www.Crossover-agm.de PSYCHOTIC WALTZ: Into The Everflow/Bleeding
von ta

PSYCHOTIC WALTZ: Into The Everflow/Bleeding   (Metal Blade)

Im Gegensatz zu den x-ten Wiederveröffentlichungen des Backkatalogs von Iron Maiden, Judas Priest oder Manowar machen die Neuauflagen der vier Psychotic Waltz-Alben wirklich Sinn, weil diese bis jetzt kaum noch außerhalb von speziellen Metalbörsen und Second Hand-Shops erhältlich gewesen sind. Wiederum im Gegensatz zu Maiden- oder Manowar-Alben werden "A Social Grace/Mosquito" und "Into The Everflow/Bleeding" zwar nicht wie, respektive: als geschnittenes, geschmiertes und vorgekautes Brot über die Theke gehen, aber die Klasse des zu Hörenden bleibt davon unbefleckt, wenn sie nicht gerade dadurch hervortritt.
Laut Linernotes (Ula Gehret) ist "Into The Everflow" seinerzeit, also 1992/93, in allen einschlägigen Metal-Magazinen zur Platte des Monats gekürt worden. Das erscheint ob der Unzugänglichkeit der Musik beinahe verwunderlich. "Into The Everflow" bietet Progressive Metal der höchsten Klasse und progressiven Metal aus Selbstverständlichkeit. Die Entwicklung dieses Albums aus "A Social Grace" ist evident: Im ersten Schritt die Zurücknahme des chaotischen, unausmessbaren Elements aus Instrumentierung und Arrangierung, im zweiten Schritt die Erweiterung der sphärischen, befremdlichen Dimension, des psychedelischen Teils des Bandsounds. Vielleicht bleibt "Into The Everflow" darum das Album, das dem Bandnamen Psychotic Waltz am meisten gerecht zu werden vermag. Was seit "A Social Grace" gehalten hat, ist, dass "Into The Everflow" genauso prozess-seiend wirkt wie sein Vorgängeralbum, genauso wegstreckenhaft, unfertig. Was sich hier wie Kritik anhört, ist genau das Gegenteil. Mit "Into The Everflow" ist die Band nicht fertiggeworden. So auch der Hörer nicht. Und unter jedem Hördurchgang gewinnt "Into The Everflow" - und mit dem Album der Hörer - etwas dazu, sagt etwas Neues, weist und wächst in eine neue Richtung. Einigermaßen objektiv betrachtet hat die Produktion nicht die bekannte Härte (die Gitarren sind etwas hintergründig abgemischt), baut die Band mehr auf nicht-metallische Elemente, behandelt diese gar zentraler als den Metal-Aspekt aus verzerrten, komplexen Gitarrenriffs und hartem Schlagzeugspiel. Manche Soli nehmen im nicht-metallischen Gegenzug "Mosquito" schon ein wenig vorweg, insgesamt behält "Into The Everflow" aber die Sonderstellung - auch innerhalb der Band-Discographie -, die jedem (!) der vier Psychotic Waltz-Alben eigen ist. Subjektiv betrachtet windet sich "Into The Everflow" dabei wie ein Gang in die Tiefe, bei dem man nicht zu sehen vermag, wo er endet. Wenn Devon Graves aka Buddy Lackey auf dem Weg zum Ich im Titelsong das Versmonument "And if we are here just to ease God's sorrow/Lord come on to me and I'll ease your mind" intoniert, beginnt man um diese Platte zu ahnen, aber erforscht ist sie auch nach dem x-ten Hördurchlauf nicht. "Into The Everflow" verlangt in gewissem Sinne Arbeit, weil es ein beinahe unnahbares Album ist, das aufbrechen will und es dann doch nicht tut. Doch das ist phantastisch im wahrsten Sinne, den dieses Wort haben kann. Unglaublich. Auch noch 2004.
"Bleeding" ist gleichsam eine schwierige Platte, aber aus vollkommen anderen Gründen. Äußeres: Die Band steht kurz vor der Auflösung. Laut Graves haben sich die Musiker nach den zum Album gehörenden Live-Auftritten hinter der Bühne nur noch angeschrien. Ward Evans, der auf der Vorgängerscheibe "Mosquito" immerhin noch, wenn er auch nicht mehr als offizielles Bandmitglied geführt wurde, am Bass zu hören ist, wird auf "Bleeding" endgültig durch Phil Cuttino ersetzt, Brian McAlpine ist auf der Tour schon gar nicht mehr dabei. Trotzdem: Die Zerrissenheit innerhalb der Band hört man dem Album nicht an. Die Ferne der Musiker von dem, was sie tun, allerdings schon. "Mosquito" war Magie. "Bleeding" ist auch Magie, aber gewollte. Man mag "Bleeding" alle möglichen Prädikate zusprechen: Schwermut, Gefühl, Intensität, Liebe, Wut, Dunkelheit, Licht, Verstörung und Harmonisierung, Fragilität und Brachialität. Vielleicht ist "Bleeding" am Ende als die härteste Psychotic Waltz-Scheibe, die je aufgenommen wurde, zu bezeichnen, mit Riffwänden, die an die Wand drücken, einem knarzenden Bass und staubtrockenem Schlagzeugsound. Aber das alles ist eher Erörterung als Empfindung, und dazu war mir diese Band von jeher eigentlich zu schade. Und ehrlich: Härtnersongs wie "Northern Lights" und "Skeleton" strahlen so wenig aus von der Macht, die dieses musikalische Phänomen wirklich umgeben kann. Solche Songs habe ich immer übersprungen. Und das passiert mir auf keinem anderen Album von Psychotic Waltz. Auf seine Art und Weise ist "Bleeding" ein wirklich gutes Album, aber diese Gutheit spielt sich auf einer ganz anderen Ebene ab als etwa die von "Mosquito". Es ist vollkommen möglich, dass gerade "Bleeding" aufgrund seines Anders-Gepolt-Seins den einen oder anderen Hörer eher erreicht als die drei Vorgängeralben. Mich nicht.
Bonüsse sind angeblich zehn Extratracks. Von den angekündigten Liedern befinden sich aber nur sechs auf der Bonus-CD, nämlich die des "Into The Everflow"-Demos, das sich soundmäßig eigentlich so groß vom Endresultat auch nicht unterscheidet (sieht man vom Proberaum-Gesang einmal ab). Das "Aslan"-Demo fehlt jedoch. Hat das einen plausiblen Grund, mDuH von Metal Blade? (Laut Label-Homepage soll das durch einen Preßfehler bei der Erstauflage bedingt und inzwischen behoben worden sein. Erstauflagenbesitzer sollen sich zwecks Ersatzregelung ans Label wenden. - Anm. rls)
Zuletzt und einmal mehr: Psychotic Waltz vorübergehen lassen heißt ... was-auch-immer verpassen, aber es ist in jedem Fall zuviel! Wenn hier kein Kauf aus Neigung geschehen kann, dann ist er wohl Pflicht. So einfach ist das.
Kontakt: www.metalblade.de

Tracklist:
Into The Everflow
1. Ashes
2. Out Of Mind
3. Tiny Streams
4. Into The Everflow (ab hier alle Songs auch auf dem "Into ..."-Demo)
5. Little People
6. Hanging On A String
7. Freakshow
8. Butterfly
9. Disturbing The Priest

Bleeding
1. Faded
2. Locust
3. Morbid
4. Bleeding
5. Need
6. Drift
7. Northern Lights
8. Sleep
9. My Grave
10. Skeleton
11. Freedom?
 




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