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Full Metal Osthessen   16.02.2013   Niederjossa, DGH
von tk

Der Flyer zur Veranstaltung
Wie gerne bin ich bei Festival-Premieren zugegen, halten sie doch in der Regel das Unverhoffte und Unerwartete (zumeist positiver Natur) bereit. Beim Start des FMO anno 2012 musste ich allerdings Grippe-bedingt absagen, daher feierte ich "meine" Premiere erst in diesem Jahr. Nachdem ich das letztjährige Elements Of Rock und somit die NWoBHM-Legende STAIRWAY verpasst hatte, freute es mich natürlich außerordentlich, dass sie das diesjährige FMO als Headliner anführten und mit Jutta Weinhold (Ex-ZED YAGO) und der Allstar-Powermetalcombo SINBREED exzellente Vertreter der metallischen Zunft im Schlepptau hatten. Zudem konnten die Veranstalter mit den Saar-True-Metallern MESSENGER und der Band des ehemaligen RUNNING-WILD-Gitarristen Gerald "Preacher" Warnecke, THE GATE, zwei angesagte Acts des deutschen Undergrounds verpflichten, so dass einem Abend der gepflegten Haarschüttel-Kultur im Full Metal Village Niederjossa nichts im Wege stand.

Thornbridge  Headbanger
Am Abend zuvor rockten beim Warm-Up schon die Coveracts THUNDERSHOT und TAKE FIVE die Bühne, die nach Auskunft einiger Besucher für die ersten durchnässten T-Shirts gesorgt haben sollen. Den Metalreigen des samstäglichen Abends eröffneten die Gewinner des FMO-Bandcontests THORNBRIDGE, die mit ihrer Mischung aus melodischem Powermetal und NWoBHM gleich ein paar dicke Ausrufezeichen setzen konnten. Die Melodieführung, die knackigen Riffs a la MAIDEN und der dynamische Gesang konnten auf ganzer Linie überzeugen. Die jungen Nachwuchsbanger aus dem Main-Kinzig-Kreis dürften an diesem Abend eine Menge neuer Anhänger hinzugewonnen haben.

Fly's Motel
Nachfolgend enterten die Lokalmatadore FLY'S MOTEL die Bühne. Mit ihrem punkig angehauchten, leicht psychedelischen Rock 'N Roll, dem auch mal die ein oder andere Covernummer entsprang, konnten sie das Publikum aber nicht so recht begeistern, so dass sie mit ihren Songs lediglich Höflichkeitsapplaus ernteten. Zudem wirkte die Performance samt Ansagen von Sänger/Basser Chris Price, der nebenher auch noch als Chorleiter tätig ist, doch etwas schräg bis unbeholfen. Bei einem Punkrock-Festival würden die Rotenburger sicherlich mehr Zuspruch erfahren, zu einem klassisch metallisch ausgerichteten Event passen sie stilistisch aber eher nicht.

The Gate  The Gate
Letzteres kann man von den Andernachern THE GATE nun wirklich nicht behaupten. Der rotzige Teutonenstahl mit - logischerweise - markanter RUNNING-WILD-Schlagseite zündete vom ersten Akkord an. Die Band um Gerald "Preacher" Warnecke, der schon als Theologiestudent bei RUNNING WILD in den frühen 1980ern die Saiten zupfte, zeigte dem Publikum, wie midtempolastiger Bangerstoff gespielt werden muss. Die knarzigen gedoppelten Gitarrenriffs und der rotzige Gesang von Sven Steinert ließen die Kuttenträger erstmals richtig ausrasten, die mit den Songs des bisher einzigen veröffentlichten Albums "Earth Cathedral" wohl sehr vertraut waren. Die Songs kamen druckvoll und mit einem superben Livemix über den Äther, so dass auch soundtechnisch das Optimum geboten wurde. THE GATE untermauerten mit diesem Gig ihren Ruf als exzellenter Liveact und demonstrierten, warum man im Heavy Metal auf Trend-anbiedernde Elemente gut und gerne verzichten kann.

Messenger  Messenger

Messenger
Nach dem Change Over wurde es truemetallisch, wie es truemetallischer nicht hätte werden können. MESSENGER aus dem Saarland drückten das Klischee-Gaspedal voll durch und boten eine Show vom Feinsten, die auch einige Überraschungsmomente bereithielt. Bühnenperformance, Gestus und Aura solcher Combos sind einem ja bestens von MANOWAR und Konsorten bekannt, allerdings überraschten MESSENGER dann doch mit hoher spieltechnischer Qualität und einem Sänger, der den ganz Großen des Genres durchaus das Wasser reichen kann. Kollektives Matteschütteln und "Raise The Fist" in allen truemetallischen Variationen war schon mit den ersten Akkorden des Titeltracks vom aktuellen Album "See You In Hell" angesagt. Siggi Schüßler lebt den True Metal und prägte mit seinen hohen kraftvollen Vocals die Show, die von leidenschaftlichen Riffs und Schlachtgesängen eingerahmt wurde. Fester Bestandteil einer MESSENGER-Bühnenshow ist inzwischen das livehaftige "Köpfen" einer als DJ präparierten Schaufensterpuppe, das man gemäß des Tracks "Kill The DJ" als spaßigen Effekt eingebaut hat. Die Headbanger vor der Bühne gaben alles und feierten ihre Helden gebührend ab. Angesichts der musikalischen Qualitäten des Fünfers, ihrem lockeren und augenzwinkernden Umgang mit dem Genre und des exzellenten instrumentellen Zusammenspiels muss ich der Band bescheinigen, dass sie definitiv zur Speerspitze der Truemetal-Bewegung zu zählen sind.
Setlist MESSENGER
Source Of Power (Intro)
See You In Hell
Titans
Prophecy
Make It Right
Kill The DJ
Dragonships
Final Thunder
Metal Day

Sinbreed  Sinbreed

Sinbreed
Besonders gespannt war ich auf den Auftritt von SINBREED. Sänger Herbie Langhans ist nach dem Split von SEVENTH AVENUE, so traurig er auch für einen langjährigen Fan wie meinereiner sein mag, und nach dem Einstieg bei den Proggies BEYOND THE BRIDGE voller Tatendrang und zeigte einmal mehr, dass er sich inzwischen zu einer wahren Frontsau entwickelt hat, zudem ohne Gitarre logischerweise wesentlich bewegungsfreudiger agiert. Mit der Verpflichtung von Marcus Siepen als Rhythmusgitarrist hat sich Bandgründer Flo Laurin einen weiteren BLIND GUARDIAN-Musiker an Land gezogen. Die Band überzeugte mit technisch anspruchsvollem Spiel und professionellem Stageacting. Neben den Tracks vom "When Worlds Collide"-Album Songs kredenzte man dem Publikum auch den neuen Track "Reborn", mit dem die Band ihren eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzt und schnörkellosen Melodic-Power-Speedmetal der Güteklasse A fabriziert. Warum man aber gerade beim Auftakt zum abschließenden Rausschmeißer "Book Of Life" auf Synthesizer-Einspielungen statt auf Gitarrenakkorde zurückgegriffen hat, wird wohl nur die Band selber wissen. Was SINBREED vielleicht noch fehlt, ist die große Magie, wie sie BLIND GUARDIAN oder AVENUE auf die Bühne bringen und brachten. Angesichts einer Spielzeit von 45 Minuten und eines doch eher auf Midtempo eingestellten Publikums hat man aber dennoch überzeugen und eine exzellente livehaftige Duftmarke setzen können.
Setlist SINBREED
Intro
Through The Dark
Newborn Tomorrow
Enemy Lines
When Worlds Collide
Arise
Dust To Dust
Reborn
Book Of Life

Jutta Weinhold Band  Jutta Weinhold Band

Jutta Weinhold Band  Jutta Weinhold Band
Der gefühlte Headliner des Abends hieß aber eindeutig JUTTA WEINHOLD samt Band. Die charismatische Sängerin, die nicht ohne Grund als der weibliche Ronnie James Dio bezeichnet wird, präsentierte mit ihren Mitstreitern der versammelten Bangerschar ein knapp 70-minütiges Programm, welches das Prädikat "magisch" verdiente. Ich muss zugeben, dass ich Jutta eher noch aus ihrer wilden 1970er Schlagerzeit her kenne und ihren metallischen Weg bei VELVET VIPER und ZED YAGO Ende der 1980er nicht verfolgt habe, was der Veröffentlichungsflut großartiger Metalplatten dieser Epoche geschuldet ist. Die Songauswahl war exzellent und der als Dramatic Metal titulierte Stil des Quintetts traf den Nagel sprichwörtlich auf den Kopf. Während die betagten Herren der Saitenfraktion mörderische Riffs am Fließband produzierten, unterstrich Jutta diese immer wieder mit ausladenden Gesten und prägnantem Minenspiel. Songs wie "Zed Yago" und "Queen And Priest" rissen an diesem Abend wirklich jeden mit. Nachdem sich der Zeitplan schon mächtig nach hinten verschoben hatte, gewährte der Veranstalter der großartigen Combo dann doch noch eine Zugabe ("Black Bone Song"), zu der auch "Preacher" Gerald, diesmal im amtlichen Piratenoutfit, die Bühne enterte. Hier verschmolzen Musiker und Publikum zu einer brodelnden Hybris, die es wohl nur auf solchen kleinen Festivals geben kann. An der Grand Dame des Rock und Metal Jutta Weinhold können sich sämtliche Casting-Sternchen eine dicke Scheibe abschneiden. Ganz großes Kino.
Setlist JUTTA WEINHOLD BAND (ohne Gewähr)
Intro Valkyrie
Valkyries
Beacon Light
Modern Knights
Merlin
Master Of The Ring
Rebel Ladies
Revenge
Highland Queen
Zed Yago
The Spell From Over Yonder
Queen And Priest
United Pirate Kingdom
Horsewoman
Fear Of Death
--
Black Bone Song

Stairway  Stairway

Stairway  Stairway
So sehr ich mich nun auf STAIRWAY freute, musste man doch nüchtern konstatieren, dass die Mannen aus Warwickshire die Show von Jutta Weinhold nicht mehr toppen konnten, was gleich einer doppelten Tragik gleichkam. Zum einen feiert die Band in diesem Jahr ihr 35-jähriges Bestehen und hatte sich angesichts des 20-jährigen Erscheinens ihres Meilensteins "No Rest, No Mercy" viel vorgenommen. Somit war es sehr schade, dass zu vorgerückter Stunde nur noch ein paar Nasen im DGH die bangende Stellung hielten, während ein Großteil der Besucher schon die Heimreise angetreten hatte. Sie dürften sich im Nachhinein aber mächtig geärgert haben, denn STAIRWAY zogen alle Register ihres Könnens und präsentierten eine Old-School-Hardrock/-Metalshow vom Allerfeinsten. Da Basser Rob Jennens schon vor einigen Jahren die Band aus privaten Gründen verlassen hatte, hat Sänger Graeme Leslie nun den Basspart übernommen, so dass sich Pete an der Sechssaitigen nach Belieben austoben konnte. Die Setlist, die den hier schreibenden Rezensenten mächtig in Wallung brachte, war denn auch ganz auf das superbe Debütalbum zugeschnitten. Gerade solche schnelleren Dampfhämmer wie "Bondage" und "Fly With The Spirit" sind NWoBHM in Reinkultur und entfesseln diesen unnachahmlichen Spirit, den Fans dieser Spielart des Metal so lieben. Neben den bluesigen Epik-Hymnen "Stop The Pain" und "Red Alert" servierte das Trio auch einige Coversongs, u.a. DEEP PURPLEs "Black Night". Mit dem QUEEN-Klassiker "Tie Your Mother Down" ehrte die Band ihren langjährigen Freund und Labelchef John Pac, der das Kingsway-Label gründete, auf dem auch das Debüt der Band erschien. Als erste Zugabe kredenzten uns die drei Recken den Mitmach-Banger "Anybody There" und zum krönenden Abschluss als Hommage an Gary Moore "Wishing Well". STAIRWAY sind auch als Trio eine Macht und können mit ihren Songs und ihrem typisch britischen Flair eine Stimmung von der Bühne zaubern, wie sie oldschooliger kaum sein könnte. Diese Show hätte wesentlich mehr Publikum verdient gehabt.
Setlist STAIRWAY
Battle Of Heaven
Under The Gun
Spirit Of Guilt
Black Be The Night
Lead Us
Stop The Pain
And The Righteous Shall Be Saved...!
Red Alert!
Bondage
Black Night
Tie Your Mother Down (John Pac Dedication)
Walk Away
Fly With The Spirit
Death & Destruction
Great Whore Of Babylon
Souls Of Zion
What Lies Within
--
Anybody There
Wishing Well

Fazit:
Ein dickes Dankeschön geht an Andreas Pfeiffer & die gesamte Cross-Music-Crew für den reibungslosen organisatorischen Ablauf eines durch und durch gelungenen Festivals. Es hat sich wieder einmal herausgestellt, dass "kleinere Brötchen backen" oftmals einen wesentlich nachhaltigeren Effekt erzeugt, insofern darf man darauf hoffen, dass sich das Full Metal Osthessen in den nächsten Jahren an selbiger Statt fortsetzen und etablieren wird. Fanfreundliche Preise, eine heimelige Wohnzimmeratmosphäre und Musiker, die sich wie selbstverständlich unters Publikum mischten, trugen zusätzlich dazu bei, dass man als Fan gepflegter Metalkultur einen mehr als nur unterhaltsamen Abend verleben konnte.

Fotos: tk



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