www.Crossover-agm.de EMERALD MIND: Tales Of Soveena
von rls

EMERALD MIND: Tales Of Soveena   (Eigenproduktion)

Emerald Mind wurden durchaus schon mal als "Nightwish für Arme" abqualifiziert, aber wenn man das mal zu "ärmere Nightwish" umwandelt, kommt man der Wahrheit bedeutend näher. Das Budget der russischen Band hat nämlich nicht für ein richtiges Orchester gereicht, weshalb die Streicherklänge aus der Konserve extrahiert werden mußten. Das hat Tuomas Holopainen aber früher auch so gemacht und exzellente Ergebnisse erzielen können, insofern sollte man diesen Faktor nicht überbewerten. Daß das Budget der russischen Band aber auch ohne Orchesterbelastung nur überschaubare Ausmaße angenommen hat, bemerkt man an den generellen Soundverhältnissen: alles schön klar, aber der letzte Kick fehlt irgendwie, obwohl die Rhythmusgitarren durchaus eine gewisse Unpoliertheit beibehalten haben, die dem gesamten Material einen angenehm bodenständigen Charakter verleihen. Von dieser Bodenständigkeit aus breiten Emerald Mind dann aber oft und gerne ihre Flügel aus und schwingen sich zu Höchstleistungen auf. Sängerin Swetlana erinnert mit ihrem Sopran tatsächlich an die frühe Tarja, nur mit dem Unterschied, daß die Erfahrung, was die Einbindung klassisch geprägter weiblicher Stimmen in einen sinfonischen Metal-Background angeht, mittlerweile ein Jahrzehnt Wachstum hinter sich hat, und davon können natürlich auch Emerald Mind profitieren. Andererseits positionieren sie sich durchaus mit Stolz neben den noch etwas basischeren Nightwish der Zeit um die Jahrtausendwende - man höre sich nur mal das Intro von "Winter" an, mit dem die Russen eine direkte Brücke zu den Finnen schlagen, und generell hätte dieser ganze Song auch prächtig auf "Wishmaster" gepaßt, auf "Century Child" oder "Angels Fall First" gar ein strahlendes Highlight abgegeben und nur auf "Oceanborn" vielleicht keinen der vorderen Plätze eingenommen. Aber die Russen wissen genau, was sie tun, und erreichen ihre Ziele notfalls auch auf Umwegen - diese Erkenntnis beschleicht einen schon im Opener "The Ripper". Der mutet in seiner Grundanlage nämlich wie eine der kommerziellen Nummern der holländischen Female-Fronted-Szene, also Within Temptation, Epica und Konsorten, an, nur eben in basischerer Inszenierung, bevor dann aber die Gitarren- und Keyboardfraktion im Hauptsolo vom Leder zu ziehen beginnt, überraschende Wendungen und Gefrickel kombiniert und so ein eigentümlich geformtes, aber hochinteressantes Ganzes erzeugt. Überhaupt mangelt es dem Quintett keineswegs an Einfällen, und auch wenn man sich an den einen oder anderen erst gewöhnen muß, so ereilt den Hörer doch immer irgendwann die Erkenntnis, daß hier etwas Hochklassiges entstanden ist. Nehmen wir nur wieder "Winter" her: Nach Minute 6, als die Ausgangsidee eigentlich schon ausreichend durchgeführt erscheint, zieht die Band plötzlich das Tempo an und packt noch ein furioses Klaviersolo aus, damit den Song zu einem Höhepunkt treibend, dessen Charakter durch die eigentümliche, fast gar nicht stattfindende Auflösung noch betont wird. "Gothmog" wiederum verdichtet seine Idee in gerade einmal drei Minuten - die Kombination aus fast thrashverdächtigen Stakkatoparts und einem sinistren Break packt den Hörer von vornherein bei den Hörnern. Wenn es einen Song gibt, der nicht ganz bis zu Ende gedacht wirkt, dann ist das das ebenfalls recht kurze "This Dying World", in dem keine der verschiedenen Ideen richtig bis zu Ende gedacht wirkt. "Sweet Poison" versöhnt den Hörer aber schnell wieder: Die ausladende Gitarrenmelodie im Intro zeigt wieder deutlich nach Finnland hinüber, diesmal aber nicht gen Nightwish, sondern in Richtung der ganzen Melancholierocker von HIM bis Sentenced, bevor noch eine Überraschung auf den Hörer wartet, nämlich ein Gastsänger. Allerdings zaubern Emerald Mind hier nicht das gängige "Beauty & The Beast"-Schema aus dem Hut, sondern stellen einen klassischen Bariton ans Mikrofon, der in den Strophen mit Swetlana im Wechsel singt, im Refrain dann aber gleichzeitig mit ihr, wobei er so weit in den Hintergrund gemischt wurde, daß man ihn als eigenständige Stimme kaum noch wahrnimmt, aber trotzdem einen deutlichen Unterschied zu Swetlanas Soloteilen bemerkt - auch eine interessante Strategie. Wer übrigens klassische Zitate sucht, wird auf "Tales Of Soveena" nicht fündig - auch "The Flying Dutchman" ist keine Coverversion Richard Wagners. Dafür beweist "Revenge Of Princess Olga", daß Emerald Mind auch dann überzeugen können, wenn sie sich ein Stück weit in Richtung des speedigen Italometals bewegen, wobei man sich hier und da auch etwas an das Referenzwerk des russischen Italometals, also Archontes' "The World Where Shadows Come To Life", erinnert fühlt, und das ist in diesem Kontext als absolutes Kompliment gemeint. "Lyric Of My Soul" schließt die 48 Minuten bisweilen etwas zurückhaltender, aber erneut gleichermaßen anspruchsvoll wie emotional einnehmend ab und zaubert in seinen neun Minuten Spielzeit nochmal mancherlei überraschende Wendungen aufs Tableau. Wer also die frühen Nightwish-Alben mag und auch nichts gegen eine etwas progressivere, aber von Holopainens Filmscoremetal der Neuzeit immer noch weit entfernte Herangehensweise einzuwenden hat, der könnte mit "Tales Of Soveena" (Eule, See, Papierfetzen auf dem Cover - noch Fragen?) exzellenten Stoff für seine Tonträgerkollektion finden.
Kontakt: www.emeraldmindband.com

Tracklist:
The Ripper
The Flying Dutchman
Winter
Gothmog
This Dying World
Sweet Poison
Breathless Kiss
Revenge Of Princess Olga
Lyric Of My Soul



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