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von rls

CHASKA: Pururauca   (Mythic Metal Productions)

Das Schöne am Folk Metal ist für den angloeuropäisch geprägten Hörer ja, daß man oftmals sehr originelle Resultate zu hören bekommt, wenn die betreffende Band aus einem nichtangloeuropäisch geprägten Kulturkreis stammt. Nichts gegen Bands aus Honduras, Algerien oder Malaysia, die wie Nightwish, Iron Maiden oder Slayer klingen - auch das kann interessant sein, auch solche Scheiben können zu Lieblingsscheiben avancieren. Aber sie sind in gewisser Weise austauschbar, was beim Folk Metal schon schwieriger ist, denn für diesen braucht man als Musiker ja einen möglichst direkten Zugriff auf den entsprechenden Folk, und den haben die "native musicians" naturgemäß in stärkerem Maße als die allermeisten "Externen".
Ein klassisches Beispiel für diese Theorie sind Chaska, die mit "Pururauca" ihr Debütalbum vorlegen. Das Quintett stammt aus Arequipa, einer von Fünf- und Sechstausendern umgebenen Großstadt im Süden Perus, und hat sein instrumentales Grundgerüst aus klassischem Metal mit gelegentlichem Hang zum Thrash aufgebaut. Eines der fünf Bandmitglieder widmet sich allerdings ausschließlich dem Spielen andiner Folkinstrumente aus der Saiten- und Flötenfamilie: Marcelo Huacpe bedient wahlweise Charango, Pututo, Quenas oder Zamponas, und die sind sehr vielfältig arrangiert: Sie dominieren Teile der häufigen halb- oder komplett akustischen Passagen, aber sie spielen auch mal die Leadstimme eines klassischen metallischen Unterbaus. In letztgenannter Funktion erinnert das Prozedere an die Litauer Thundertale, die einen festen Hornpipe-Spieler beschäftigten, allerdings im musikalischen Gesamteindruck eine ganz andere Schiene fahren. Chaska musizieren zum einen viel abwechslungsreicher, zum anderen vom metallischen Faktor her etwas härter, und zum dritten haben sie einen ganz anderen Sänger an Bord. Carlo Alonso Raffo, auch Kreativkopf der Band, beherrscht eine Vielzahl von Stimmlagen: dunkles Deathmetalgegrunze, herbes Gekreisch an der Grenze vom Thrash zum Black Metal, verschiedene Intensitätsstufen thrashverdächtigen Shoutings und schließlich auch noch dunklen epischen Klargesang, dessen Färbung bedarfsweise noch aufgehellt werden kann - ein wahres Multitalent, zumal er neben dem Gesang auch noch die Rhythmusgitarre beisteuert, für die Akustikgitarren verantwortlich ist und gelegentlich noch zu einem zweiten Charango greift, einem Saiteninstrument aus dem Panzer eines Gürteltiers, das im Klang ein wenig an eine Mandoline erinnert, wie man im Intro von "Achuma" schön hören kann. Interessanterweise haben Chaska den härtesten Song, "Bicolour Cannibalism", gleich an den Anfang der CD gestellt, wohl nach dem Motto "Wer den durchhält, hat auch mit dem Rest der Scheibe keine Probleme", wobei die Verwebung von Death Metal und Folk auch hier schon intensive Grade annimmt. Am anderen Ende steht der siebenteilige und fast viertelstündige Titeltrack, der eine alte Inka-Legende in Musik gießt und als einziger der Songs in Spanisch gesungen wird. In den Credits findet sich übrigens ein Punkt "Cultural advice", besetzt mit Juan Manuel Castaneda, der also offensichtlich als Fachberater Raffos fungiert, was die Folkelemente musikalischer und/oder allgemein kultureller Natur anbelangt. Und das Ergebnis rechtfertigt alle Mühen: "Pururauca" ist ein 66minütiges Gesamtkunstwerk geworden, bei dem lediglich das Coverartwork mit seinen Steinkriegern nicht ganz zu überzeugen weiß, was allerdings möglicherweise als reine Geschmackssache zu werten ist. Vergleichsbands aus dem angloeuropäischen Kulturkreis zu benennen ist praktisch unmöglich, wenngleich beispielsweise "Tuta Ch'aska" ohne die Flötenlinien als Göteborg-Death anzusprechen wäre. Wenn die frühen Skyclad Peruaner gewesen wären und zudem schon die Erfahrung im Einsatz von Folkinstrumenten besessen hätten, die sie erst im Verlaufe der ersten fünf, sechs Alben schrittweise gewonnen haben, dann hätten sie ein Album wie "Pururauca" einspielen können, und ab und zu fühlt man sich auch mal an Seventh Angel erinnert, aber das bleiben jeweils nur Momentaufnahmen. Ob in der peruanischen Szene oder in anderen Andenländern noch weitere solche eigenständigen Hochkaräter aktiv sind, bekommt selbst in der globalisierten Metalwelt der gemeine mitteleuropäische Metaller nur selten mit (auf Anhieb fallen dem Rezensenten da nur Anerhoth ein, die aber deutlich metaldominierter agieren), und deshalb ist engagierten Importeuren wie Rainer Krukenberg von www.metaleros.de zu danken, daß sie uns solche faszinierende Bands zugänglich machen.
Kontakt: www.myspace.com/tutachaska, www.mythicmetal.cjb.net

Tracklist:
Bicolour Cannibalism
A Flower Brought Me Down
Nightcalls
Nymph Of The Lake
Ashuma
Pictures
Tuta Ch'aska
Silent Notes Of Agony
Katari
Pururauca
 




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