www.Crossover-agm.de ENTWINE: Time Of Despair
von rls

ENTWINE: Time Of Despair   (Century Media)

Neues bei Entwine - und doch nichts Neues. Die Finnen haben sich zwar um einen zweiten Gitarristen verstärkt (ein gewisser Jaani unterstützt ab sofort Tom Mikkola bei der Sechssaitenarbeit), aber zumindest auf den studiotechnisch konservierten Sound hatte das im wesentlichen keine Auswirkungen, denn die Gitarren machen nichts entscheidend Anderes als auf dem Albumvorgänger "Gone" (live dagegen könnte sich der Zugewinn als durchaus nützlich erweisen, allerdings habe ich Entwine in ihrem alten Line-up nie live erlebt und auch die Tour der neuen Besetzung mit Theatre Of Tragedy verpaßt, weshalb ich da keine Aussagen treffen kann). Entwine klingen auch auf "Time Of Despair" wie eine anspruchsvollere Version ihrer erfolgreichen Landsleute von HIM, und speziell Fronter Mika Tauriainen ist phasenweise nicht von Ville Valo zu unterscheiden. Zur Verifizierung dieser These genügt ein Hineinhören in den ersten Teil von "Nothing Left To Say" - der gleiche Song beweist aber auch, daß sich Tauriainen bemüht, nicht als 1:1-Kopie zu agieren, denn in Höhen wie nach dem kurzen, aber effektiven Solo stößt Valo nur selten vor. Neben den eher kürzeren, verhältnismäßig flotten, aber trotzdem mit einer urfinnischen Melancholie ausgestatteten Tracks haben sich Entwine auch wieder zwei größere epische Werke aus dem Ärmel geschüttelt. Das erste namens "Safe In A Dream" brilliert mit einem superschweren, aber nicht schwerfällig wirkenden Beat und überläßt die Solopassagen den Gästen Sauli Kulmala (Violine, Viola) und Jussi Vähäla (Cello), die sich gern an der Erzeugung eines warmen Klangbildes beteiligen. Tatsächlich neu im Entwine-Sound dagegen sind einige kurze elektronische Anwandlungen, etwa im Intro von "The Pit" (das sich nichtsdestotrotz kurz darauf zum energischsten Rocker der CD entwickelt) oder im Drumklangbild des Anfangs von "Burden" (wodurch der Track einen fast kühlen Anstrich bekommt, bevor auch er nach einiger Zeit organisch loszurocken beginnt). An einigen wenigen Stellen wäre eine deutlichere Abgrenzung von den ohrenscheinlich DIN-genormten HIM-Klangbildern erfreulich gewesen - das betrifft ganz besonders die halbakustisch unterlegten Strophen, die gelegentlich zum Einsatz kommen, aber auch hier versuchen sich Entwine etwas zu lösen, indem sie beispielsweise in "Falling Apart" wieder mit hintergründiger Elektronik arbeiten. Das könnte den angenehmen Nebeneffekt erzeugen, daß Entwine neue Fanschichten zu erschließen in der Lage wären, etwa aus dem eher klassischen Gothic-Lager, das mit einer verstärkten rockigen oder gar metallischen Attitüde ja nicht zwingend einverstanden ist. Besagtes "Falling Apart" sollte daher als Anspieltip für diese Klientel dienen, auch wenn der Refrain diesen Menschen sicher immer noch zu "organisch" ist. Dafür gibt's im Folgetrack dann sogar noch Frauengesang, allerdings nicht etwa von Keyboarderin Riitta Heikkonen, sondern von einer nicht näher bekannten Dame namens Saara Hellström. "Until The End" heißt dieser Song und ist der zweite Longtrack, eine ausladende Halbballade, die zwischendrin in eine Midtempohymne umschlägt und das Stilmittel der echten Streicher genauso reproduziert wie einen kleinen Elektrobeat im Hintergrund. Entwine musizieren also wie schon auf "Gone" mit hohem musikalischem Anspruch, allerdings ist der Hitfaktor der neun neuen Kompositionen (Ausnahme: der mit einem kapitalen Refrain ausgestattete Titeltrack ganz zum Schluß) etwas geringer ausgeprägt als auf dem Vorgänger, der ja mit etlichen eingängigen, aber unplatten Tracks besonders zu punkten wußte. Dem hitsingleresistenten Hörer wird dieses Faktum aber reichlich egal sein, und er wird das auch im Coverartwork auf den Vorgänger zurückverweisende "Time Of Despair" genauso in sein Herz schließen.
 





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