www.Crossover-agm.de ZDOB SI ZDUB: Ethnomecanica
von rls

ZDOB SI ZDUB: Ethnomecanica   (Lawine/BMG)

Bands aus Moldawien gehören nicht zu den alltäglichen Erscheinungen im mitteleuropäischen Musikgeschäft, und insofern ist Hubert von Goisern zu danken, daß er Zdob Si Zdub auf seiner Linz Europa Tour livehaftig vorstellte und seine Labelmenschen in einen so begeisterten Zustand versetzte, daß sie das in einem fast fünfjährigen Zeitraum aufgenommene Material als "Ethnomecanica"-CD herauszubringen willig waren. Der CD-Titel sagt schon etwas über die Herangehensweise der Band aus, denn die Moldawier verknüpfen auf geschickte Weise traditionelle Elemente ihrer eigenen Musikkultur sowie der benachbarten ukrainischen und rumänischen (samt entsprechenem originalem Instrumentarium, das im Booklet dem Nichtkundigen auch ausführlich vorgestellt wird, ebenso Tanzformen etc.) mit westlich geprägter Musik einerseits aus dem Rock-, andererseits aus dem Skabereich, wobei der Rockfaktor insgesamt dominiert. Immerhin hat die Band aber auch einen festen Trompeter und einen festen Posaunisten in der Besetzung, dazu eine reguläre Rhythmusgruppe und einen Sänger, der nebenbei auch noch andere Instrumente wie die aus dem russischen Kulturkreis bekannte Okarina spielt (die drei letztgenannten Personen gehörten übrigens schon zur Gründungsbesetzung der Band in den Frühneunzigern) - das CD-Booklet gibt dagegen keinen festen Gitarristen, sondern lediglich vier Gastgitarristen an, während das Bandfoto im Begleitmaterial einen Gitarristen als sechstes Bandmitglied zeigt, der auch für Livearbeit zwingend notwendig ist, denn die elektrische Gitarre, mal verstärkt und mal nicht, spielt im Gesamtsound der Band schon eine entscheidende Rolle. Der klingt dann irgendwie, als wären Rage Against The Machine und System Of A Down Moldawier - für erstgenannte Band hat die Truppe auch schon eröffnet, und sie gilt generell als eine sehr starke Liveband, was den Rezensenten verzweifeln läßt, dem völlig entgangen ist, daß sie erst kürzlich auch in Leipzig gespielt haben, also fast vor seiner Haustür. Aber so aktiv, wie die Jungs an der Livefront sind, wird es sicherlich zu weiteren Gelegenheiten kommen zu prüfen, ob sie mit ihren Stilkollegen Kulturshock mithalten können, wenngleich diese einflußtechnisch auf dem Balkan etwas weiter südlich und westlich angesiedelt sind. Dafür werfen Zdob Si Zdub den russischen Kulturkreis mit in die Waagschale, wo sie mittlerweile ebenfalls äußerst populär sind; nicht umsonst haben sie "Widjeli Notschi" von Kino (natürlich den russischen Kino, nicht etwa den britischen um John Mitchell!) gecovert, das hier "This Is The Night" heißt und zwischen fröhlich-folkiger Tanzbarkeit in den Instrumentalparts und dem Refrain sowie einer eher verhaltenen, zum Feuerzeugschwenken animierenden Strophengestaltung geschickt pendelt. Im Kontrast dazu ist "Battuta" (knapp zwei Minuten) reiner Speedfolk, und "Hardcore Moldovenesc" bringt die Mixtur der Band programmatisch zum Ausdruck. "Intro Joc" wiederum klingt wie eine Osteuropa-Version des AC/DC-Intros zu "Thunderstruck". Das Highlight der CD aber steht gleich als Opener zur Prüfung an: Mit "Cosmic Song" ist ein gewaltiger, aber immer eleganter und hymnischer Midtemporocker mit einem Refrain von den Ausmaßen eines mittleren Schwarzen Lochs entstanden, der etwa das komplette mittlere Schaffen von Monster Magnet zum Witz degradiert und trotz völlig anderer stilistischer Herangehensweise (natürlich sind auch hier die ethnischen Elemente unverkennbar) in einer gerechten Welt gleichberechtigt neben Europes finalem Countdown angesiedelt werden müßte, wenngleich man zugegebenermaßen einige Anläufe braucht, um sich in Roman Igapugows englische Aussprache genügend weit hineinzuversetzen. Generell pendeln die Lyrics zwischen Englisch und Rumänisch mit moldauischem Akzent, nicht selten auch innerhalb eines Songs, und Track 15 fügt noch eine alpine Sprache hinzu - Hubert von Goisern hat es sich nicht nehmen lassen, mit seinen Bandmitgliedern auf der Coverversion seiner eigenen Adaption von "Koa Hiatamadl" zu gastieren (man höre und staune: Selbst diese Mixtur mit Akkordeon und Gejodel über einem Metalbrett funktioniert). Bleibt zu hoffen, daß Zdob Si Zdub die Brücken nach Mitteleuropa weiter nutzen können - immerhin wurden Teile des Albums auch in Frankfurt aufgenommen und der erwähnte "Cosmic Song" in Hamburg endveredelt, nämlich im Studio von Jan Rubach, aus der Mittneunziger-Besetzung von Gamma Ray bekannt. "Ethnomecanica" scheint das erste der Zdob Si Zdub-Alben zu sein, das regulär hierzulande veröffentlicht wird, und es hat offenbar Best Of-Charakter, denn "Hardcore Moldovenesc" und "This Is The Night" beispielsweise stammen aus völlig verschiedenen Schaffensphasen der Band, die laut Begleitmaterial anno 2003 mit "450 Sheep" bereits ihr viertes Album herausbrachte, übrigens bei Warner Austria, aber nur in der Slowakei (!) veröffentlicht und nicht im Mutterland. Da hat wohl jemand ganz schlicht und einfach gepennt, aber so können wir uns halt jetzt über "Ethnomecanica" freuen, das lediglich ohne den abschließenden Shantel-Remix von "Zdubi Bateti Tare" ausgekommen wäre. Aber man kann ja notfalls wieder zum "Cosmic Song" zurückskippen. "Ethnomecanica", mit 59 Minuten auch quantitativ gut gefüllt, macht jedenfalls über weite Strecken viel Hörspaß, läßt aber zugleich ahnen, daß die Truppe live noch viel unterhaltsamer sein könnte. Aber der Selbsttest ist ja leider unterblieben ... Noch! Dafür kann man sich noch an der hübschen Gestaltung des Digipacks erfreuen. Welche Band illustriert ihre Alben heute schon mit Holzschnitten? Eben. Zdob Si Zdub sind originell, auch in dieser Hinsicht, und dieses Prädikat muß man sich in der heutigen Musiklandschaft erstmal verdienen.
Kontakt: www.zdob-si-zdub.com, www.blankomusik.de

Tracklist:
Cosmic Song
Boonika Bata Doba
Miorita
Hardcore Moldovenesc
Cantec De Drum
Sarba Lui Mihai
Haitura
Batuta
This Is The Night
Gypsy & UFO
Ciocarlia
Tractoruli
Zdubi Bateti Tare
Intro Joc
Koa Hiatamadl
Zdubi Bateti Tare (Remix)



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