www.Crossover-agm.de POKOLGÉP: Éjszakai Bevetés
von rls

POKOLGÉP: Éjszakai Bevetés   (Hungaroton)

Die frühen Alben der ungarischen Metal-Legende Pokolgép gelten gemeiniglich als Klassiker, waren allerdings lange Zeit äußerst schwierig aufzutreiben, als Silberscheibe schon gar nicht, da solche zumindest bei den ersten drei Alben gar nicht erst existierten. Erst seit der Jahrtausendwende hat sich diese Situation angesichts diverser Re-Releases geändert, und so kann man sich nun auch den 1988 eingespielten und 1989 veröffentlichten Drittling "Éjszakai Bevetés" zu normalen Konditionen, wenn auch ohne Boni, in die heimischen vier Wände holen und sich an neun traditionellen Metalkompositionen überwiegend ausgezeichneter Qualität erfreuen (das eher mäßig witzige Abschlußstück "Szóló" lassen wir mal außerhalb der Wertung). Melodien, Power, Emotionen, Geschwindigkeit - alles in genau der richtigen Dosis vorhanden und ob des ungarischen Gesanges sogar noch mit einem gewissen Exotenbonus für alle, die dieser Sprache nicht mächtig sind (und das werden die meisten Mitteleuropäer sein, gehört Ungarisch doch zur finno-ugrischen Sprachgruppe und ist daher mit keiner anderen mitteleuropäischen Sprache näher verwandt, sondern am nächsten mit dem Finnischen). Mit Jozséf Kalapács steht ein absoluter Könner seines Fachs am Mikrofon, der eine leicht angerauhte, aber in puncto Melodien stets treffsichere Stimme in mäßiger Höhe ins Feld führt. Daß er bedarfsweise auch in große Höhen vordringen kann, beweist der Schluß des Openers "Gép-indulo", wohingegen die Lage auf "A Pokol Angyalai" unklar bleibt, denn hier singt irgendjemand die Strophen mit einer deutlich rauheren Stimme, während dann im Refrain eindeutig Kalapács zu hören ist. Sollte das in den Strophen László Tarcza sein, der Drummer der Band, der im leider äußerst spärlichen Booklet als Texter dieses Songs angegeben ist? Und wenn wir bei strukturellen Überlegungen sind: Gitarrist Gábor Kukovecz, Gründer und in heutigen Tagen einziges verbliebenes Urmitglied der immer noch aktiven Band (übrigens spielte in den Embryonalzeiten mal Endre Paksi bei Pokolgép Baß, bevor er mit Ossian seine eigene Band gründete, in der er singt und mit der er reihenweise Klassikeralben veröffentlicht hat), hat die komplette ehemalige A-Seite des Albums komponiert, tritt auf der B-Seite dann aber nur noch einmal in Erscheinung, während sein Gitarrenbruder László Nagyfi drei Werke beisteuert (den Abschlußwitz haben alle gemeinsam verbrochen), wobei sich allerdings kein markanter (wenngleich doch ein kleiner - dazu unten gleich mehr) Stilbruch feststellen läßt: Pokolgép sind und bleiben Traditionsmetaller mit Leib und Seele. "Gép-indulo", der Opener, führt den Hörer treffend in die 43 Minuten des Albums ein und pendelt zwischen gehobenem Midtempo und gekonnt eingeflochtenen Speedpassagen hin und her, während "A Lázado" an zweiter Stelle einen Gang ins Midtempo herunterschaltet und dieses durch geschickt eingesetzte Halbakustikpassagen gliedert. Mit dem erwähnten "A Pokol Angyalai" folgt ein reiner Speedsong, der förmlich Begeisterungsorkane zu entfesseln in der Lage ist. "A Háború Gyermeke" schaltet wieder ins Midtempo herunter und ist derjenige unter den Songs, der am stärksten an eines der erklärten Vorbilder der Band, nämlich Judas Priest, erinnert - aber es gibt schlechtere Referenzen, und so macht auch dieser Song jede Menge Hörspaß, wenngleich er mit seinem folgenden Tempobruder "Most Már Eleg" nicht ganz mithalten kann, denn der hat auch noch einen großen hymnischen Refrain spendiert bekommen (man höre mal genau auf den Rhythmuswechsel beim Übergang in den Refrain!). Das ist Metal, wie man ihn vor 20 Jahren liebte und noch heute lieben kann, wenn man sich ein wenig Freude an der Tradition und ihrer Bewahrung erhalten hat! Virtuelle Drehung der Scheibe, und wir sind auf der ehemaligen B-Seite des Albums beim Titeltrack, der die Abgeklärtheit der Band, die sie beim Songwriting mittlerweile gewonnen hat, demonstriert - auch Nagyfi zeigt, daß er den geschickten Einsatz von Akustikelementen beherrscht, geht allerdings in der generellen kompositorischen Zügelung so weit, daß der Song fast ins seinerzeit in den Staaten große und Millionen scheffelnde Haarspraymetalgenre passen würde. Das wäre kein Problem, hätte er Kalapács einen zumindest etwas markanteren Refrain auf den Leib geschrieben. Wie man das richtig macht, demonstriert Kukovecz in "Tépett Madár", seinem einzigen kompositorischen Beitrag für die B-Seite, der ansonsten fast im gleichen Stil gehalten ist und wieder deutlich mehr zu überzeugen weiß. Nagyfi wechselt daraufhin, nein, noch nicht die Band (das passierte erst nach dem Viertling "Metál Az Ész", als Kalapács und er Pokolgép verließen und Omen gründeten, unwissend, daß es da in den USA schon einen bekannten Vertreter dieses Namens gab), aber sicherheitshalber noch einmal den Stil, schreibt mit "Itt És Most" eine klassische Metalballade - und siehe da, hier gibt's deutlich mehr Expressivität, Ausdruck, viel Gefühl, eine relativ warme Atmosphäre (obwohl auch hier die Rhythmusarbeit wie auf dem ganzen Album einen Tick zu hell abgemischt worden ist, was durch das digitale Remastering für den Re-Release eher noch verstärkt worden zu sein scheint), was sich zu einem absoluten Klassesong vereinigt, einem, der auf jedem der damals gerade in Mode gekommenen Metalballadensampler neben sagen wir Zed Yagos "The Pale Man" oder Bonfires "You Make Me Feel" problemlos hätte bestehen können. Und im Aufwind von diesem kleinen Klassiker schiebt Nagyfi gleich noch "Kár Minden Szó" nach, einen traditionellen Ufta-Ufta-Stampfer gehobenen Midtempos in diesmal recht gekonntem Arrangement in der Bridge-Refrain-Kombination, auch wenn die Harmoniefolge in den Gitarrengrundakkorden schon damals nicht mehr neu war - aber dafür steht eines der besten Soli der Scheibe in diesem Song. Über das knapp zweiminütige "Szóló" schweigt man lieber und drückt statt dessen besser den Repeat-Knopf, um den 41 Minuten zuvor noch einmal zu lauschen, sich zu freuen, was vor 20 Jahren für Klassescheiben veröffentlicht wurden, und sich vorzunehmen, auch die anderen Pokolgép-Scheiben seiner Sammlung zuzuschanzen (auf www.karthagorecords.de hat man die Gelegenheit dazu) und die Band vielleicht auch mal live zu sehen (wozu sich mitunter ganz ungeahnte Gelegenheiten ergeben, wie der Rezensent anno 2004 selber erfahren hat).
Kontakt: www.hungaroton.hu

Tracklist:
Gép-indulo
A Lázado
A Pokol Angyalai
A Háború Gyermeke
Most Már Eleg
Éjszakai Bevetés
Tépett Madár
Itt És Most
Kár Minden Szó
Szóló
 




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