www.Crossover-agm.de JACOBS DREAM: Theater Of War
von rls

JACOBS DREAM: Theater Of War   (Metal Blade Records)

Nanu? Jacobs Dream auf dem Speedmetal-Zug? Der Opener "Sanctuary" läßt das fast vermuten, bleibt aber der einzige Ausflug in dieses Genre und ist speziell wegen David Taylors charakteristischem, nach wie vor nicht allzuweit von Axxis' Bernhard Weiss entferntem Gesang eindeutig als Jacobs Dream-Stück zu identifizieren. Schon der folgende Titeltrack, bereits auf der 2000er Tour mit Armored Saint und Brainstorm live vorgestellt, fällt zurück in den Jacobs Dream-typischen Amipowermetal, der nichtsdestotrotz immer noch druckvoller daherkommt, als das auf dem genialen selbstbetitelten 2000er Debüt (die gleichnamige Eigenproduktion von 1997 mal nicht mitgerechnet) der Fall war. Gut, da hat sicher auch die Produktion ein Wörtchen mitgeredet, denn die leicht inhomogene Soundqualität der ansonsten absolut fehlerfreien 2000er Großtat wich einem ausbalancierten, wenngleich immer noch leicht verwaschen klingendem Gewand, in dem man nichtsdestotrotz alles hören kann, was es zu hören gibt. Das geringfügig angehobene druckvolle und erdige Element sorgt nur leider auch dafür, daß die phantastischen Harmonien, die schwebende, manchmal gar elegische Atmosphäre, die quasi "unerträgliche Leichtigkeit des Seins", um Milan Kundera zu zitieren (auch wenn der wohl nie von Jacobs Dream gehört haben wird - dieser sein Buchtitel paßt hier wie die Alpenmilch in die Milkaschokolade), ausgedünnt worden sind. Genau sie hievten "Jacobs Dream" auf die zweite Position meiner Top-CDs des Jahres 2000 (hinter Tourniquets Meisterwerk "Microscopic View Of A Telescopic Realm"), und genau sie vermisse ich etwas auf "Theater Of War". Das Intro zu "Traces Of Grace" sowie Teile des Solos in diesem Song weisen in die Richtung, erreichen aber die abartige Genialität dieses Stilmitteleinsatzes in Songs wie "Tale Of Fears" oder "Crusade" leider nicht. Zweifellos hat auch die Neuaufnahme von "Wisdom" einen besseren, klareren, ausbalancierteren Sound als das Mittneunziger Original, aber dafür ist ihr dessen unbekümmerter Charme weitestgehend verlorengegangen - es bleibt ein sehr guter Metalsong, aber eben kein Geniestreich. Erst die Halbballade "Sarah Williams" an Position 6 macht deutlich, welch unglaubliches Talent Jacobs Dream haben, wenn es darum geht, mit eigentlich ganz einfachen Mitteln eine grandiose, eskapistische, fragile, auch romantische, samtig-düstere und/oder mit Worten gar nicht mehr zu beschreibende Atmosphäre hervorzurufen, die wahlweise mit den Lyrics (hier geht's um Schuldfrage im Falle eines offenbar unfallbedingten Todes) korrespondiert, aber auch völlig unabhängig davon aufbau- und erlebbar ist. Das ist einer dieser Songs, die man im Leben nicht allzuoft schreibt, gleichzeitig aber auch einer derer, die der erwartungsvolle Rezensent dann auf jeder Folgeplatte wiederzufinden hofft und sich dann enttäuscht zeigt, wenn dem eben nicht so ist (ich gebe zu, mir geht das auch so). Netterweise haben Jacobs Dream aber gleich im Anschluß noch ein weiteres Exempel dieser ihrer Fähigkeiten geparkt, nämlich das abwechslungsreiche Instrumental "De Machina Est Deo", das die im Titel drohenden Industrialeinflüsse gänzlich außen vor läßt, statt dessen einen würdigen Nachfolger zu "Black Watch" markierend und wieder mit diesen atmosphärischen Passagen gesegnet, die einen, so man einen Draht dazu hat, sanft umwehen und von einer lauen sternenklaren Nacht auf einer Hazienda im südostbrasilianischen Bergland an der Seite einer ganz bestimmten Frau träumen lassen. Eskapismus pur! In die Realität wird man schnell genug zurückgeholt, denn die beiden Abschlußtracks "Black Souls" und "Critical Mass" setzen sich wieder klassisch amipowermetalnd mit all den Arschtritten auseinander, welche die Menschheit der Umwelt und besonders sich selbst immer wieder versetzt (ein Blick aufs Cover reicht auch, um das deutlich werden zu lassen). Die christliche Perspektive, aus der Jacobs Dream ihre Sujets behandeln, wird erneut dauerhaft deutlich, ohne jedoch penetrant, aufgesetzt oder gar imageartig zu wirken. Unterm Strich korrespondiert das musikalische Härterwerden der Band eigentlich sogar mit der weltpolitischen wie auch zwischenmenschlichen Lage, und nach akuten Anlaufschwierigkeiten hab' ich "Theater Of War" mittlerweile fast so liebgewonnen wie den 2000er Geniestreich, was als großes Kompliment zu verstehen ist. Ein bißchen weniger traditioneller US-Metal (obwohl der wie gesagt ausgezeichnet umgesetzt ist) und dafür eine Portion mehr Atmosphäre (ich will nach Brasilien!) dürfen es beim nächsten Mal aber bittebitte sein, basischere Rückführung auf zwei Gitarren unter Ausstieg von Gary Holtzman und straighterer Stil des neuen Trommlers Billy Queen hin oder her. "Theater Of War" bleibt aber natürlich ein Pflichtkauf für alle Genrefreunde.
Kontakt: www.metalblade.de
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver