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JÓZSEF KALAPÁCS: Félszáz Év Total - 30 Év Metal
von rls

JÓZSEF KALAPÁCS: Félszáz Év Total - 30 Év Metal   (Hammer Records)

Im Mai 2012 ist József Kalapács 50 Jahre alt geworden, und zugleich jährte sich die Gründung seiner ersten großen Band Pokolgép zum 30. Mal - diese beiden Ereignisse bildeten den Rahmen für ein großes Festkonzert am 14. September 2012 in Budapest, bei dem sich natürlich alles um den Jubilar drehte und dieser während der zweieinhalb Stunden mit insgesamt sechs verschiedenen Formationen auf der Bühne stand, in denen er während der letzten drei Dekaden aktiv gewesen war. Das Konzert wurde natürlich mitgeschnitten, aber aus unerfindlichen Gründen dauerte es drei Jahre bis zum Release des vorliegenden Doppelalbums, das ein weiteres Jahr später nun endlich auch hier im Player liegt und überwiegend hochgradige Begeisterung auszulösen imstande ist.
Dabei ist die Konzertstruktur durchaus ungewöhnlich: Den Eröffnungsteil bildet nämlich das Akustikprojekt, mit dem Kalapács seit 2009 (mit einer Albumveröffentlichung anno 2011) metallisches Material aus seiner Vergangenheit in Akustikfassungen darbot. Also kein großer Paukenschlag zum Konzertauftakt - aber die Stimmung im Saal ist trotzdem von Beginn an exzellent, und das Publikum singt Nummern wie "Hol Van A Szó" mit großer Begeisterung mit. "Csillaga Hívia" wird durch ein langes Solo auf einem Akustikbaß eingeleitet - falls es auch eine DVD-Fassung des Auftritts gibt, kann der Betrachter schauen, welcher der Mitmusiker selbiges beigesteuert hat: Bei den fünf Songs wirken nämlich insgesamt neun Musiker mit, die im Booklet (wie bei allen anderen beteiligten Formationen auch) nur namentlich, aber nicht mit ihrer Funktion aufgezählt werden. Allerdings ist Joe Rudán dabei, Kalapács' Nachfolger als Frontmann bei Pokolgép, und der kann auch Baß spielen, so daß die Möglichkeit besteht, daß wir ihn hier hören - aber auch Lászlo Tálaber beispielsweise wird von Kalapács als Baßgitarrist vorgestellt. Der Rest spielt dann Akustikgitarre, verschiedene Percussions oder auch Geige und macht deutlich, welch breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten man auch als Akustikformation bei der Umsetzung originär metallischen Materials an den Tag legen kann. Kuriosum am Rande: "Angyal" ähnelt in der Strophenumsetzung frappant "Blaze Of Glory" von Jon Bon Jovi, aber das dürfte vermutlich purer Zufall sein.
Die nächsten fünf Songs stammen von Hard, bei denen József Kalapács gemäß dem Booklet seit 2005 am Mikrofon stand (die Angabe "-2012" an mehreren Stellen bezieht sich offenbar darauf, daß er auch noch zum Zeitpunkt des Konzertmitschnittes bei der besagten Formation aktiv war). Wenn das stimmt, muß er für das von Mario rezensierte und für gut befundene 2011er "Even Keel"-Album mal kurz beiseitegetreten sein, denn dort sang bekanntlich der von Baltimoore bekannte Schwede Björn Lodin. Allerdings weist selbiges Album englische Lyrics auf, während die hier zu hörenden fünf Songs, darunter auch einer namens "Égni Kell", allesamt ungarisch betextet sind, so daß es möglich erscheint, daß Kalapács die heimatsprachliche Fassung eingesungen hat und für die internationale Fassung dann eben Lodin angeheuert worden ist. "Even Keel" hat übrigens keinen Titeltrack, so daß die phonetische Ähnlichkeit zu "Égni Kell" Zufall bleibt (Ungarisch ist aufgrund seiner Zugehörigkeit zur finno-ugrischen Sprachgruppe ja auch weit von Englisch entfernt). Der besagte Song entpuppt sich übrigens als Ballade mit etwas mehr Druck im Refrain, und wenn man genau hinhört, erkennt man hier schon die leichten Alterserscheinungen in der Stimme des Chefs, die auch auf dem drei Jahre später eingespielten Kalapács-Studioalbum "Enigma" unverkennbar waren - er kämpft bisweilen ziemlich, bis er auf dem angepeilten Ton landet, und eine gewisse Kurzatmigkeit nach hinten muß an einigen Stellen auch diagnostiziert werden. Trotzdem hält gerade seine markante Klangfarbe das ganze Konzert auch irgendwie zusammen. Hard spielen, wie der Leser schon vermutet haben wird (oder in Marios Rezension nachgelesen hat), klassischen Hardrock mit zwar dominanter Gitarre, aber strukturell zweifellos wichtiger und häufig Hammondorgeln einsetzender Keyboardbesetzung. Und eine flotte Nummer wie "Addig Ésessen" macht zweifellos jede Menge Hörspaß, zumal die Instrumentalisten zur ersten Klasse gehören und gerade Gitarrist Zsolt Vamos (man entschuldige das platte Wortspiel) famos aufspielt.
Die nächsten fünf Songs gehören der nach des Meisters Nachnamen (übersetzt übrigens "Hammer") benannten Formation, die seit "Ösztön", dem 2002 unter diesem Banner erschienenen Albumzweitling, in konstanter Besetzung mit den Beloberk-Brüdern Zsolt und Istvan an Drums respektive Baß sowie den beiden Gitarristen Lajos Sarkozi und Laszlo Weisz musiziert, die auch an diesem Abend allesamt mit von der Partie sind. Mit Kalapács setzt der Sänger den Traditionsmetalkurs konsequent fort, sei es mit Midtemposongs wie dem Albumtitelgeber "Félszáz Év" oder Speedies wie "A Rock'n'Roll Örökke Éltet", das zumindest musikalisch keinerlei Rock'n'Roll-Anklänge birgt. Dafür hätte etwa das sehr drückende "Patkánymese" durchaus auch zu Judas Priest in der "Painkiller"-Phase gepaßt (vom völlig anderen Gesang natürlich abgesehen), und gerade im schnellen "Bünöm A Rock" schmerzt es geradezu, den Sänger in den Strophen mühevoll krächzen zu hören, was man sich nur durch den Hintergrund des Kultfaktors und eben des Status der zentralen Figur im ungarischen Metal schönhören kann (und im Refrain trifft er die Töne dann auch wieder etwas besser). Songwriterisch und instrumental ist jedenfalls auch hier alles im tiefdunkelgrünen Bereich.
CD 2 geht einen Schritt zurück ins letzte Jahrtausend: Anno 1990 verließen Kalapács und Gitarrist Laszlo Nagyfi Pokolgép und gründeten Omen, bei denen nach dem Ausstieg des anderen Gitarristen Tamas Szekeres 1993 ein gewisser Lajos Sarkozi anheuerte, und der ist ja noch heute an Kalapács' Seite musikalisch aktiv, wenn auch beide nicht mehr bei Omen spielen, zumindest nicht auf regulärer Basis - József Kalapács, der die Formation bereits 2000 verlassen hat, singt als Gast aber immer mal wieder bei Omen-Gigs mit, und so verwundert es nicht, daß sich vier Fünftel der aktuellen Omen-Besetzung auch zum Geburtstagsgig einfanden. Nur der heutige Zweitgitarrist Máte Nágy war 2012 noch kein Bandmitglied, aber diese Lücke füllt Sarkozi problemlos aus. Auch hier gibt es typischen Traditionsmetal zu hören, tempotechnisch variabel, immer mit viel Energie und Spielfreude und leider auch hier den gewissen gesanglichen Limitationen des Chefs, wenngleich Klassiker wie der Titeltrack des 1993er Albums "Anarchia" natürlich mehr oder weniger unkaputtbar sind - auch hier macht sich an diversen Stellen ein gewisser Judas-Priest-Touch breit, ohne daß Omen aber als Klone anzusprechen wären. Im speedigen "Könnyü Szívvel" und auch im Midtempostampfer "Fagyott Világ" singen Kalapács und sein Omen-Nachfolger Árpád Koroknai die Strophen im Wechsel - und da hört man die stimmlichen Vorteile des letztgenannten doch ziemlich deutlich.
Die nächste Formation bestreitet nicht wie alle vier Vorgänger fünf Nummern, sondern nur deren vier - die aber haben es ganz speziell in sich: Nach seinem Ausstieg bei Omen hatte József Kalapács mit Endre Paksi, Richard Rubcsics und Peter Hornyak, die auch alle zur damals gerade neu formierten Besetzung von Ossian gehörten, gemeinsame Sache gemacht und sein erstes Soloalbum unter seinem Nachnamen eingespielt, das ausschließlich Songs aus den allerfrühesten Zeiten von Pokolgép enthielt, die zu einem guten Teil bisher noch unveröffentlicht waren, von einigen Livefassungen auf dem "Az Utolsó Merénylet"-Album abgesehen. Folgerichtig hieß die 2000er Neueinspielung dann auch "Az Elsö Merénylet" (Ungarischkundige dürften die damit verbundene Anspielung verstehen, allen anderen erschließt sich zumindest eine strukturelle Verwandtschaft). Paksi und Rubcsics sind auch bei der Geburtstagsfeier mit dabei, ergänzt um Sarkozi und die Beloberk-Brüder - Paksi stellt Kalapács erwartungsgemäß stimmlich auch deutlich in den Schatten (schön zu hören gleich in der ersten Nummer "Gyilkológép"), aber das kann der Qualität des Materials nur recht sein. Daß es hier abermals typischen Achtziger-Metal gibt, sollte keine Überraschung sein, aber da wir uns in den Jahren 1982 bis 1984 bewegen, verzichten Rubcsics und Sarkozi auf zu große Fettheit der Gitarren, sondern legen den Grundsound etwas höhenlastiger und geringfügig weniger druckvoll an. Auch die Geschwindigkeit liegt hier ein gutes Stück niedriger - gediegener Metal ohne Speedrekorde schallt aus den Boxen und begeistert das Auditorium, das etwa in "Átkozottak" immer fleißig den zweiten Part des Refraindialogs übernimmt. Nur daß dieser Song etwas unmotiviert mit dem Anheben zu einem großen Gitarrensolo, das dann ins Nichts führt, endet, mutet doch reichlich merkwürdig an. In "Cirkusz És Rács" fällt den Anwesenden dann gleich die komplette Refrainrolle zu, und der Jubel ist entsprechend groß.
Vor den letzten sieben Nummern stimmt einer der Gitarristen "Happy Birthday" an, und dann kommt das, worauf vermutlich die allermeisten Anwesenden am schärfsten waren: Pokolgép - oder zumindest fast, denn bei diesem Gipfeltreffen des ungarischen Metals fehlt einer: Gábor Kukovecz, Gitarrist und letztes verbliebenes Pokolgép-Gründungsmitglied. Weil er nicht da ist, spielt die finale Formation nicht als Pokolgép, sondern als Pokolgép Korszak - aber zumindest diverse andere alte Recken sind dabei: Gitarrist Laszlo Nagyfi natürlich, der Pokolgép zusammen mit Kalapács anno 1990 verließ, um Omen zu gründen, aber auch der alte Pokolgép-Drummer Laszlo Tarca und sein Rhythmusgruppenkollege György Pazdera (also die komplette Classic-Pokolgép-Besetzung außer eben Kukovecz) sowie der auch ins Akustikprojekt involvierte Joe Rudán, der Kalapács' Sängerposten bei Pokolgép übernommen hatte, sowie als zweiter Gitarrist noch - wer errät's - Lajos Sarkozi. Ob Kukovecz streithalber nicht da ist oder andere Gründe für sein Fernbleiben hatte, wird der intime Kenner der ungarischen Metalszene wissen - für alle anderen ist nur relevant, daß hier sieben Songs lang Feierstimmung aufkommt und gerade die teilweise komplett vom Publikum gesungene Ballade "Itt És Most" vom Albumdrittling "Éjszakai Bevetés" selbst in dieser Konservenfassung noch massig Gänsehautpotential aufweist, aber natürlich auch die härteren Nummern (wieder tempovariabler, aber speedige Lagen weitgehend meidender Traditionsmetal) jede Menge Laune machen. Herkunftsseitig bewegen wir uns bei diesen sieben Nummern logischerweise auf den ersten vier Pokolgép-Alben "Totális Metál" (1986), "Pokoli Színjátek" (1987), dem erwähnten "Éjszakai Bevetés" (1989) und "Metál As Ész" (1990), und da diese zu den absoluten Hungaro-Metal-Klassikern zählen, ist klar, was den Hörer hier erwartet. Zwar wird auch hier sehr deutlich, daß Rudán Kalapács stimmlich mittlerweile ziemlich in den Schatten stellt, aber der Jubilar ist klug genug, seinem Nachfolger über weite Strecken das leadseitige Zepter zu überlassen. Damit enden knapp zweieinhalb Stunden traditioneller Metal vom Feinsten, der abgesehen von den Stimmproblemen ohne Wenn und Aber zu überzeugen weiß und in jeder Ungarn-Metal-Sammlung einen Ehrenplatz einnehmen sollte. Der Kenner dieser Szene darf sich auch noch im Booklet, dessen Innenseiten aus einer riesigen Menge Fotos bestehen, umschauen, wen er da so alles wiedererkennt.
Kontakt: www.hammerworld.hu, www.kalapacs.net

Tracklist:
CD 1
Bízd Rám Magam (Akusztika)
Angyal (Akusztika)
Csillaga Hívja (Akusztika)
Hol Van A Szó (Akusztika)
Gépinduló (Akusztika)
Két Szív (Hard)
Hard Rock Szerelem (Hard)
Égni Kell (Hard)
Addig Égessen (Hard)
Igaz Lesz Még (Hard)
Félszáz Év (Kalapács)
A Rock'n'Roll Örökke Éltet (Kalapács)
Patkánymese (Kalapács)
Bünöm A Rock (Kalapács)
Itt Leszek (Kalapács)

CD 2
Áldozat (Omen)
Anarchia (Omen)
Hajsza A Tüzzel (Omen)
Konnyü Szívvel (Omen)
Fagyott Világ (Omen)
Gyilkológép (Ös-Pokolgép Korszak)
Átkozottak (Ös-Pokolgép Korszak)
A Maszk (Ös-Pokolgép Korszak)
Cirkusz És Rács (Ös-Pokolgép Korszak)
Pokoli Színjátek (Pokolgép Korszak)
Háború Gyermeke (Pokolgép Korszak)
Itt És Most (Pokolgép Korszak)
Tépett Madár (Pokolgép Korszak)
Mindhalálig Rock'n'Roll (Pokolgép Korszak)
B.S. Emlékére (Pokolgép Korszak)
A Jel (Pokolgép Korszak)



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