SLAYER: World Painted Blood von rls (American/Sony)
Die Zeiten, als die halbe Metalgemeinde sehnsüchtig auf ein neues Album von Slayer gewartet hat, sind zwar spätestens seit "Seasons In The Abyss" vorbei, und im folgenden anderthalben Jahrzehnt hielt die Band zwar problemlos ihren Status als exzellenter Liveact aufrecht, verschreckte allerdings mit den Studioalben manchen Altfan etwas. Nun rollt seit einiger Zeit aber eine Revivalwelle des traditionellen Thrash Metals durch die Lande, und nachdem selbst Metallica mit "Death Magnetic" ein doch weitgehend experimentefreies traditionelles Thrashalbum eingezimmert haben, durfte man natürlich gespannt sein, ob sich Slayer dieser Linie anschließen würden. Die Antwort nach Durchhören der knapp 40 Minuten "World Painted Blood" ist ein klares Jein, und als Begründung für diese Einschätzung genügt schon der eröffnende Titelsong. Sein dramatisches Intro ruft trotz anderer Ausrichtung gewisse Erinnerungen an den Titeltrack von "Seasons In The Abyss" hervor, und danach bricht ein traditionell anmutender Polterthrashsong los, der allerdings einen modernen Mittelteil irgendwo zwischen Nu und Prog Metal eingepflanzt bekommen hat. Diese Kombination zieht sich, mal innerhalb eines Songs vereint, mal eher als Gesamtbetrachtung, durch das gesamte Material, wobei die experimentelleren Songs eher den mittleren und hinteren Teil des Albums befördern - offenbar wollten Hanneman, King & Co. doch etwas von der Geschwindigkeit des Retrozuges mit aufnehmen und die "Ich höre im Laden mal in die ersten drei Songs rein"-Fraktion dann erst zu Hause richtig überraschen, den Mittelteil des Titeltracks dann also als eine Art Wolf in einen Schafspelz steckend. Hernach folgen nämlich "Unit 731" mit kompromißlosem Speed und dem ganz leichten Punktouch, der auch schon früher manchen Slayer-Song ausgezeichnet hat, sowie "Snuff", das außer einigen kurzen Tempoverschleppungen auch keinerlei nach Modernismus riechende Elemente beinhaltet. Mit diesen beiden Songs ist auch klar, daß die Albumaufteilung zumindest nicht durchgängig den beiden beteiligten Komponisten, also den Gitarristen Hanneman und King, als Unterscheidung zuzuschreiben ist (denn "Unit 731" ist von ersterem und "Snuff" von letzterem geschrieben worden), obwohl bei einem genauen Blick schon auffällt, daß die experimentelleren Songs von Jeff Hanneman kommen. Man nehme nur "Beauty Through Order": Der Hauptteil des Songs wird von schleppenden Passagen eingenommen, die wahlweise nach New Orleans-Sumpf oder nach Wüste im Südwesten klingen, unterbrochen nur zweimal durch slayertypische Tempoattacken. Am weitesten aus dem Fenster lehnt sich "Human Strain", auch von Hanneman: Episch anmutende Cleangitarren und ziemlich sauber anmutenden Gesang, im Mittelteil gar einmal in entrückt wirkenden Cleangesang schweifend, hörte man bei dem Quartett bisher selten, und hier ist fast reiner Nu Rock Marke Nickelback und Konsorten entstanden, allerdings eine gewisse Grundhärte auch nicht unterschreitend, wofür alleine schon Dave Lombardos saftiges Getrommel sorgt. Das Einzeltonarrangement im Mittelteil ist im Schaffen der Band allerdings schon außergewöhnlich. Auch King komponiert von neueren Elementen aber nicht ganz unbeeinflußt: Die Breakdowns in "Hate Worldwide" und "Public Display Of Dismemberment" hätte es im Achtziger-Schaffen der Band in der Form sicherlich nicht gegeben, auch die Leadgitarreneinwürfe im Refrain von "Americon" können einen numetallischen Touch nicht verleugnen. Hannemans "Psychopathy Red" geht dann wieder als einer der traditionellsten Songs durch, während sein "Playing With Dolls" (zu dem es auf der DVD-Beilage der Digipackedition auch noch einen 20minütigen Film gibt) sich wieder eher an einer Kombination aus Thrash und ein wenig Nu Metal versucht. Bleibt Kings "Not Of This God" als Closer der Scheibe - auch hier vermutet man zunächst einen traditionellen Thrasher, bis der Komponist plötzlich das Tempo herausnimmt und arg heruntergestimmte Gitarren über verschleppten Drums agieren läßt - klarer Fall, er ist ja bekennender Anhänger von Korn. So versuchen Slayer, die Traditionalisten unter den Fans bei Laune zu halten, aber die Modernisten gleichzeitig nicht zu verprellen, und das ist ihnen gar nicht mal schlecht gelungen, wenngleich dabei auch keine Klassikersongs herausgesprungen sind, an die man sich auch in einer Dekade noch erinnern wird - eventuell von "Human Strain" aufgrund seiner Originalität abgesehen.
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