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Panos, Kolorit   17.09.2011   Chemnitz, Sanitätsstelle
von rls

Mit fast einjähriger Verspätung laden Panos zur Releaseparty ihres aktuellen Albums "Look At This!" ein, und an diesem gewittrigen Abend entspinnt sich ein gleich mehrfaches Kuriosum. Als nämlich der Rezensent pünktlich zur angekündigten Anstoßzeit 21 Uhr eintrifft, ist er der erste Besucher, und es tröpfeln auch in der reichlichen Stunde, die bis zum Konzertbeginn noch vergehen wird, kaum zwei Dutzend Zuschauer ein. Das läßt drei Schlüsse zu. Erstens haben es Panos offenbar selber nicht geschafft, ihre Fans zu mobilisieren, zweitens muß mit der Öffentlichkeitsarbeit etwas klassisch schiefgegangen sein, und drittens hat die Chemnitzer Szene offensichtlich kein Interesse an originellen (und trotzdem hochgradig tanzbaren!) Klängen. Eine Mixtur dieser drei Schlüsse in unterschiedlichem Mischungsverhältnis dürfte also die Ursache des bescheidenen Zuspruchs sein, zumal auch der Zielgruppenspagat nicht klappt. Als Vorband sind nämlich Kolorit am Start, bekanntlich ein Chor aus an diesem Abend vier Damen, die unter Akkordeonbegleitung russische und andere osteuropäische Weisen singen, und das tun sie äußerst kompetent, teilweise sogar recht groovig, so daß hier und da schon ein leichtes Zucken im Tanzbein zu verspüren ist. Dafür, daß das mächtige Häuflein von Publikum mit anderthalb Ausnahmen (die halbe ist der Rezensent) rein jugendkulturorientiert ist, ernten Kolorit jedenfalls viel Applaus, und in ihren Closer "Oreschina" mischen sich dann die vier Panos-Musiker ein, damit das gemeinsam intonierte Stück auch gleich zu ihrem Setopener machend. Moment, vier Musiker? Ja, der Gitarrist scheint offensichtlich zum festen Bandmitglied befördert worden zu sein, auch wenn er während des Gigs vorübergehend unter einer Stehlampe deaktiviert wird, und die Stammbesetzung mit singendem Drummer, Bassist und Balalaikaspieler ist identisch geblieben. Auch PaNanny lebt noch und sorgt wahlweise für Showeinlagen aller Coleur (nicht zuletzt die Verteilung von heißem Wodka aus einem Wasserkocher ans Publikum) oder ab und zu auch für musikalische Beiträge. Rein stilistisch hat sich gleichfalls wenig geändert: Der Balalaika Big Bang ist eine Mixtur aus osteuropäischem Folk, Rock, Reggae und noch einigen anderen Zutaten und theoretisch in jedem Falle hochgradig tanzbar. Ob's am Wodkakonsum liegt, daß an diesem Abend allerdings nicht mal die eigenen Fans zu Bewegungsaktivitäten schreiten (außer zu solchen in den Raucherraum und zurück) und der Rezensent so gut wie der einzige ist, der zumindest ansatzweise sein Tanzbein schwingt und den freien Platz zwischen Bar, Backstageaufgang und Bühne wenigstens auf der rechten Seite ein Stück weit füllt (bei diversen Gigs in der Vergangenheit, z.B. von Eläkeläiset in der Leipziger Moritzbastei, wäre man heilfroh gewesen, so viel Platz zum Tanzen zu haben!)? Keine Ahnung. Der Sound ist nicht übermäßig laut, aber schön klar, so daß man alle Beteiligten deutlich durchhört (ja, auch und gerade den Balalaikaspieler), und der Bassist, der sein Slipknot-meets-Karotte-Outfit diesmal gegen eine Art Rob-Halford-in-Arbeiterklasse-Kostüm getauscht hat, verläßt etliche Male die Bühne, um vom Hinterausgang der Halle wieder nach vorn zu rennen - Platz genug dafür ist ja. Zwei Coverversionen bereichern den Set - nein, diesmal nicht "Remmidemmi", sondern Manu Chaos "Bongo Bong" und der Klassiker "These Boots", beide gekonnt in den Panos-Sound transferiert. Immerhin läßt sich das Publikum nach den vorausgegangenen Anflügen der Lethargie noch zu Zugabeforderungen hinreißen, denen die Band mit "2012" nachkommt, einem urlangen Epos über den Weltuntergang, der in Gewitterform auch gerade draußen stattfindet. Damit endet ein hochgradig merkwürdiger Gig, dessen Begleitumstände irgendwie nur mit dem Wort "schizophren" umschrieben werden können.

Setlist Panos:
Oreschina
Country
Look At This
Klitschko
Pimple
Ivan
Bongo Bong
Bala Good
All In All
Programmist
These Boots
Surf
Kapanossi
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2012



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