www.Crossover-agm.de GAMMA RAY: To The Metal!
von rls

GAMMA RAY: To The Metal!   (Edel)

Nach dem strukturellen Rückgriff auf alte Konzepte in Gestalt von "Land Of The Free II" kehrt bei Gamma Ray wieder "Normalität" ein, also ein neues Album mit zehn neuen Songs ohne vordergründige Anbindung an was auch immer, außer an den Metal natürlich, dem hier laut Albumtitel eine Ode gesungen werden soll. Puristen werden sich freilich mit Grausen abwenden, denn Gamma Ray sind von der traditionalistischen Linie, die sie mit "No World Order!" eingeschlagen hatten, noch weiter abgewichen als mit der zweiten "Land"-Scheibe. Will heißen: Obwohl die Durchschnittslänge der Songs gegenüber "Land II" gesunken ist, wurde der Bombastfaktor nach oben geschraubt und landet nicht weit von "Somewhere Out In Space" entfernt, und zudem gönnen sich Kai Hansen und seine Mannen immer wieder blitzartige Einbauten moderner Elemente wie etwa gleich der artifiziell abgemischten Drumfills im Opener "Empathy". Überhaupt spricht schon die Tatsache, das Album mit dem etwas moderner tönenden "Empathy" und nicht etwa mit dem traditionalistischeren "All You Need To Know" zu beginnen, dafür, daß Gamma Ray mit "Metal!" keine allzu puristische Herangehensweise meinen, wenngleich sie natürlich nach wie vor solchen spielen und ihren Stil nicht so weit verändern, daß sie nun gar nicht mehr wiedererkennbar wären. Aber schon das Artwork verdeutlicht, daß sie die Klischeereiterei auch mit einem Augenzwinkern betrachten: Die Zeichnungen jedenfalls summieren so ziemlich alle traditionsmetallischen Klischees, die man sich nur ausdenken kann (interessanter- bzw. intelligenterweise hat man auf Pentagramme verzichtet, ansonsten wäre Gastsänger Michael Kiske wohl auch böse geworden ...), aber die schreiend bunte Farbgebung verdeutlicht, daß das alles offensichtlich nicht ganz so ernst gemeint ist, im Gegensatz zur Musik. Die verzichtet allerdings auch auf überschweren Ernst - der typische melodische Power-/Speed Metal verbreitet in erster Linie gute Laune, ohne indes die übliche Happy-Schiene zu fahren. Am weitesten aus dieser Reihe der Fenster lehnt sich Drummer Dan Zimmermann mit seinem Beitrag "Rise", den er bedenkenlos auch bei seiner Zweitband Freedom Call hätte unterbringen können, was man nicht als Kritikpunkt, sondern schlicht und einfach als Fakt betrachten sollte. Im Refrain wiederum gerät man ständig in Versuchung, statt der hiesigen Lyrics die von Stratovarius' "Black Diamond" zu intonieren. Der Titeltrack wiederum (als Songtitel übrigens ohne Ausrufezeichen) mußte zwangsläufig eine große Hymne werden, und die hat Hansen sicherlich ganz bewußt in klassischer Accept-Tradition gehalten - das dürfte wohl der Live-Nachfolger von "Heavy Metal Universe" werden, und eine "Nahtstelle" fürs Einflechten von Konzertpublikumsmitsingchören wurde im Songwriting auch bereits angelegt. Ohne ein paar Selbstzitate wären Gamma Ray freilich auch nicht Gamma Ray, und für das deutlichste sorgt diesmal Bassist Dirk Schlächter, dessen "Shine Forever" keineswegs nur in der Titelgebung ein paar Parallelen zum gleichfalls von ihm geschriebenen "Shine On" auf "Powerplant" aufweist: Zwar ist die Grundstruktur eine völlig andere, aber die Refrainideen können eine Verwandtschaft nicht verleugnen. Aber wie schon auf "Land II" kann man Hansen und seinen seit mittlerweile anderthalb Jahrzehnten identischen Mitmusikern über solche Dinge nicht richtig böse sein, sondern freut sich eher über das eine oder andere "easter egg", zumal die gesamten knapp 49 Minuten auch noch in gewohnter technischer Brillanz, mit durchaus aktuellen Ansprüchen genügendem, aber nicht "modernem" Sound und in bekannt sprühender Spielfreude umgesetzt worden sind. Zudem halten Gamma Ray das Material durch eine überraschend hohe Detailfülle interessant. Schon im Speedorkan, mit dem "All You Need To Know" losbricht, erwartet man nicht unbedingt das Herunterschalten in "normale" Hardrockgefilde zum Refrain, das aber bei genauerer Überlegung völlig logisch dort eingefügt wurde (dort finden sich auch die Kiskeschen Gastgesänge). Und in "Deadlands" scheint Kai Hansen förmlich in einen Progtopf gefallen zu sein, aus dem er erst in der Songmitte wieder herauskrabbelt, die eine Hälfte der dort herausgefischten Einflüsse noch nach vorn in "Empathy" werfend. Auch Gitarrist Henjo Richter hat mit "Time To Live" recht vielschichtiges Material am Start, mit "Chasing Shadows" aber außerhalb des Solos auch relativ geradlinigen Speed Metal, wobei letztgenannter Song in der einleitenden, aber nur abgeschwächt fortgeführten Melodik ein wenig an die von Bord gegangenen Elbpiraten Running Wild erinnert, im ersten und letzten Refrain dann wiederum gleich doppelt Stratovarius zitiert, textlich deren gleichnamigen Track, musikalisch aber eher "Against The Wind". Das Solo ist dann etwas vielschichtiger strukturiert - und auch hier hätten Stratovarius sicherlich zugegriffen. Mit der starken, in den Strophen einen eher unüblichen deklamierenden Gesangsstil auffahrenden und im Mittelteil gar an klassische Tage Kansas' oder Queens erinnernden Bombastballade "No Need To Cry" schließen Gamma Ray ein erneutes hochklassiges Werk ab, das vielleicht bei manchem Hörer etwas mehr Eingewöhnungszeit brauchen wird als etliche der Vorgänger und das wie erwähnt Puristen eher mißfallen wird, während andere (viele?) gerade die Abkehr vom Purismus als richtigen Schritt kennzeichnen werden.
Kontakt: www.gammaray.org, www.ear-music.net

Tracklist:
Empathy
All You Need To Know
Time To Live
To The Metal
Rise
Mother Angel
Shine Forever
Deadlands
Chasing Shadows
No Need To Cry
 




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