpretationsmöglichkeit gedacht gewesen ist. Sei's drum: Den Backstagefilm schaut man sich ein- oder maximal zweimal an, das Konzert dagegen, audioseitig wahlweise als 2.0 oder 5.1. einstellbar, lohnt nicht nur als Zeitdokument auch ein häufigeres Einwerfen. Easter Eggs hat der Rezensent bisher keine gefunden, die drei Studio-Boni der CD-Fassung scheinen nicht mit versteckt worden zu sein. Randbemerkung zum Schluß: Ist schon mal jemandem aufgefallen, daß sich 1.) Thürnau und Grünwald optisch immer mehr anzunähern beginnen und 2) Thürnau fast ein bißchen wie Udo Dirkschneider aussieht?
Kontakt: www.muenchenerfreiheit.info, www.crocodile-music.de, www.kochuniversal.de

Tracklist:
Intro
Seit der Nacht
Wenn das so einfach ist
Ich will dich nochmal
Da wo ich bin, da will ich sein
Die Zeit war schön
Tausendmal du
Niemals zu spät
Sie liebt dich, wie du bist
Verlieben, verlieren
Aus der Nummer raus
Du bist Energie für mich
Ich halte zu dir
SOS
Sommernachtstraum
Herz aus Glas
Unterwegs in die Freiheit
Oh Baby
Meine Königin
Katrin
Liebe auf den ersten Blick
Ohne dich (schlaf' ich heut' nacht nicht ein)
Ich steh' auf Licht
1000 Augen
Bis wir uns wiedersehn
I Love Rock'n'Roll
Solang man Träume noch leben kann

Backstage-Film
Bildergalerie



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