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Bonfire, Rebellious Spirit   28.08.2015   Dresden, Tante Ju
von rls

Dresden war, was Liveauftrittsmöglichkeiten für klassische Hardrockbands anging, lange Zeit ein problematisches Pflaster, aber das hat sich seit der Eröffnung des Liveclubs Tante Ju in einem nördlichen Industriegebiet der Stadt nachhaltig geändert, und auch der bevorstehende Herbst 2015 hält wieder einige Hochkaräter parat, sowohl bei den originalen als auch bei den covernden Bands. Ähnlich wie schon 2012 und 2014 wollte man die Herbstsaison mit einer Art Mini-Festival unter dem Titel "Die Schleife rockt!" (die Adresse des Clubs lautet An der Schleife 1) eröffnen und hatte nach dem 2014er Erfolg mit Dritte Wahl und Pothead wieder zwei vielversprechende Bands eingeladen, diesmal allerdings aus deutlich traditionelleren Gefilden. Daß das noch kein Grund für Erfolg ist, zeigt der Publikumszuspruch: Vielleicht ein halbes Hundert ist's, das sich in der Halle irgendwie etwas verliert (das gleichzeitig stattfindende erste von zwei Dresden-Abschiedskonzerten der Puhdys, mit 5000 Leuten ausverkauft, dürfte strukturell nicht gerade den günstigsten Einfluß ausgeübt haben). Aber alle Nichtdagewesenen verpassen, das sei vorweggenommen, ein richtig starkes Konzert.
Als Rebellious Spirit beginnen, ist der Füllstand der Halle noch geringer, aber die Band nimmt's sportlich, gibt trotzdem alles und schafft es, selbst Showelemente wie Mitsingspielchen, Aufforderungen zum kollektiven Mitklatschen oder ähnliches, was bei mangelnder Beteiligung schnell peinlich wirkt, eben nicht zur Peinlichkeit werden zu lassen, indem der Einsatz wohldosiert erfolgt und außerdem die wenigen Anwesenden durchaus in Feierlaune sind und die Band das auch spüren lassen. Anhand des Debütalbums "Gamble Shot" hätte der Rezensent allerdings eine deutlich traditioneller orientierte Band erwartet - das Quartett versucht indes traditionelle und moderne Rockelemente zu mischen und landet damit nicht nur Treffer, sondern durchaus auch mal zwischen den Stühlen. Kurioserweise hört man nach drei, vier Songs die Rhythmusgitarre so gut wie gar nicht mehr, so daß das gelegentliche moderne Riffing als Einflußfaktor minimiert wird. Dafür atmen die Leads durchweg 80er-Spirit, kommen auch mal doppelläufig und werten einige unauffällige Songs durchaus noch ein Stück auf. Der Sänger (der auch die knallgrüne Leadgitarre spielt) ist kein ganz Großer seines Fachs, macht seine Sache aber gut; das gelegentliche herbe Gebrüll der Backingvokalisten wird stets Geschmackssache bleiben. Offensichtlich sind die modernen Einflüsse in den Songs auf dem neuen Album "Obsession" stärker vertreten - dessen Titeltrack, der als Setcloser erklingt, schafft es jedenfalls am besten, sie mit der Traditionsorientierung zu verquicken. Auch das Debütalbum bleibt aber natürlich nicht unberücksichtigt, wobei "Lights Out", zu dem die Band auch ein Video abgedreht hat, kein UFO-Cover darstellt (Kuriosum: UFO hat der Rezensent anno 2010 an gleicher Stelle live gesehen ...). Unterhaltungswert hat das süddeutsche Quartett jedenfalls, und es erntet auch viel Applaus, aber eine Zugabe fordert dann doch niemand ein.
Bonfire sieht man nördlich des Weißwurstäquators live eher selten, und daher verwundert der geringe Publikumszuspruch einmal mehr (der relativ hohe Eintrittspreis ist allerdings auch einzubeziehen); der Rezensent hat sie noch nie live gesehen und kann daher keine Vergleiche mit den vorherigen Besetzungen anstellen. Bekanntlich ist Sänger Claus Lessmann Ende 2014 ausgestiegen, und Gitarrist Hans Ziller mußte bis auf Drummer Harry Reischmann gleich noch die komplette restliche Besetzung auswechseln. Aber die neue Mannschaft präsentiert sich erstklassig eingespielt - man hat in den wenigen Monaten, die man jetzt zusammen ist, ja auch schon ein neues Album eingespielt, und daß Gitarrist Frank Pané einige Jahre mit Harry bei Solemnity gespielt hat, hilft der Koordination sicher auch. Als Sänger wiederum hat sich Ziller David Reece geangelt - den Mann, der 1989 das Accept-Album "Eat The Heat" einsang, das bei der auf Udo Dirkschneider fixierten Fanschar durchfiel, bei neutraler Betrachtung aber ein erstklassiges Hardrockalbum darstellt. Bei Stimme ist er, soviel ist nach den knapp zwei Stunden klar, immer noch ausgezeichnet, und obwohl er sich von der Stimmfärbung her besonders in den ruhigen Passagen deutlich von Lessmann unterscheidet, gewöhnt man sich schnell an seine Stimme im Bonfire-Kontext, auch wenn man wie der Rezensent das neue Album noch nicht kennt. Selbiges nimmt erwartungsgemäß einen breiten Raum in der Setlist ein, aber die Qualität vieler der Songs rechtfertigen diese Wahl auch - zu überzeugen wissen besonders das epische "Shooting Star" und der hymnische Titeltrack, den die Band selbstbewußt gleich nach dem Titeltrack ihres Debütalbums, "Don't Touch The Light", spielt, eine Konstellation ihrer "Nachbarn" von der Münchener Freiheit antizipierend (Zauner & Co. hatten eine Zeitlang immer ihre aktuelle Single und gleich danach ihre allererste Single "Zeig mir die Nacht" im Set). Dazu kommt natürlich ein Klassikerfeuerwerk, wobei allerdings Liebhaber der Ziller-losen Alben wiederum natürlich nur bedingt auf ihre Kosten kommen ("Hard On Me", "Sword And Stone"). Dem Rezensenten ist's freilich recht, seine Lieblingswerke "Don't Touch The Light" und "Fireworks" besonders intensiv bedacht zu sehen, gehören diese doch zum Feinsten, was der deutsche Hardrock in den Achtzigern hervorgebracht hat, und in den Livedarbietungen dieses Abends demonstrieren sie wieder einmal, was für eine Lebensfreude von dieser Art Musik ausgehen kann. Die enorm spielfreudige Band trägt natürlich ihr Scherflein bei: Pané ist ein ebenso erstklassiger Leadgitarrist wie Ziller, und die beiden duellieren sich immer wieder auf freundschaftliche Art und Weise zum Besten der Songs und der Stimmung, sich als prima eingespieltes Duo erweisend, auch wenn Pané bisweilen so in Spiellaune gerät, daß er den rechtzeitigen Weg zurück zu seinem Backingmikro verpaßt. Außer dem Drummer singen übrigens alle anderen Mitglieder Backings - Reischmann dagegen zeigt sich für Showeffekte der besonderen Art zuständig und wird nicht umsonst von Reece als "Animal" vorgestellt. Sein Drumsolo ist auch musikalisch nicht von schlechten Eltern (diverse Polyrhythmik muß man erstmal hinbekommen), aber er jongliert dann teilweise auch noch mit drei Drumsticks (alte Fritz-Randow-Zeiten bei Victory lassen grüßen) oder wirft sich mit einem Roadie die Sticks zu. Das sorgt nicht nur bei dem äußerst attraktiven großen dunkelhaarigen weiblichen Wesen zwei Meter links des Rezensenten für beste Laune, sondern auch beim Rest des feierfreudigen Publikums, das das Drumsolo eben nicht wie sonst üblich als willkommene Gelegenheit zum Aufsuchen des Bierstandes oder der Toiletten "mißbraucht". Ein Gitarrensolo außerhalb des Songkontextes gibt es hingegen nicht, dafür ein unbetiteltes Instrumentalstück inmitten des Klassikerfinales des regulären Sets, das Ziller und Pané weitere Gelegenheiten verschafft, auf ihren Instrumenten zu zaubern. Selbiges Klassikerfinale besteht übrigens aus "S.D.I.", "Sweet Obsession" und "Ready 4 Reaction" und erzeugt natürlich intensive Zugabewünsche beim Publikum, welchselbige mit der zweiten der klassischen Halbballaden, nämlich "You Make Me Feel" ("Give It A Try" hatte schon im regulären Set gestanden), erfüllt werden. Danach vielleicht noch "Starin' Eyes"? Nein, diesen heimlichen Wunsch des Rezensenten erfüllt ihm die Band dann doch nicht, sondern packt noch "Sweet Home Alabama" dazu, das schon etliche Jahre die Bonfire-Setlisten bevölkert und trotz seines Eigentlich-Totgespielt-Status auch an diesem Abend wieder Spaß macht. Eine erstklassige Hardrockshow (bei prima Soundverhältnissen übrigens) einer Band, die nach dem jüngsten Umbruch viele vielleicht schon abgeschrieben hatten, die aber bewiesen hat, daß mit ihr auch im 43. Jahr des Bestehens (zählt man den Vorläufer Cacumen mit) noch zu rechnen ist und auch im 44. Jahr noch zu rechnen sein wird - schon im Frühjahr 2016 soll, so die Ankündigung von Schnellsprecher Reece (man hat bisweilen leichte Schwierigkeiten, seine Ansagen zu verstehen), nämlich das nächste Album erscheinen.

Setlist Bonfire:
21 Guns
Nothing At All
Never Mind
Hard On Me
Don't Touch The Light
Glörious
Remember
Shooting Star
Sword And Stone
Give It A Try
Drumsolo
American Nights
Can't Break Away
S.D.I.
Instrumental
Sweet Obsession
Ready 4 Reaction
--
You Make Me Feel
Sweet Home Alabama



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