www.Crossover-agm.de ECLIPTYKA: A Tale Of Decadence
von rls

ECLIPTYKA: A Tale Of Decadence   (Die Hard Records)

Hinter dem Bandnamen Ecliptyka könnte der Hörer natürlich trotz der geringfügig abgeänderten Schreibweise eine Band vermuten, die sich nachhaltig vom frühen Schaffen Sonata Arcticas inspiriert zeigt. Aber diese Vermutung geht ins Leere: "Ecliptica", das Debütalbum der besagten Finnen, erschien anno 2000, während diese Brasilianer hier schon seit 1998 aktiv sind, wenngleich es noch bis 2007 dauern sollte, ehe sie ihr erstes Tonzeugnis, die EP "The First Petal Falls", unters Volk bringen konnten. Wiederum vier Jahre brauchten sie, um ihren Debütlongplayer "A Tale Of Decadence" fertigzustellen, der bisher auch das aktuellste Tonzeugnis der Formation darstellt. Keine Ahnung, warum es jeweils so lange dauert, bis das Quintett mit neuem Material aufwartet - an einer nicht eingespielten Besetzung kann es jedenfalls nicht liegen, denn vier Fünftel der Truppe sind schon seit 2002 am Start (davon zwei Gründungsmitglieder), und nur der Bassistenposten wurde anno 2009 mit Eric Zambonini noch einmal neu besetzt. Vielleicht sind die Bandmitglieder auch noch in anderen Bereichen aktiv, und damit sind nicht musikalische, sondern gesellschaftliche gemeint. Das Booklet offenbart die Band nämlich als der Sparte zugehörig, die man früher mit "Thinking Man's Metal" zu subsumieren pflegte, unabhängig davon, welchem konkreten metallischen Stil die Formation denn nun frönt. "Do you wanna make a difference? Help www.peta.org" steht da beispielsweise groß im Booklet, viel größer als die eigene Bandhomepage, und auch zu jedem der abgedruckten Texte findet sich ein Satz mit Informationen zum soziokulturellen Hintergrund, egal ob dieser nun aus Kritik an der grassierenden Gewalt in den brasilianischen Städten oder eben aus tier- bzw. umweltschützerischen Belangen besteht. Somit eignen sich Ecliptyka schon mal prinzipiell für alle Hörer, die ihren Metal eben nicht nur aus musikalischen Gründen hören, sondern auch noch intelligentes, vielleicht auch aufrüttelndes Textgut serviert bekommen wollen.
Nun bleibt natürlich noch die Frage, welche metallische Sparte man denn schätzen sollte, um Ecliptyka musikalisch zu mögen. Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Mit Helena Martins steht eine Sängerin am Mikrofon, aber mit dem üblichen Elfenmetal oder der klassikinspirierten Variante haben Ecliptyka ebensowenig etwas am Hut wie mit der rauhbeinigen Herangehensweise etwa von Acid oder gar Holy Moses. Im großen Feld des Power Metal findet sich auch noch ein Stück Acker für die Brasilianer, aber es ist eins, das zum einen traditionellen und modernen Power Metal mixt und zum anderen an verschiedene andere grenzt, etwa an den besagten Elfenmetal (Helenas Stimme ist mit der von Sabine Edelsbacher und partiell auch der von Anette Olzon artverwandt), aber auch an den Death Metal, denn Guilherme Bollini, der auch eine der beiden Gitarren bedient, ergänzt die Gesangsfraktion mit einer etwas herberen Brüllstimme, wobei allerdings die Dominanz der weiblichen Vocals deutlich ausgeprägt ist und der traditionelle "Die Schöne und das Biest"-Effekt zwar als Stilmittel eingesetzt wird, allerdings keineswegs den Fokus des vokalen Schaffens bildet. Im Gegensatz zu diversen Stilgenossen besitzen Ecliptyka zudem keinen festen Keyboarder und arbeiten daher nur in den beiden kurzen Instrumentalstücken "The Age Of Decadence" (das Intro des Albums) und "Echoes From War" verstärkt mit diesem Instrument, das sie sonst nur zur gelegentlichen Akzentuierung einzelner Ideen einsetzen, etwa in "Hate" oder "Splendid Cradle". Will man Vergleichsbands benennen, so kommen einem hier und da die Russen Emerald Mind in den Sinn, aber die passendste sind vielleicht die Schweden Amaranthe, wobei man den Brasilianern keineswegs Abkupferei unterstellen darf, denn dafür sind sie schon viel zu lange dabei, auch wenn die Weltöffentlichkeit bisher noch kaum von ihnen Notiz genommen hat. Das wird sich mit "A Tale Of Decadence" wohl auch kaum ändern, denn erstens ist das Album nur als Brasilienimport zu bekommen, und zweitens krankt es an einem Problem: Die 53 Minuten lassen sich prima durchhören, aber mehr eben auch nicht. Richtig starke Songs, die man nie wieder vergißt, haben Ecliptyka noch nicht verfaßt, so daß man das Album mehr oder weniger nur als gutklassiges Ganzes in Erinnerung behalten wird. Aus dem Rahmen fällt eigentlich nur der Mini-Hit "I've Had Everything", in den Hélio Valisc, der andere Gitarrist, noch eine klare männliche Gesangslinie einbringt (er erinnert interessanterweise stimmlich ein wenig an Seraphims Kessier Hsu) und der seine Midtempostruktur mit einigen intelligenten Tempoverschleppungen garniert; zudem steuert auch hier eine Keyboardlinie ein instrumentales Hauptmotiv bei. Auch im aggressiveren Power Metal machen Ecliptyka keine prinzipiell schlechte Figur, wie gleich danach "Unnatural Evolution" klarmacht, aber in der Summe reicht das noch nicht, um sich entscheidend nach oben abzuheben, obwohl technisch wie spielfreudeseitig zweifellos keine Wünsche offenbleiben und zudem auch das Klanggewand des Albums an Professionalität nichts zu wünschen übrig läßt, sieht man mal von der eigentlich zauberhaften Ballade "Eyes Closed" ab, die im ersten Teil irgendwie fast übersteuert und kratzig klingt, was sicherlich nicht zur Stimmungserzeugung beitragen kann (bzw. nicht in der gewünschten Richtung). In struktureller Hinsicht fällt dann noch der Albumcloser "Berco Esplendido" auf, und das gleich in doppelter Weise: Erstens ist er als Bonustrack gekennzeichnet (das heißt, es dürfte Editionen geben, die mit "Eyes Closed" enden), und zweitens bedienen sich seine Lyrics dem heimatlichen portugiesischen Idiom, wobei die Musik nicht neu ist - es handelt sich um eine Neueinspielung von "Splendid Cradle". So endet ein interessantes Album einer interessanten Band, die aber noch deutlich mehr können dürfte, als sie uns hier zeigt - ergo warten wir gespannt auf Album Numero 2 ...
Kontakt: www.ecliptyka.com, www.diehard.com.br

Tracklist:
The Age Of Decadence
We Are The Same
Splendid Cradle
Fight Back
Dead Eyes
Echoes From War
Hate
Why Should They Pay?
Look At Yourself
I've Had Everything
Unnatural Evolution
Eyes Closed
Berco Esplendido
 




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