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GEAR KNIGHT: Gear Knight
von rls

GEAR KNIGHT: Gear Knight   (Aborigines/K-Master)

Evanescence-Fans aufgepaßt: Hier kommt Thailands Antwort auf eure Lieblinge! Zwar gibt es drei markante Unterschiede, aber die generelle Ausrichtung von Teilen der Musik ähnelt der von den erfolgreichen AmerikanerInnen in genügendem Maße, daß der Liebhaber der einen auch die anderen in sein Herz schließen könnte. Vor allem das Riffing der Gitarren (der Sänger hält auf dem Backcover-Bandfoto auch eine solche in der Hand, obwohl die Besetzungsliste ihn nicht als gleichzeitigen Bediener dieses Instrumentes ausweist) gestalten Gear Knight nicht selten in ähnlicher Weise wie die deutlich bekannteren Mannen um Amy Lee, der markante Piano-Einsatz in "Tai nai nah tee" wäre von jenen auch nicht wesentlich anders gestaltet worden, und auch das stets einen etwas verspielten Touch aufweisende Drumming kann man in ähnlicher Form auch in diversen Evanescence-Songs vernehmen. Dennoch bleiben die Unterschiede markant genug, daß niemand auf die Idee kommen könnte, von einem Plagiat zu sprechen. Ein wichtiges Stichwort für die Betrachtung ist dabei schon gefallen: Gear Knight haben keine Sängerin, sondern einen Sänger, und obwohl der durchaus leicht feminin singt (also recht weich und mitunter auch recht hoch), würde niemand auch nur auf die Idee kommen, ihn mit Amy Lee zu vergleichen (an irgendwen erinnert mich sein Gesang, aber ich komme nicht drauf, an wen - und ist übrigens schon mal jemandem aufgefallen, daß sich gesungenes Thai ein bissel wie gesungenes Tschechisch anhört?). Als zweiten deutlichen Unterschied haben Gear Knight den Einsatz des Keyboards auf einige wenige Stellen beschränkt, wo es dafür aber dann entscheidende Wirkung entfaltet (es sei wieder auf das bereits erwähnte "Tai nai nah tee" verwiesen); geht es ansonsten beispielsweise um ruhigere Passagen, schaltet die Gitarre auf akustischen Betrieb herunter und bestreitet diese Passagen in natürlich-warmer Atmosphäre. Damit wären wir schon beim dritten Punkt: Der bisweilen leicht kalt-sterile Touch, den Evanescence beispielsweise durch den Einsatz von Samples erzeugen, fehlt bei Gear Knight völlig, das Drumming ist komplett echt (man betrachte auf dem Bandfoto mal den lustigen Versuch des Drummers, ein böses Gesicht aufzusetzen), die Produktion druckvoll, aber eben immer mit diesem warmen Unterton versehen. Man höre sich nur mal die raumgreifenden Gitarren im Intro von "Dern aork pai torn nee kor dai" an, der bei etwas deutlicher herausmodelliertem Riffing in der Folgezeit gar an Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus gemahnen würde, aber auch in der vorliegenden Form zweifellos funktioniert. Freunde ausladender Gitarrensoli werden bei Gear Knight nicht fündig, denn die vergleichsweise kompakt inszenierten und temposeitig nicht wesentlich über Midtempo hinausgehenden, aber aufgrund mannigfacher geschickter Tempovariationen keineswegs monoton wirkenden Songs verzichten auf den Einsatz dieses Stilelementes fast völlig, was als Absicht zu werten sein dürfte, denn daß die Gear Knight-Gitarristen zu phantasievollen Leads in der Lage sind, beweisen sie im bereits erwähnten "Dern aork pai torn nee kor dai", zwar auf kaum mehr als drei, vier Takte beschränkt, aber ein kleines Glanzlicht setzend; "Tob nah" darf sich das gleiche Prädikat um den Hals hängen. Von der Gesamtatmosphäre her dürften auch Fans des typisch finnischen Melancholierocks, also von Lovex, Negative, Sentenced, HIM, Entwine und Konsorten, an Gear Knight Gefallen finden können, wenngleich die vier Thais nicht metertief im pseudosuizidalen Sumpf stecken und ihnen auch der Glam-Touch der beiden erstgenannten Bands völlig fehlt. Statt dessen fahren sie mit "Tok long rao pen ar rai" eine angedüsterte Halbballade auf, die auch auf ein Fates Warning-Album der Neunziger, etwa "Inside Out", oder gar auf Dream Theaters "Falling Into Infinity" gepaßt hätte. Der beste unter den 10 Songs ist übrigens der letzte, ein noch zurückhaltend beginnender großer Rocker, den sich auch die etablierten Bands des angloeuropäischen Kulturkreises nicht alle Tage aus dem Ärmel schütteln. Daß der Refrain lautseitig irgendwie wie "Die young" klingt, sollte sicher purster Zufall sein (die konkrete Bedeutung kann ich mangels Thai-Sprachkenntnissen nicht entschlüsseln, und auch das komplette Booklet ist in entsprechenden Schriftzeichen gehalten, abgesehen von einigen Worten - zumindest steht der Bandname auch groß in lateinischen Lettern auf dem Cover, so daß man im Thailand-Urlaub auch ohne Hilfe eines Einheimischen zur richtigen Scheibe greifen kann). Wie groß die Band in Thailand ist, weiß ich nicht, kann mir aber durchaus vorstellen, daß sie einen sehr großen Stellenwert in der Szene hat. In Europa wäre die potentielle Hörerschaft garantiert zu mindestens drei Vierteln weiblich, aber die Chance, daß es die Band auch nach hier schafft, dürfte als äußerst marginal bewertet werden - und wenn, dann erfahren außerhalb der hiesigen Thai-Diaspora-Zirkel sowieso nur Eingeweihte wie Kollege Georg davon, es sei denn, ein Zufall führt dazu, daß der asiatische Visual Kei-Hype auch die vier Thais mit einsaugt, obwohl sie imagetechnisch überhaupt nichts mit diesen Bands gemein haben, sondern auf den Fotos wie ganz normale Jugendliche aussehen. Solange diese Entdeckung ausbleibt, hat man, wenn man die CD seiner Sammlung zuschanzen will, wohl nur die Chance, bei einem Thailand-Urlaub die Plattenläden durchzuforsten (an dieser Stelle ein Dank an Dr. Katrin Seidel fürs Mitbringen der CD!), auf www.ethaicd.com nachzuschauen, ob man die CD auf diesem Wege importieren kann, oder eine Mail an marketing@kmaster.co.th oder aborigines2002@hotmail.com zu schicken. Die Mühe lohnt sich aber, denn die 10 Songs sind über weite Strecken einfach richtig gut. Mittlerweile ist übrigens auch schon das Folgewerk "Vol. 2" erhältlich.

Tracklist:
1. Alsymer sar mhong tur pen ar rai
2. Tai nai nah tee
3. Tok long rao pen ar rai
4. Ruk tua eng mai pen
5. Loke bai kao
6. Dern aork pai torn nee kor dai
7. Tob nah
8. Mai lharb jum
9. Tum ar rai kun yoo
10. Yah yorm
 





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