www.Crossover-agm.de NIGHTWISH: Imaginaerum - The Score
von rls

NIGHTWISH: Imaginaerum - The Score   (Nuclear Blast)

Tuomas Holopainen hatte ja schon langfristig angekündigt, daß die 13 Songs des "Imaginaerum"-Albums auch als Filmsoundtrack konzipiert worden seien, aber dann hatten sich die Arbeiten am Film doch als längere Zeit beanspruchend herausgestellt, so daß die Dreharbeiten erst kurz vor der Veröffentlichung der "Imaginaerum"-CD im Herbst 2011 getätigt werden konnten. Das Jahr 2012 ging außer für Konzerte dann für den Zusammenschnitt des Films und eben die Erstellung des direkten Soundtracks für den Streifen drauf, und dieser liegt nunmehr auch als knapp 54minütige CD vor. Und er wird manchen Hörer überraschen, der nur eine gewisse Anpassung der Songs an das Filmgeschehen erwartet hatte: "Imaginaerum - The Score" ist anders, und zwar fast komplett anders. Gemeinsam mit dem Komponisten Petri Alanko setzte Holopainen das Material einzelspurenweise weitgehend neu zusammen, wobei Alanko die Federführung übernahm und zudem Zugriff auf Archivmaterial erhielt, also Einspielungen, die für die 13 Songs nicht verwendet worden waren. Die größte Kunst bestand hier im Weglassen, und das keineswegs nur aus dem Grund, daß der Soundtrack 20 Minuten kürzer ist als das Album. Von Anettes Vocals ist so gut wie nichts übriggeblieben, einzig in "Sundown", das sich auf Material von "Turn Loose The Mermaids" stützt, und später in "Deeper Down" nehmen sie eine tragendere Rolle ein, werden allerdings auch in "Sundown" häufig durch Melodielinien der klassischen Instrumente ersetzt. Ein Schelm indes, wer Arges in Bezug auf die Trennung der Sängerin von der Band im Herbst 2012 denkt - erstens war Alankos Arbeit da schon längst beendet (im Mai 2012 war er fertig, steht im Impressum), und zweitens hätte dann auch Gitarrist Emppu gehen müssen, denn auch dessen Gitarrenparts sind so gut wie nicht vertreten (markante Ausnahme: das auf "Last Ride Of The Day" basierende "I Have To Let You Go", dort sowohl mit dem kreischenden Leadlauf als auch später noch mit Riffing) und Marcos Baßlinien auch kaum einmal, wobei "Deeper Down" als Basis dessen Komposition "The Crow, The Owl And The Dove" enthält und dort auch seine Vocals zumindest hintergründigen Einsatz finden. "Imaginaerum - The Score" besteht also im wesentlichen aus Keyboards, Percussion und klassischen Instrumenten - oder, anders ausgedrückt: Es ist eigentlich ein Klassikalbum. Das wird sich mancher Hörer sicherlich anders vorgestellt haben und dementsprechend enttäuscht sein, während diese Vorgehensweise allerdings auch zwei Vorteile hat: Erstens könnte sie Nightwish neue Hörerschichten erschließen, die Klassik und Filmmusik mögen, den metallischen Anteil in Nightwishs regulären Kompositionen aber nicht zu goutieren wissen. Zweitens machen die Entdeckungsreise und die Puzzlearbeit, welches Thema in den 13 neuen Songs (die natürlich alle anders heißen als ihre Pendants auf der regulären CD, womit Holopainen ein paar schöne Songtitel für künftige CDs verlorengehen, etwa "Find Your Story" oder "Wonderfields", während er "Hey Buddy" sicherlich sonst nie verwendet hätte :-)) wo verarbeitet worden ist, dem Nightwish-Insider natürlich einen Heidenspaß. Das ist in einigen Fällen relativ einfach, etwa im Spieluhrmotiv aus "Taikatalvi", das sich hier ebenfalls im Opener "Find Your Story" befindet - in anderen Fällen aber hat man da deutlich mehr Entdeckungsarbeit vor sich, wird allerdings im Erfolgsfalle dann auch reich belohnt. Das setzt freilich erstens eine intensive Kenntnis des regulären "Imaginaerum"-Songmaterials und zweitens viel Zeit voraus, die aufzubringen mancher Hörer sicherlich nicht die Geduld haben wird. Nebenbei: Sehr nützlich ist für diese Erschließung der Besitz der Doppel-CD-Version von "Imaginaerum", also mit der Instrumentalfassung des Albums auf der zweiten CD, wo man diverse instrumentale Motive viel besser erkennen und verinnerlichen kann als in der mit Vocals überlagerten Fassung des regulären Albums. Von "Imaginaerum - The Score" gibt es übrigens auch eine Sonderversion im Schuber, allerdings ohne zusätzliches Audiomaterial, aber zumindest mit einem Filmplakat als Beilage, wo der Vorname des Bassisten doch glattweg falsch geschrieben worden ist ... Apropos Film: Wie der Soundtrack nun zum Film paßt, das ist ohne Kenntnis des Streifens natürlich nicht zu entscheiden. In Finnland hatte er bereits im November 2012 Premiere, aber ob bzw. wann er auch in deutschen Kinos zu sehen sein wird, das läßt sich zum Zeitpunkt der Rezension noch nicht sagen. Vielleicht wäre auch die Konstellation des Premierenabends in Helsinki denkbar: Erst läuft der Streifen, und dann spielen Nightwish noch ein Konzert. Hätte den Vorteil, daß man sich die Vorband einspart, allerdings den Nachteil des erhöhten Personal- und Technikaufwands - und mit der kuriosen Konstellation, daß im Film noch Anette zu sehen und zu hören ist, während auf der Bühne dann schon Floor Jansen (oder wer auch immer sonst) singt, müßte man als Zuschauer (und als Band!) natürlich auch zurechtkommen. Die Zukunft wird zeigen, welche Lösung hier gefunden wird. Bis dahin muß sich der geneigte deutsche Zuschauer noch mit einer Handvoll Szenenfotos im Booklet zufriedengeben, sofern er "Imaginaerum - The Score" denn überhaupt für kaufenswert hält. Nightwish-Fanatiker müssen die CD natürlich haben, dem Nightwish-Durchschnittshörer sei allerdings ein vorheriges Hineinhören unbedingt angeraten.
Kontakt: www.nightwish.com, www.nuclearblast.de

Tracklist:
Find Your Story
Orphanage Airlines
Undertow
Spying In The Doorway
A Crackling Sphere
Sundown
Wonderfields
Hey Buddy
Deeper Down
Dare To Enter
I Have To Let You Go
Heart Lying Still
From G To E Minor
 




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