www.Crossover-agm.de MÜNCHENER FREIHEIT: Alle Jahre, alle Hits - Die Singles (30-Jahre-Edition)
von rls

MÜNCHENER FREIHEIT: Alle Jahre, alle Hits - Die Singles (30-Jahre-Edition)   (Sony)

Die Urfassung dieses Releases erschien 2005 als Doppel-CD und markierte das 25jährige Bandbestehen der Münchener Freiheit. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, die Band ist in einen Jungbrunnen gefallen, hat mit "XVII" ein gutklassiges Album veröffentlicht und mit "Eigene Wege" das stärkste Album seit "Purpurmond", also seit 20 Jahren. Ergo bestand im Herbst 2010 wieder Grund zum Feiern, nämlich das 30jährige Bandbestehen, und aus diesem Anlaß gibt es eine erweiterte Fassung von "Alle Jahre, alle Hits - Die Singles", aus Platzgründen diesmal als Dreierbox, denn auch wenn Material des ebenfalls im Herbst 2010 erschienenen neuen Studioalbums "Ohne Limit" fehlt, so sind doch aus "XVII" drei und aus "Eigene Wege" gar vier Singles ausgekoppelt worden, und die 49 Songs bringen es summiert auf etwa drei Stunden Spielzeit.
Allerdings beschränkt sich die Veröffentlichung auf die A-Seiten der Singles. Früher gab es ja da noch die sogenannten B-Seiten, wo sich oftmals anderweitig nicht vertretene Songs oder Alternativfassungen befanden - eine vernünftige Raritätencompilation mit diesem Teil des Schaffens der Band bleibt also weiterhin ein Desiderat. Aber auch die vorliegende Dreierbox enthält für bekennende Nicht-Singlekäufer wie den Rezensenten die eine oder andere Überraschung bzw. neue Erkenntnis. Bei einigen Songs ist ja bekannt, daß es unterschiedliche Versionen gibt, die man dann auch in unterschiedlichen Kontexten wiederfinden kann, beispielsweise "Ich steh' auf Licht". Das Hören der vorliegenden Kopplung beweist nun aber, daß das auch bei Songs der Fall ist, von denen man das anhand der Benennung bisher nicht wußte, beispielsweise gleich beim Dylan-Cover "Baby Blue", das hier in einer viel druckvolleren und gitarrenlastigeren Variante vertreten ist als auf dem "Umsteiger"-Album, was mindestens auf einen späteren Remix oder aber von vornherein das Vorhandensein mehrerer Fassungen hindeutet. Auch "Diana" fällt diesbezüglich mit einer stark veränderten Gewichtung der Instrumente auf. Das Rätsel löst sich auf www.traumziel.info - in der dortigen Songstatistik findet man akribisch die unterschiedlichen Versionen aufgelistet. Unter "neue Erkenntnis" für den Nicht-Singlekäufer fällt die Tatsache, daß im Booklet auch alle (!) Singlecover abgebildet worden sind - zwar nicht so sehr groß, aber doch hübsche Einblicke ermöglichend. Da steht auf der Debütsingle "Zeig mir die Nacht" eine kreuzbrave Beatband (mit Stefan an der Gitarre, was später lange Zeit eher Seltenheitswert hatte) im Proberaum, da wird auf "SOS" eine Frau von einer Art flüssiger Pop-Art-Gitarre durchbohrt, da gibt es in den 30 Jahren gerade mal eine Handvoll Singles, auf deren Cover keines der Bandmitglieder zu sehen ist, da stehen die Musiker auf "Ihr kommt zu spät" in Normalfarbigkeit in einem Canyon (der in Farbverfremdung als Strukturelement in der Gestaltung des "Purpurmond"-Albums verwendet wurde), da hat man noch in einigen weiteren Fällen einfach auf schon bekannte Elemente aus Albumgestaltungen zurückgegriffen und das Cover der "Licht"-LP kurioserweise auf die beiden Singles "Ich steh' auf Licht" und "Rumpelstilzchen" aufgeteilt, und da fehlen im hinteren Teil gleich mal neun Singlecover. Des Rätsels Lösung: Die betreffenden Tracks waren nur zu Promozwecken ausgekoppelt worden (die betreffenden Stellen schreiben durchgängig "Promo only", wobei es einige auch als Downloadsingles gab), was auch den für die heutige Zeit untypischen immensen Singleausstoß von "XVII" und "Eigene Wege" erklärt (vier Singles von einem Album gab's zuvor nur einmal, nämlich bei "Fantasie"): Nur zwei dieser sieben Singles waren regulär physisch erhältlich und sind auch mit einem Coverartwork versehen.
Angeordnet sind die 49 Tracks chronologisch nach Erscheinungsdatum der jeweiligen Single - also eine Abkehr vom Konzept anderer Best Ofs wie beispielsweise "Ihre größten Hits". So kann man auch schön die Entwicklung der Band nachvollziehen, also von der im Windschatten der NDW mitsegelnden Kapelle über die gewonnene Eigenständigkeit als das Flaggschiff des deutschen Achtziger-Poprocks und das Durststreckenjahrzehnt zwischen "Energie" und "Geile Zeit" bis hin zur schrittweisen Rückeroberung der unangreifbaren Position als Institution völlig trendfreien deutschen Poprocks, die nach dem rückblickend orientierungslos wirkenden "Zeitmaschine"-Album mit "Geile Zeit" einsetzte und in "Eigene Wege" ihren bisherigen Gipfelpunkt erreichte. Interessanterweise herrschte bei der Band gleich mehrfach die Praxis, auf Best Of-Platten neue Songs einzubauen und die dann als Singles auszukoppeln. Das war schon bei "Von Anfang an" so, das mit "Ohne dich (schlaf ich heut nacht nicht ein)" den ultimativen Hit der Band enthielt und mit "Tausendmal Du" noch einen weiteren Standard abwarf; das war bei "Ihre größten Hits" so, bei dem auch gleich beide neuen Tracks ("Einmal kommt das Leben" und "Tausend Augen") ausgekoppelt wurden; das war bei der Lovesong-Compilation "Schenk mir eine Nacht" der Fall, die den Titeltrack als Single abwarf (und übrigens nicht als Balladencompilation mißinterpretiert werden sollte, denn neben zahlreichen Kuscheltracks hat der Compiler u.a. auch "Bis wir uns wiedersehn", im Maßstab der Band bekanntermaßen Speed Metal darstellend, ausgewählt); das war schließlich auch bei der Erstveröffentlichung von "Alle Jahre, alle Hits" anno 2005 der Fall, wo auch gleich zwei Neulinge zu Single-Ehren kamen, nämlich "Du bist das Leben" und "Kleine Wunder", wenngleich letzteres nur als Promosingle. Mit der aktuellen Dreierbox wurde diese Strategie allerdings nicht fortgesetzt - auf CD 3 wäre zwar durchaus noch Platz gewesen, aber die aktuellen Songs sind dann doch in Richtung "Ohne Limit" geflossen. Die Idee, die englischen Singles auch gleich noch mit zu verbraten, wurde ebenfalls nicht verwirklicht - aber wer die haben will, kann sich die Box mit der Wiederveröffentlichung der drei englischen Alben holen und damit vermutlich gleich noch die eine oder andere Sammlungslücke schließen, denn diese Alben waren lange vergriffen und nur noch mit viel Glück second hand aufzutreiben. Wer übrigens noch die Songwriterstrukturen analysiert, kommt zu dem Ergebnis, daß nur sehr selten mal eine Fremdkomposition ausgekoppelt wurde, allenfalls mal eine Coproduktion mit externen Songwritern, und wenn's tatsächlich musikalisch ein kompletter Fremdtitel ist, hat die Band noch einen eigenen Text dazu gebastelt, so gleich 1982 bei "Baby Blue" (original von Bob Dylan), zehn Jahre später bei der Hubert-Kah-Nummer "Liebe auf den ersten Blick" oder wieder zehn Jahre später beim Titeltrack von "Wachgeküsst". Solche Dekadenrhythmen gibt es übrigens auch bei einem anderen Beteiligten: Alfred Dübel/Dübell aus dem Umfeld von Gitarrist Aron Strobel taucht 1983 als Co-Autor von "Ich steh' auf Licht" auf (das seit Jahrzehnten den Abschluß des regulären Sets jedes MF-Gigs bildet), 1994 als Co-Autor von "Du weißt es, ich weiß es" und 2007 sogar als Alleinkomponist von "Nichts ist wie Du", lediglich mit Textunterstützung von Stefan Kahé (der bei Koch Records arbeitet, dem aktuellen Label der Band) und Stefan Zauner. Ein einziger der 49 Songs entstand komplett ohne Beteiligung eines der nur sieben Menschen, die in den 30 Jahren feste Bandmitglieder waren, und "Komm doch zu mir" vom 1996er "Entführ mich"-Album ist noch nicht mal ein Highlight der Bandgeschichte, was ein eindrucksvolles Licht darauf wirft, welche Könner sich in dieser Band zusammengetan haben. Ein anderer der 49 Songs fällt durch seine strukturelle Stellung aus dem Rahmen: "Viel zu weit", mit dem die Band 1993 beim Grand Prix de la Eurovision antrat (also zu einer Zeit, als Lena Meyer-Landrut gerade erst geboren worden war), erschien nur als Single und nie auf einem regulären Studioalbum der Band - und erstaunlicherweise ist es auch auf kaum einer Best Of vertreten. Nicht ohne Grund wahrscheinlich, denn der Zauner-Song ist nicht schlecht, wird aber problemlos von einer Legion anderer Werke der Band überschattet und war für Grand-Prix-Verhältnisse 1993 auch schon nicht mehr zeitgemäß genug, um im vorwärtsdrängenden Feld der jungen Konkurrenz bestehen zu können. Und schließlich noch ein Kuriosum: "Komm zurück" galt offiziell als Auskopplung zum 1991er "Freiheit Live"-Album (das übrigens in der erwähnten Re-Release-Serie fehlt) und nimmt auch in seiner Covergestaltung einen entsprechenden Bezug auf - tatsächlich ausgekoppelt wurde aber nicht etwa die Livefassung, sondern eine Studioversion ...
So liegt mit der Dreier-Digibox also ein allumfassender Querschnitt durchs Schaffen der Münchener Freiheit vor, der noch mit zahlreichen Bildern ausstaffiert wurde. Neben den erwähnten Singlecovers finden sich da auch Bilder von Auszeichnungsverleihungen und sogar eins mit dem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Außerdem fallen etliche Sportbilder und ein oberkultiges mit dem "gehörnten" Stefan Zauner ins Auge. Wer übrigens Günter Stolz (dr) und Freddie Erdmann (b), die in der Frühphase zur Band gehörten, auf den Bildern sucht, wird nicht fündig werden - aber die derzeitige Besetzung ist seit über einem Vierteljahrhundert stabil, und das hat, von Rush mal abgesehen, kaum eine andere Band dieses Erfolgslevels jemals hinbekommen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum 30jährigen - und zum 40jährigen warten wir dann auf eine Neuauflage dieses Albums als Viererbox ...
Kontakt: www.crocodile-music.de, www.sonymusic.de

Tracklist:
CD 1:
Zeig mir die Nacht
Baby Blue
Ich steh' auf Licht
Rumpelstilzchen
Oh Baby
SOS
Herzschlag ist der Takt
Ohne dich (schlaf ich heut nacht nicht ein)
Tausendmal du
Es gibt kein nächstes Mal
Herz aus Glas
So lang man Träume noch leben kann
Bis wir uns wiedersehn
So heiß
Diana
Verlieben Verlieren
Ich will dich nochmal
Ihr kommt zu spät

CD 2:
Komm zurück
Liebe auf den ersten Blick
Einfach wahr
Einmal kommt das Leben
Tausend Augen
Viel zu weit
Du bist Energie für mich
Du weißt es, ich weiß es
Schenk mir eine Nacht
Du bist da
Komm doch zu mir
Liebe, Lust und Leidenschaft
Dann versinkt die Welt in Schweigen
Schuld war wieder die Nacht
Du bist nicht allein
Solang
Wachgeküßt

CD 3:
Wieder und wieder
1000x Du (Version 2003)
Geile Zeit
Ein Engel wie Du
Leuchtturm
Du bist das Leben
Kleine Wunder
Nichts ist wie Du
Bis ans Ende der Welt
Reif für die Insel
Sie liebt dich wie du bist
Ein Augenblick in Rot
Unterwegs in die Freiheit
Aus der Nummer raus
 




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