JACOBS DREAM: Jacobs Dream von rls (Metal Blade) Man muß Metal Blade bescheinigen, daß sie nach einigen Durststecken in den Neunzigern heute wieder einen ausgezeichneten Riecher für einfach nur sauguten Metal haben. Bisher eindrucksvollstes Zeichen dafür ist in diesem Jahre neben Tourniquets Megawerk "Microscopic View Of A Telescopic Realm" der erste vollständige Silberling von Jacobs Dream aus Ohio. Schon die brillanten Gitarrenharmonien im Opener "Kinescope" malen in diesem Fall nicht den Teufel, sondern seinen Antagonisten an die nächstbeste Kirchenmauer und bescheren dem Hörer, so er sensibel genug, ein ums andere Mal einen bis vierzehn wohlige Rückenschauer pro Minute. Die fünf Jungs können spielen, keine Frage, aber was sie hier spielen, das ist amerikanisch geprägter Power Metal allerhöchster Qualität, der sich bisweilen ein paar Ausflüge in progressive Gefilde gönnt, wo sich bis vor einigen Jahren noch eine Band namens Psychotic Waltz tummelte, aber bei Gefahr des Nichtmehrsongdienlichseins sofort wieder einen griffigen Rettungsanker über Bord wirft. Geschwindigkeit sehen Jacobs Dream dabei offensichtlich als Hexerei an, denn sie gehen nur sehr selten über treibendes Midtempo hinaus, schwelgen statt dessen lieber in gleichermaßen kunstvollen wie emotionsgeladenen Melodien und Harmonien, wie man sie trotz des immer noch boomenden Genres nur ausgesprochen selten - und schon gar nicht in dieser Häufung! - zu hören bekommt. "Tale Of Fears" haben einige meiner Rezensentenkollegen dabei noch einmal besonders hervorgehoben - und sie haben recht damit, wenn man von der Tatsache absieht, daß der Song irgendwie amputiert wirkt, da ihm nach der ganzen Emotionenaufwühlerei (im positiven Sinne!), die bereits das Quasi-Intro "Mad House Of Cain" angeleiert hat, ein outchillender, zum Frieden zurückführender Schlußpart fehlt, eine Aufgabe, die auch das nachfolgende "Crusade" trotz seiner wiederum abartig genialen Gitarrenharmonien im Mittel- und Schlußteil nicht zu leisten vermag. Vielleicht ist das aber auch pure Absicht, denn schließlich leben auch Jacobs Dream als Christen im "Mad House Of Cain" (ein Terminus, der unsere heutige Umwelt treffend wie selten umschreibt) und müssen sich mit dessen Gegebenheiten auseinandersetzen, was sie in den lesenswerten Texten, christlich-philosophische Ideen einfließen lassend, auch tun. "Scape Goat" etwa sagt aus, daß die allgemeine Neigung, für das Massaker von Littleton pauschal die Rockmusik (oder nicht allzuweit davon entfernt angesiedelte Feindbilder) verantwortlich zu machen, vom Tragen extrem eingeschränkter Visiere zeugen muß (auf dem Cover muß es eine ganze Reihe von Littletons, eher vielleicht gar Bigtons, gegeben haben, denn merke: Wer Wind sät, wird Sturm ernten), wohingegen "Never Surrender" zum 1452. Mal die Wichtigkeit des Transportes positiver Botschaften in per Selbstverständnis christlicher Musik unterstreicht (man muß es nur leider mindestens 32459mal wiederholen, bis es auch der letzte Nörgler kapiert hat - eine Aufgabe, die Sänger David Taylor mit seinem hellen Gesang sicher gerne in Angriff nähme, wenn seine Stimmbänder es durchhielten). Apropos Gesang: David Taylor klingt nicht mehr ganz so sehr nach Bernhard Weiss von Axxis, wie das noch auf dem eigenproduzierten, verwirrenderweise ebenfalls "Jacobs Dream" betitelten Vorgänger der Fall war, sondern hat etwas Eigenständigkeit gewonnen (der Vergleich mit Bernhard Weiss ist dabei als Kompliment aufzufassen, nicht etwa als Kritik!).
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