www.Crossover-agm.de INSANIA STOCKHOLM: Sunrise In Riverland
von rls

INSANIA STOCKHOLM: Sunrise In Riverland   (No Fashion Records)

Diese zur Unterscheidung von den Ruhrpottbewohnern mit dem Zusatz ihrer Heimatstadt versehenen Insania haben wie Hunderte ähnlich musizierender Bands auch ein Problem: Ihre ersten weitreichend erhältlichen musikalischen Zeugnisse datieren in die Zeit nach "Glory To The Brave", so daß die Szenepolizei aufschreit und "Trendreiter!" ruft. Die beigefügte Bandbio verwirrt den Rezensenten eher, denn sie behauptet erst, die Mucke von Insania zu Zeiten der Bandgründung 1992 habe sich prinzipiell nicht vom heutigen Sound unterschieden, um dann aber festzustellen, daß Sound und Songs heutzutage doch "streckenweise drastisch" vom früheren Material differieren. Nun will ich mich nicht als Richter aufspielen, schließlich ist "Sunrise In Riverland" meine erste akustische Begegnung mit den sechs Jungs aus der Stadt des Nobel-Komitees, und demzufolge kann ich nicht nur keine Vergleiche mit den Anfangstagen, sondern auch keine mit dem 99er Debütalbum "World Of Ice" ziehen. Dafür fallen mir aber ein paar andere Punkte auf, welche Insania Stockholms Eigenständigkeit etwas beeinträchtigen. Der erste prangt gleich in mehrfacher Ausführung auf dem Cover: Die Drachen haben bis auf ein paar vernachlässigbare Kleinigkeiten haargenau die gleiche Anatomie wie die auf den beiden ersten Rhapsody-Platten. Zufall? Ich glaube nicht. Die weiteren Credits gehen aber weniger nach Italien als vielmehr nach Deutschland (in gemäßigtem Grade) und Finnland (weit stärker). Dabei sind die deutschen Einflüsse mit Edguy bzw. Avantasia (eher letztere wegen des stärkeren bombastischen Charakters) sowie Michael Kiske (Gesang!) schnell benannt, wohingegen "Heading For Tomorrow" kein Gamma Ray-Cover ist. Nach Finnland führt bereits das Intro, denn das ist "Finlandia" betitelt. Nun hab' ich vom alten Sibelius nur die 2. Sinfonie im Plattenschrank stehen, die sinfonische Dichtung "Finlandia" aber nicht, und so richtig aus der Jahre zurückliegenden Behandlung im Musikunterricht hab' ich sie auch nicht mehr im Ohr. Trotzdem wage ich mal zu behaupten, daß das Intro hier eine Sibelius-Adaption ist, denn stilistisch paßt's durchaus. Die klassischen Influenzen aus dem Intro werden auch im Folgesong "The Land Of The Wintersun" weiterverarbeitet, einem klassischen Melodic Speedie, der allerdings einige Zeit allein auf weiter Flur stehenbleiben soll, denn in den Folgesongs schalten Insania Stockholm erstmal einen bis mehrere Gänge zurück, ohne allerdings wesentlich mehr Massivität oder Power zu gewinnen. Mit "Power Metal" ist das Ganze also nur teilweise richtig tituliert - dafür machen speziell die Rhythmusgitarren viel zu wenig Druck (hat Starproducer Mikko Karmila da gepennt, oder ist das Absicht?). So stehen die Keyboards, die Leadgitarren und speziell der Gesang von David Henriksson (der witzigerweise dem letzten Crimson Glory-Sänger Wade Black optisch stark ähnelt) im Mittelpunkt des Geschehens. Und der Gesang ist einer der deutlichsten Querverweise nach Finnland. Der technisch und ausdrucksmäßig eine fast einwandfreie Leistung bringende David geht nahezu als Klon von Stratovarius' Timo Kotipelto durch - der wiederum wurde von nicht wenigen Kritikern als Kiske-Kopie tituliert, was nicht ganz der Wahrheit entspricht, aber auch nicht meilenweit von dieser entfernt liegt. Aber es geht noch weiter: Nicht nur, daß die Gitarristen Henrik Juhano und Niklas Dahlin mehr als einmal Licks und Tricks bei Timo Tolkki entliehen haben (und fleißig in der klassischen Musik von Barock bis Romantik wildern), sie klauen gleich noch das Riff der zweiten Strophe in "Lost In Time" komplett bei Stratovarius (aus welchem Song nur? Ich hab' sogar noch die Strato-Strophenmelodie und Teile des Textes im Kopf, aber mir will der Übergang zum Chorus nicht einfallen). Eigenständigkeit schreibt das Stockholmer Sextett also ganz klein, und trotz nicht zu überhörender Spielfreude läuft mir der Zwölftracker nicht allzugut rein. Die Gitarristen machen prinzipiell zu wenig aus den Möglichkeiten, die sie mit zwei Gitarren haben (fast alles, was hier gespielt wird, kriegt besagter Tolkki auch mit einer hin - einzelne prägnante Ausnahmen wie die schönen Doppelriffs in "Seasons Of Life" bestätigen die Regel, machen aber das Fragezeichen, wieso so etwas nicht öfter zum Zuge kommt, noch größer), und an die meisten Refrains kann man sich ob einer formadiblen Austauschbarkeit selbst nach mehreren Durchläufen nicht erinnern (nur an einen noch, der dann eine Art Blaupause hergibt - in diesem Fall ist's "The Land Of The Wintersun"). So richtig aus dem Rahmen fallen nur das genannte "Seasons Of Life", bei dem ich mich bisweilen gar an die Franzosen Dream Child erinnert fühle, was ob deren Klasse ein Kompliment darstellt, und die schöne Halbballade "Angels In The Sky", in der die vocalistischen Parallelen gen Finnland am deutlichsten zum Tragen kommen. Lustigerweise schrauben Insania Stockholm nach diesem an Position 5 befindlichen Track die Geschwindigkeit konsequent nach oben, nunmehr dem reinen bombastischen Melodic Speed frönend, aber vergessend, daß man innerhalb sieben Songs eine gewisse Variationsbreite einbauen sollte. Mit Ausnahme zweier bereits angeführter Ausnahmen, "Lost In Time" und "Seasons Of Life", steht dieser Teil der CD als recht monotoner Block vor einem, beinahe wie ein halbstündiger Mammutsong wirkend, in dem die Kunst schlüssigen Songwritings mit wiedererkennbaren Themen etwas verschüttet gegangen ist. Da helfen auch einzelne blitzartige Ideen wie der gesprochene Part in "Tears Of The Nature" nicht mehr entscheidend weiter. In dieser Gestalt braucht Insania Stockholm kein Mensch, und nur die nicht zu verschweigenden Qualitäten, zu denen die meisten der in dieser Rezension explizit angeführten Songs gehören (an die anderen kann man sich schon unmittelbar nach dem Hören kaum noch erinnern), bewahren die Band vor dem Durchgereichtwerden nach hinten bzw. unten. "Sunrise In Riverland" ist Spitzengruppe der 3. Profiliga mit Aufstiegsambitionen, von denen ich mir wünschen würde, daß sie Realität werden, denn die Jungs können vor allem technisch was. Wenn sie das doch nur a) stabil zeigen und b) mannschaftsdienlich einsetzen würden ...
Labelkontakt: www.nofashionrecords.com
 




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