www.Crossover-agm.de TUOMAS HOLOPAINEN: Music Inspired By The Life And Times Of Scrooge
von rls

TUOMAS HOLOPAINEN: Music Inspired By The Life And Times Of Scrooge   (Nuclear Blast)

Nach dem schon schwer verdaulichen Filmscore zu "Imaginaerum" kommt hier ein weiterer harter Brocken für Nightwish-Anhänger in Gestalt des ersten Soloalbums von Chefdenker Tuomas Holopainen. Filmscoremetal wollte er ja schon immer schreiben und hat sich diesem Ziel mit den jüngsten Nightwish-Alben auch schrittweise angenähert - nun kommt tatsächlich eine Art Filmscore, und zwar einer komplett Nightwish-fremden Ursprungs (das "Imaginaerum"-Projekt wurzelte ja musikalisch im gleichnamigen Studioalbum, auch wenn das ursprünglich anders konzipiert war). Holopainens Faible für Kinderfilme ist ja seit "Walking In The Air" vom "Oceanborn"-Album bekannt, und nun schlägt es gnadenlos durch, wobei auch noch eine andere Erklärung greifen kann, zu der wir noch kommen werden. Die Ideenbasis jedenfalls bildet "The Life And Times Of Scrooge", wobei Scrooge mit vollem Namen Scrooge McDuck heißt und dem deutschen Leser bzw. Hörer unter dem Namen Dagobert Duck geläufiger sein dürfte. Der Streifen kam 1992 heraus und beleuchtet die Geschichte, wie Dagobert zu seinem unermeßlichen Reichtum kam und wie er seinen sprichwörtlichen Geiz entwickelte, aber auch die Hintergründe seines berühmten ersten Pennys. Der Rezensent kennt die Geschichte zumindest in Ansätzen (Dagobert kommt nach schweren Tagen in Schottland nach Alaska und partizipiert dort am Klondike-Goldrausch), hat den Film aber nicht gesehen und sich auch mit den Geschehnissen in und um Entenhausen nur überblicksartig beschäftigt (obwohl er der gleiche Jahrgang ist wie Holopainen - aber in der DDR wuchs man nicht mit Dem Lustigen Taschenbuch auf, sondern mit Atze, Frösi, Trommel und im Idealfall Mosaik), kann also nur rein musikalische und ansatzweise kulturhistorische Bewertungen abgeben, wohingegen mancher Filmkenner und/oder Duckianer sicherlich den 60 Minuten Musik noch ganz andere Seiten abgewinnen können werden. Mangels Kenntnis des Films ist dem Rezensenten somit auch unbekannt, ob dieser einen Soundtrack hat und, falls ja, ob Holopainen Motive daraus für seine Kompositionen verarbeitet hat; das Booklet äußert sich hierzu nicht.
Zunächst einmal gilt es die Erwartungshaltung der Nightwish-Anhängerschaft (die sich primär für ein solches Album interessieren wird) zu analysieren und zu dämpfen: "Music Inspired By The Life And Times Of Scrooge" ist kein Nightwish-Album (sonst hätte ja auch der Bandname auf dem Cover prangen können), und es ist auch nur ein weiteres Nightwish-Mitglied beteiligt gewesen: Troy Donockley, dessen schottisches Gebläse für die in Schottland spielenden Anfangskapitel natürlich prägende Wirkung entfaltet, die später weit in den Hintergrund tritt. Dann hätten wir in "Cold Heart Of The Klondike" einen alten Bekannten aus dem Nightwish-Umfeld: Sonata-Arctica-Sänger Tony Kakko tritt hier ans Frontmikrofon. Pip Williams stand für die Orchesterarrangements ebenfalls wieder zur Verfügung, auch die Orchestermusiker (diesmal unter The Moorstone Orchestra firmierend) sind zu großen Teilen schon auf den letzten Nightwish-Studioalben dabeigewesen, und das Gleiche gilt auch für The Metro Voices unter Jenny O'Grady. Aber daneben gibt es auch etliche Neuzugänge, und der strukturell wohl wichtigste hört auf den Namen Johanna Kurkela, denn die singt nicht nur, sondern war bereits vor den Aufnahmen auch privat an Holopainens Seite gerückt. So läßt sich trefflich spekulieren, welchen Anteil sie an der Ideengebung für dieses Album und dessen Ausrichtung hatte. Der Rezensent kennt ihre Soloalben nur von einigen Höreindrücken bei Youtube (sie hat als Gast auch zwei Songs auf dem 2009er Sonata-Arctica-Album "The Days Of Grays" eingesungen, aber auch dieses befindet sich nicht in der Kollektion des Rezensenten), aber ihre Stimme scheint, dem Eindruck dieses Albums hier nach zu urteilen, nur sehr bedingt metalkompatibel zu sein. Glücklicherweise hat Holopainen der Versuchung widerstanden, sie auch zur Nightwish-Sängerin zu machen, denn sonst wäre zu befürchten, daß folgende Nightwish-Alben auch so klängen wie das hier. "Music Inspired By The Life And Times Of Scrooge" ergibt sich, wenn man von Nightwish zunächst den Metal subtrahiert, dann auch noch den Rock, danach einen Teil der Spannung und schlußendlich auch noch etliche Ideen. Was bleibt, wird manchem genügen, andere, unter ihnen auch der Rezensent (der sowohl Klassik als auch Metal schätzt), stehen dem Album eher hilflos gegenüber. Irgendwie hört man dem Material an, daß Holopainen glücklich und entspannt ist (und Kurkela daran sicher keinen kleinen Anteil hat). Das sei ihm persönlich natürlich gegönnt, aber das Problem besteht darin, daß Nightwish-Songs immer dann besonders gut, rührend, auch aufwühlend waren, wenn man ihnen die Angespanntheit des Komponisten und Chefdenkers anhörte. Genau die ist hier nun weg, und das tut dem Material nicht gut. Träge trabt oder fließt es dahin, und wenn es mal dramatisch wird, dann reicht diese Dramatik längst nicht an die krasser Meisterwerke wie "The Poet And The Pendulum" heran, sondern verpufft oder versandet irgendwo, nachdem sie in den Spitzenausschlägen schon längst auf niedrigeren Levels verharrt war, selbst wenn es um tatsächliche hochdramatische Elemente im Basisfilm geht. Um zum Klondike zu kommen, muß man beispielsweise den Chilkoot-Paß überqueren - noch nach heutigen Maßstäben eine ernste alpinistische Unternehmung, der damals Tausende aus wärmeren Gefilden ins kalte Alaska gekommene Goldsucher nicht gewachsen waren und die auch im Film eine Rolle spielt. Holopainens Musik dagegen läßt die Schwierigkeiten kaum erahnen. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, hier sei das richtige Thema mit der falschen Band vertont worden - ein Phänomen, über das der Rezensent vor nicht allzulanger Zeit schon einmal gestolpert ist: Seven Steps To The Green Door hatten mit ihrem hochambitionierten Konzeptalbum "The ?Book" musikalisch Schiffbruch erlitten, während zeitgleich beim gleichen Label und ebenfalls unter Chefdenkerschaft von Keyboarder Marek Arnold "Elinoire" von Flaming Row auf den Markt kam, auch ein Konzeptalbum, dessen prima umgesetzte Hochdramatik viel besser zum Konzept von "The ?Book" gepaßt hätte. (Der Ehrlichkeit halber sei angemerkt, daß Kollege Tobias Audersch, der die beiden Alben fürs CrossOver rezensiert hat, das durchaus anders sieht.) Jedenfalls hätte aus dem Scrooge-Thema ein richtig interessantes Nightwish-Nachfolgealbum für "Imaginaerum" entstehen können, wenngleich man zugeben muß, daß die hier mal richtig gut gelungenen gehauchten weiblichen Vocals in "A Lifetime Of Adventure" mit Floor Jansen wahrscheinlich schwer adäquat umsetzbar gewesen wären. Besagter Song ähnelt Nightwish von der Gesamtanlage her am stärksten, nicht zuletzt weil hier mit Mikko Iivanainen ein Gitarrist zumindest ein Hauptsolo beisteuert, aber auch ihn wünschte man sich dringend in voller Bandbesetzung noch einmal neu eingespielt. In den 60 Minuten (inclusive der Alternativversion von "A Lifetime Of Adventure" am Ende) finden sich beim vierten, fünften Durchlauf ein paar Ideen, die die gewohnte Holopainen-Qualität besitzen und auch in der hier gewählten Umsetzung zumindest partiell zu überzeugen wissen, sich bisweilen sogar zu richtigen Ohrwürmern entwickeln, allerdings nur "fetzenweise". Das ist für einen Mann, der sonst Meisterwerke am Stück aus dem Ärmel schüttelt, eindeutig zu wenig. Da hilft auch das schöne Digibook (mit einer Zweit-CD, die die Songs als Instrumentalversionen enthält und dermaßen langweilt, daß man sie freiwillig kein zweites Mal hört) nichts, das zudem auch noch so groß ist, daß es nicht vernünftig archivierbar ist und man so gezwungen ist, diesem allenfalls mäßigen Stück Musik auch noch einen Extra-, also Ehrenplatz in der Sammlung zuzuweisen, den die Digipacks von "Dark Passion Play" und "Imaginaerum" definitiv verdient haben, "Music Inspired By The Life And Times Of Scrooge" aber genauso definitiv nicht. Nightwish-Anhänger seien vor einem Blindkauf dringend gewarnt, und dem Rezensenten fällt keine andere Zielgruppe ein, der man dieses Album empfehlen könnte.
Kontakt: www.nuclearblast.de

Tracklist:
CD 1:
Glasgow 1877
Into The West
Duel & Cloudscapes
Dreamtime
Cold Heart Of The Klondike
The Last Sled
Goodbye, Papa
To Be Rich
A Lifetime Of Adventure
Go Slowly Now, Sands Of Time
A Lifetime Of Adventure (Alternative Version)

CD 2:
Instrumental Version
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver