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Zdob Si Zdub   21.02.2012   Leipzig, Werk 2
von rls

Das Tanzbein des Rezensenten ist in den letzten Monaten doch relativ häufig beansprucht worden: Panos, Russkaja, Schandmaul, Hubert von Goisern - und nun beehren Zdob Si Zdub einige Clubs der Republik. Die hatten 2008 mit "Ethnomecanica" eines der interessantesten Alben des Jahrgangs herausgebracht, aber der Rezensent hatte das Kunststück fertiggebracht, sie gleich zweimal im sächsisch-thüringischen Raum zu verpassen. Statt dessen analysierte Kollege Christian den Jena-Gig, stellte eine prozentuale Mixturrechnung des originellen Sounds der Kapelle auf ("40% Ska, 20% Rock, 10% HipHop, 30% Folk, 0% Heavy Metal") und beschloß sein Review mit der Zusammenfassung "Das ist perfekte Hüpfmusik!"
Nun, an diesem Abend in Leipzig gestaltet sich das Bild trotz unveränderter Besetzung ein klein wenig anders: Der Anteil von 0% Heavy Metal steigt nämlich ein klein wenig an - Gitarrist Stanislav entlockt seinem Instrument die eine oder andere zupackende Tonfolge mit zumindest Metalverdacht. Dafür sinkt der HipHop-Anteil, wogegen der Rezensent bekanntermaßen nichts einzuwenden hat, was allerdings auch dazu beiträgt, die Gewichtung der geeigneten Bewegungsmuster im Publikum ein wenig zu verändern. Hüpfkompatible Passagen erschallen zwar nach wie vor reichlich, aber der Polkaschritt wäre zumindest hier und da durchaus als geeignete Grundform ebenfalls durchgegangen. Mal abgesehen von der Tatsache, daß Zdob Si Zdub das Publikum sowieso gerne vor eine schwierige Aufgabe stellen: Wie zur Hölle soll man zu einigen der zwar groovigen, aber in völlig abstruse Taktarten abdriftenden Passagen das Tanzbein schwingen? Erstaunlicherweise findet man aber quasi automatisch und ohne nähere Analysen, was denn da jetzt gerade erklingt, irgendwie doch eine geeignete Variante, und die vordere Hallenhälfte erfreut sich daher anderthalb Stunden großer Bewegungsbeliebtheit. Schlecht für die Einnahmensituation, aber gut für die Auslebung des Bewegungsdranges: Halle D ist wie schon vier Monate zuvor bei Russkaja eher übersichtlich gefüllt, so daß Raum für Bewegungsaktivitäten bleibt, ohne daß man jeden Moment aufpassen muß, um nicht der niedlichen asiatischstämmigen Dame rechts einen Nasenstüber zu verpassen oder der nicht weniger niedlichen enthusiastischen Dame im roten Kleid, die überall und nirgends zugleich zu sein scheint, unfreiwillig in die Parade zu fahren. (Interessantes Detail: Letztgenannte Person schafft es, mehr als anderthalb Stunden in Absatzstiefeln durchzutanzen - sachdienliche Hinweise über den Zustand der Hintergliedmaßen nach dieser Belastungsprobe bitte an den Rezensenten.)
Zdob Si Zdub haben ein neues Album namens "Basta Mafia!" draußen, und erwartungsgemäß stellt dieses auch einen gewissen Teil der Setlist, wenngleich man durchaus seine Schwierigkeiten mit der Identifizierung hat - mancher Song existiert nämlich in verschiedenen Sprachversionen, und so kommt es schon mal vor, daß man im Publikum fröhlich den englischen Refrain des "Cosmic Song" mitsingt, während Sänger Roman Iagupov diesen in einer ganz anderen Sprache intoniert. Geradezu babylonische Ausmaße nimmt das Sprachgewirr dann in den Ansagen an: etwas Englisch, viel Russisch, ein paar Brocken Deutsch und eine Portion Rumänisch oder Moldawisch (unterscheide das, wer's kann) - aber das bildet die eklektizistische Herangehensweise Zdob Si Zdubs perfekt ab, und Roman freut sich sichtlich über die vielschichtige Zusammensetzung des Publikums, denn offensichtlich sind etliche Nachkommen russischer Aussiedler im Publikum, die es sichtlich besonders genießen, ein Stück östliche bzw. südöstliche Kultur dargeboten zu bekommen. Die Instrumentenzusammensetzung hat sich gegenüber der letzten Tour geringfügig gewandelt: Zur klassischen Rockbesetzung kommen nach wie vor ein Posaunist und ein Trompeter, aber erstgenannter hat diesmal sein Glasrohr zu Hause gelassen und greift nur gelegentlich mal zu kleinen Hirtenflöten, während letztgenannter diesmal noch einen Dudelsack mit ins Gefecht führt, der nur den Nachteil hat, daß er arg laut abgemischt ist und so für eine ungesunde Erhöhung der Gesamtlautstärke sorgt. In der Ansage zu "Dunarea", einer Hymne auf die Donau, geht Roman auf die Konzerte mit Hubert von Goisern ein, aber auf die Speed-Metal-Version von "Koa Hiatamadl" verzichtet die moldawische Band an diesem Abend, die sich auch erstaunlich früh vom Publikum verabschiedet, das aber mit sieben (!) Zugabesongs wieder kompensiert, so daß unterm Strich doch eine reichliche anderthalbe Stunde Spielzeit rauskommt, an deren Ende man reichlich durchgeschwitzt, aber glücklich ist, auch wenn man den dreifachen (!) Circle Pit während des traditionellen rumänischen Tanzliedes "Codrii", in dessen Zentrum Roman steht, nein, singt und tanzt, im ersten Zugabenblock nur von außen verfolgt hat. Daß der erste Zugabenblock ausschließlich aus Liedern besteht, deren Titel mit C anfangen, geht als randständiges Kuriosum eines äußerst unterhaltsamen Gigs in die Statistik ein, und nach der siebenten Zugabe verabschieden sich Sänger Roman, Bassist/Hauptsongwriter Mihail und ihre Spießgesellen zu den Konservenklängen von "Highway To Hell", die manche Enthusiasten noch zum Headbangen nutzen, damit dem sowieso schon vielschichtigen Gig noch eine weitere Facette verleihend.

Setlist (in der Schreibweise der Band):
Fluier
Italia
Notsch
So Lucky
Mioriza
Hora
Rocisa
Dunarea
Nunta
Mafia
FSSO
Zdubii
Boonika
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Ciocirlia
Cimpoi
Codrii
Cuculetul
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DJ
Buna
Every



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