www.Crossover-agm.de HALLOWED: Hallowed
von rls

HALLOWED: Hallowed   (Steelheart Memories/Karthago Records)

Kein neues Lebenszeichen der von Thorsten geschätzten finnischen Band, auch keine der mittlerweile unter dieser Flagge segelnden anderen Truppen, sondern eine uralte italienische Band, gegründet bereits anno 1980 und seinerzeit weit und breit die einzige härter rockende Band in ihrer Heimatstadt Bergamo (womit sich der Terminus "italienische Band" schon wieder relativiert, denn Bergamasken verstehen sich in erster Linie als Bergamasken und erst in zweiter Linie als Italiener). Ihre einzige Platte "Hallowed" entstand 1986, war regulär aber nur in Italien zu haben (und das vermutlich auch nur in überschaubarer Auflage); ein geplanter Release über Neat Records, wohin die Band ausgerechnet ein Mitglied von Venom vermittelt hatte, kam letztlich nicht zustande, und die Band stellte irgendwann ihre Aktivitäten ein. Die Platte war so rar, daß das Riermaier-Team in den Mittneunzigern beim Materialzusammenstellen für ihr "Heavy Metal aus Südeuropa"-Buch zwar ein paar strukturelle Dinge vermelden konnte, aber nicht zu den Songs auskunftsfähig war, da niemand jemals diese Platte gehört hatte. Letztlich gelang es aber doch noch, Kontakt zu Max Numa (Sänger, Gitarrist und Keyboarder) aufzunehmen, und der fand tatsächlich einige alte Bänder, aus denen eine CD-veröffentlichungsfähige Version zusammengezimmert werden konnte, die nun also vorliegt. Wenn man das Entstehungsjahr heranzieht, wird klar, daß es hier keinen Epic Hollywood Metal zu hören geben kann, da Rhapsody diesen ja erst eine Dekade später erfanden. Obwohl die vier Jungs auf den alten Fotos teilweise so aussehen, als seien sie der amerikanischen Glamszene entsprungen (man beachte die Frisuren!), haben sie musikalisch mit diesem Areal auch nichts zu tun, sondern spielten klassischen Hardrock mit einer gewissen Metal-Schlagseite oder meinetwegen auch Melodic Metal mit Hardrockelementen, wie er für die Mittachtziger typisch war. Das heißt: Man schielte manchmal ehrfurchtsvoll zu den Großen der NWoBHM zurück ("Wake Up In The Night" erzeugt mal kurz einen Part, der so auch von Iron Maiden stammen könnte), blickte aber auch nordwärts über die Alpen und holte sich beim typischen Teutonenmetal dieser Zeit einige Inspirationen. Einige Passagen aber verraten, daß Hallowed doch so etwas wie eine eigene Linie gefunden hatten: Zum einen ist etwa schon der dreiminütigen "Hallowed Overture" anzuhören, daß die Band auch mit den Frühwerken der Michael Schenker Group vertraut war, zum anderen lag besonders in vielen Gesangspassagen ein italienisches Pathos, wie man es ab der Folgedekade häufiger vernehmen sollte, und auch etwas episch veranlagt waren die Jungs schon damals, wie etwa der ausgefeilte, manchmal ganz leicht an Magnum erinnernde Siebeneinhalbminüter "Cry No More" beweist, der übrigens im Rahmen eines UNICEF-Projektes entstanden war und zu dem es auch noch ein Video mit diversen alten Aufnahmen auf der CD gibt (allerdings neu kompiliert, nicht mit Originalton, wobei Paßgenauigkeit von Bild und Ton offensichtlich nicht immer Priorität hatte - da steht ab und zu mal jemand am Mikro, obwohl akustisch gar niemand singt, und auch den umgekehrten Fall gibt's auch, also es singt jemand, obwohl niemand am Mikro steht). Ansonsten steht eine Ballade wie "Dreaming Of You" gleichberechtigt neben einem eher harten Kanten wie "Running Forever", die Gitarren dominieren eindeutig, die Keyboards finden nur punktuell, aber geschickt Einsatz, und die Band wechselt mitunter das Tempo auf etwas skurril anmutende Weise (man höre mal genau auf den Übergang von Strophe zu Refrain in "Flight To The Moon", der nicht das einzige diesbezügliche Beispiel in diesem Song bleiben soll). Den Leadgesang teilt sich Max Numa übrigens mit seinem Gitarrenpartner Stefano Vigani, wobei der eine von beiden eine etwas rauhere hardrockige Röhre hat, der andere aber eine sehr hohe, fast ein wenig quäkige, aber auf jeden Fall originelle Stimme besitzt, die manchen Hörer sicher zum entnervten Entnehmen der CD bewegen wird, während andere, zu denen sich auch der Rezensent zählt, gerade diese Stimme schätzen werden. Bester Song ist neben "Cry No More" der dem Intro folgende "I Can't Stop The Fall" mit einem starken Refrain, auch wieder etlichen Tempowechseln und einer gesunden Portion Härte. Nach den neun Songs des regulären Albums folgen noch vier Boni, entnommen einem Anfang 1985 aufgenommenen Demo (dessen Vorlage leider nur noch in nicht ganz astreiner Qualität aufzutreiben war, so daß da auch mal ein plötzlicher Leierer vorkommt). "Sing The Music Wild" kam in einer leicht erweiterten, "Dreaming Of You" in einer kaum veränderten Version später auch aufs reguläre Album, das im Hauptteil schnelle, im Intro fast an WASP erinnernde und auch schon einen schwelgend-epischen Mittelteil aufweisende "We Got You" und das ebenfalls flotte "Deep Coma" hingegen verblieben im offiziell unpublizierten Zustand und wurden erst jetzt im Rahmen dieser mit behutsamer Soundrekonstruktion vorgenommenen Wiederveröffentlichung ans Tageslicht gezerrt. Da nördlich der Alpen kaum jemand die originale LP besitzen dürfte und diese, wenn sie denn mal irgendwo zum Verkauf steht, eine gut gefüllte Geldbörse verlangt, sollten Erwerbskonflikte zwischen der LP und der CD praktisch ausgeschlossen sein. "Hallowed" kann man sich auch heute noch mit viel Genuß anhören (was beileibe nicht für jedes Album von 1986 gilt), wenngleich man keine Wunderdinge erwarten darf, da sich neben den erwähnten Highlights auch ein paar etwas durchschnittlichere Tracks finden. Aber als Zeitdokument ist das Album in jedem Falle wertvoll - und spätestens wenn man Passagen wie das traumhafte Unisono-Solo in "Deep Coma" entdeckt hat, bedauert man dann doch, daß von der Truppe (die auf dem Album damals übrigens unter englischen Pseudonymen agierte, was noch ein Jahrzehnt später von Labyrinth analog gehandhabt wurde, da man italienischen Bands - zu Unrecht, wie "Hallowed" zeigt - nicht viel zutraute) nicht noch mehr erschienen ist. Aber man kann sich ja zumindest "Hallowed" (im Booklet übrigens mit Lyrics, History und tonnenweise alten Fotos vorbildlich ausgestattet) jetzt zu vernünftigem Preis in die Sammung stellen.
Kontakt: Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de; www.adrenaline.it

Tracklist:
Hallowed Overture
I Can't Stop The Fall
Sing The Music Wild
Wake Up In The Night
The Strong Doubt I Can Revive
Cry No More
Running Forever
Flight To The Moon
Dreaming Of You
  Demo 1985:
We Got You
Deep Coma
Sing The Music Wild
Dreaming Of You



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