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Status Quo, Kansas   29.10.2009   Leipzig, Arena
von rls

Fühlten sie sich so sicher? Auf der Tour zum "Heavy Traffic"-Album im Frühjahr 2003 spielten Status Quo den Leipzig-Gig noch im Haus Auensee. Das war damals voll mit etwa 2000 Leuten. Sechseinhalb Jahre später aber, das Haus Auensee existiert immer noch, fällt die Wahl auf die Arena mit ihrer locker dreimal so hohen Kapazität. Aber Quo werden belohnt: Die Arena ist nicht ganz ausverkauft, aber doch sehr gut gefüllt. Steigerung auf 250% innerhalb von sechseinhalb Jahren - wer kann das bei der heutigen Wirtschaftslage schon von sich behaupten? Und das, obwohl Porcupine Tree am gleichen Abend spielen (im Haus Auensee ...) und die Schnittmenge der Zielgruppen sicherlich nicht nur aus dem Rezensenten bestanden hat.
Vor allem die Fans des Supportacts haben förmlich die Qual der Wahl, denn bei ihnen wird die Schnittmenge besonders groß gewesen sein. Auf Kansas freute sich der Rezensent besonders, denn er hat sie noch nie live gesehen, verdankt ihnen aber eine wichtige Erfahrung: Irgendwann in den Spätneunzigern sollten sie mal im Haus Auensee spielen, der Rezensent rückte frohgemut an - und stand vor verschlossener Tür: Absage. Seither schaut er vor Aufbruch immer nochmal im Netz nach, ob das Konzert auch wirklich stattfindet. Hier an diesem Abend ist alles klar: Wenige Minuten nach 20 Uhr beginnt die Show und läßt manche Kinnlade nach unten klappen. Die alten Kerls spielen sich mit einer Energie, ja Vehemenz durch den Set, daß sie fast im Metal landen. Williams' Riffing ist enorm druckvoll abgemischt, für den stärksten Energieschub sorgt aber das saftige Drumming - der Herr scheint doch tatsächlich in einen Jungbrunnen gefallen zu sein, und man nimmt die Klassiker in einem ausgesprochen forschen Tempo, was ihnen erstaunlicherweise fast nur gut tut. "Fast", weil so auch in "Dust In The Wind" ein bißchen mehr Unruhe kommt als nötig und auch Walshs ansteckende Begeisterung hier ein wenig zuviel des Guten ist. Dafür singt der Mann aber erstklassig, nur einige wenige Falsetts wackeln leicht, und Bassist Greer sorgt ähnlich kompetent für die zweiten Stimmen und übernimmt übrigens auch den Großteil der Ansagen, in denen er ganz professionell auf die neue, soeben bei Inside Out erschienene Livepackagebox hinweist. Bleibt Ragsdale, der neben Walsh für die Bühnenbewegung sorgt. Seine Gitarre freilich hat der Soundmensch offenbar einzustöpseln vergessen, aber das macht nichts, denn den Löwenanteil des achtsongigen Sets spielt er Geige, und das macht er in bewährter kompetenter und gefühlvoller, aber auch mal wild rockender Manier. Wenn er und Williams beide höchste Leads spielen, ist das Gehör freilich in arger Gefahr, aber dagegen gibt's ja Dämpfungsmittel, und ansonsten bietet der Sound keinerlei Anlaß zur Klage. Eine knappe Dreiviertelstunde Kansas in dieser Form sind definitiv viel zu wenig, aber als Appetizer und "Hallo-uns-gibt's-auch-noch"-Signal ist der Gig zweifellos okay, und trotz der Hektik fährt "Dust In The Wind" neben "Point Of Know Return" und dem Closer "Carry On Wayward Son" (diese beiden nun verdientermaßen) den allerstärksten Applaus ein. Bitte als Headliner wiederkommen!
So positiv Kansas aber auch vom Publikum aufgenommen werden - man ist hauptsächlich wegen Status Quo hier, wie schnell deutlich wird, als Rossi, Parfitt, Bown, Edwards und Tetley die Bühne entern und mit "Caroline" den üblichen Startschuß zu einer 100minütigen Boogierockparty der Sonderklasse geben. Spätestens mit dem Nachfolger "The Wanderer" ist das Publikum auf Betriebstemperatur, und danach ist eigentlich egal, was die Briten auspacken - fast alles gelingt. Auch hier wieder nur "fast", denn ein wenig quälen muß sich Rick Parfitt in manchen Sangeshöhen schon, während sein Kompagnon Francis Rossi, gleichfalls schon über 60, damit überhaupt keine Probleme zu haben scheint. Von seinen Ansagen versteht man wegen seines schnellen Sprechtempos und der blitzartigen Gedankensprünge zwar nur die Hälfte, aber auch die reicht noch für ein äußerst hohes Humorlevel, und ihm beim Spielen zuzuschauen, wie er grimassenschneidend über die Bühne wandert, das hat einen unbestreitbaren Unterhaltungswert. Auf eine großangelegte Bühnendekoration hat man diesmal verzichtet (die verkehrsbaustellenartige Kulisse zur "Heavy Traffic"-Tour besaß allerdings auch Kultwert) und läßt ausschließlich die Musik (zuzüglich gelegentlicher humoristischer Einlagen) sprechen. Die Quo-Version des Scorpions-Knäuels hat Georg ja schon in mehreren Livereviews beschrieben, und sie fehlt auch an diesem Abend nicht, wobei der Anteil von Songs, in denen Andy Bown seine Keyboards verläßt und zu einer dritten Gitarre greift, diesmal recht hoch liegt. Und auch sonst gibt's einiges, was man auf den letzten Touren nicht zu hören bekam, etwa "Don't Drive My Car" oder das halbballadeske und den Set wirkungsvoll auflockernde "Living On An Island", beide von Parfitt vokalisiert. Letztgenanntes geht fast nahtlos in "In The Army Now" über, das auf der 2003er Tour wegen des gerade anstehenden zweiten Irakkrieges aus dem Set geflogen war und erst 2007 reaktiviert wurde. Den Schunkelcharakter der Studioversion hat die Band durch eine fast angedüsterte Liveatmosphäre ersetzt, die den aufrüttelnden Gestus mehr als gelungen transportiert. Da Quo in 100 Minuten natürlich nicht alles unterbringen können, was sie spielen müßten bzw. offensichtlich auch wollen, gibt's auch diesmal wieder ein mit "What You're Proposin'" eingeläutetes Medley, und die Stimmung im Publikum steigt mit den Setclosern "Whatever You Want" und "Rockin' All Over The World" in die Nähe des Siedepunktes, wobei nicht nur die Altfraktion ausgelassen feiert, sondern auch die gelegentlich eingestreuten Jungspunde. Gleich links neben dem Rezensenten etwa steht ein Quintett (dreimal männlich, zweimal weiblich) mit einem summierten Alter von definitiv weit unter 100 Jahren - und alle singen textsicher jede Zeile mit. Drei Zugaben müssen natürlich auch noch sein, und in genauso traditioneller Manier, wie "Caroline" den Set eröffnet, so wird er mit "Bye Bye Johnny" beschlossen. Gute Unterhaltung, einfach richtig gute Unterhaltung!



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