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UFO, 7ieben   08.05.2010   Dresden, Tante Ju
von rls

21 Uhr weist die Homepage des Clubs Tante Ju, einer Montagehalle im Industriegebiet an der Königsbrücker Straße an der nördlichen Peripherie Dresdens, als Anstoßzeit für diesen Gig aus, und der Rezensent ist kurz vor 21 Uhr da - aber da spielen 7ieben bereits ihren vorletzten Song. Das ist schade, denn vom knochentrockenen, leicht alternativ angehauchten Hardrock der Dresdner hätte man durchaus gerne noch mehr gehört, auch um zu ergründen, ob die in den gehörten anderthalb Songs eher basische Herangehensweise auch auf größere Distanz funktioniert. Das Quartett hat nur einen Gitarristen, und der beschränkt sich im Wesentlichen auf Riffing, allerdings solches bisweilen etwas angeschrägter Manier, wozu sein trommelnder Kollege auch gerne mal vom gängigen Vierviertelbeat abweicht. Der Sänger wiederum spielt in den Songs den totalen Psychopathen, der auch gerne mal deathmetallisch ins Mikro brüllt, stellt aber zurückhaltend-freundliche Ansagen daneben. Gesungen und gebrüllt wird übrigens in deutscher Sprache, mit der die Texterfraktion zumindest in diesen anderthalb Songs durchaus umzugehen versteht, ohne allzu platt oder aber allzu kopflastig zu werden. Das Publikum läßt sich durch die Tatsache, daß 7ieben stilistisch doch ein gewisses Stück vom Headliner entfernt zu verorten sind, nicht stören und spendet mehr als nur freundlichen Applaus.
Aber die 30 Euro hat man natürlich wegen etwas anderem bezahlt, nämlich wegen dem Unidentifizierten Flugobjekt, das nach einer etwas weniger als halbstündigen Umbaupause einschwebt und seinen Set mit "Let It Roll" beginnt. Im Verlaufe der nun folgenden anderthalb Stunden werden diverse Dinge klar. Erstens: Andy Parker an den Drums vollbringt eine hervorragende Energieleistung, die seinem jüngeren "Ersatz" Jason Bonham in nichts nachsteht. Zweitens: Pete Way ist noch nicht wieder an den Baß zurückgekehrt, sein Ersatz wird von Phil Mogg nicht vorgestellt und ist offensichtlich erst für diesen Teil der Tour zum bereits im Frühjahr 2009 erschienenen Album "The Visitor", zu dem es bereits im Mai/Juni 2009 erste Touraktivitäten gegeben hatte, angestellt worden, ansonsten hätte er wohl kaum mit Notenständer auf der Bühne gespielt. Drittens: Paul Raymond wechselt immer noch vom Keyboard zur Gitarre und zurück, ist auch für die oft überraschend hohen Zweitgesänge verantwortlich, war seit mindestens 30 Jahren nicht beim Friseur und wird akustisch immer ein klein wenig untergebuttert. Viertens: Phil Mogg ist gesanglich in bestechender Spätform, was man ja bereits anhand des Studiomaterials ahnen konnte: Das Reibeisen hat über weite Strecken einer immer noch relativ energischen, aber feiner geschliffenen Stimme Platz gemacht, wobei er sich von Extremen ja schon früher ferngehalten hat. Darüber hinaus hat er offensichtlich aber auch prima Laune, vergleicht ein Mädel in Reihe 1 mit Drew Barrymore, setzt einen Biertest an oder erklärt seine eigenartigen, an einen verirrten Gymnastikschüler erinnernden Bewegungen während der teils sehr ausgedehnten Instrumentalparts damit, daß er am Nachmittag im Fernsehen Videos von Beyoncé und Lady GaGa gesehen habe. Fünftens: Vinnie Moore ist ein Könner an der Gitarre, und er liebt es offensichtlich auch, das zu zeigen. Die Paarung "Gitarrenheld plus urbritische Arbeit" funktioniert dabei oftmals erstaunlich gut, macht in etlichen der wilden Soli sogar einen Heidenspaß, und nur an einigen Stellen, beispielsweise im Schlußteil des epischen "Love To Love" (einer der Höhepunkte des Sets), beschleicht einen beim Hören das unbestimmte Gefühl, hier habe Michael Schenker, mit dem sich jeder andere UFO-Gitarrist vergleichen lassen muß, es doch geschafft, mit weniger Noten mehr auszusagen. Daß Moore allerdings einen völlig anderen Background als die anderen Musiker besitzt, wird am Beginn des Zugabenblocks deutlich: Parker kommt mit etwas Verspätung als letzter wieder auf die Bühne, und Mogg beginnt daraufhin spontan einen alten Blues zu intonieren, dessen Quintessenz auf die Formel "I'm The Drummerman" zu bringen ist. Parker steigt ein, sobald er hinter seinem Instrument angekommen ist, und die anderen Musiker beginnen, diesen Song als Jamsession zu spielen. Der neue und unerfahrene, nach Noten spielende Basser schüttelt diese Jamsession so locker aus dem Handgelenk, als täte er tagtäglich nichts anderes - Moore dagegen hinterläßt einen überraschten und eher hilflosen Eindruck, den er mit ein paar Licks mehr notdürftig überspielt. Dieser kleine Problemfall ist für die eigentlichen Songs allerdings glücklicherweise nicht von praktischer Bedeutung, und mit dem ausufernden Solo in "Rock Bottom" wetzt der Gitarrist diese kleine Scharte locker wieder aus, nachdem er zuvor in "Doctor Doctor" eher unauffällig agiert hatte. Mogg entwickelt während des Sets einen Heidenspaß an dem Running Gag, alle möglichen Songs als vom neuen Album "The Visitor" stammend anzusagen, u.a. auch das uralte "Mother Mary"; unterm Strich stellt der neue Diskus in Wahrheit drei: das flotte "Hell Driver", den Albumopener "Saving Me" und das abwechslungsreiche "Stop Breaking Down", allesamt sich problemlos in den Set einfügend und auch vom Publikum durchaus nicht nur pflichtschuldig beklatscht. Einzig "Ain't No Girl" kommt etwas zu unauffällig rüber und hätte nicht unbedingt im Set auftauchen müssen, aber auch hier erschallt mehr als nur freundlicher Applaus aus dem Publikum, das sich offensichtlich in Feierlaune befindet und in dieser Absicht von der spielfreudigen Band, in der man den Bassisten durchaus nicht leiser gedreht hat, auch durchaus bestärkt wird. Der Motor des Flugobjektes läuft also immer noch und muß vom Musiker-TÜV noch keineswegs aus dem Verkehr gezogen werden.



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