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Zdob Si Zdub   08.08.2008   Jena, Kassablanca
von Christian

Das Phänomen "Russendisko" ist nicht mehr jung (siehe Wladimir Kaminer), und jüngst im Mai erschien bereits Vol. 3 von "Balkanbeats". Die heranwachsenden Jugendlichen sind beständig auf der Suche nach neuen Klängen (oder neuen Trends) und der Osten hat einiges zu bieten. Der Boden für die entsprechenden Live-Bands ist also längst bereitet. Und mit Zdob Si Zdub gastieren echte moldawische Stars in Jena.
Mit etlicher Verspätung stellt sich die Kapelle ohne Vorband direkt dem auf die Folter gespannten Publikum. Besetzung: Schlagzeug, E-Gitarre, E-Bass, Blechtrompete, ebensolche Posaune (bzw. hier wechselnde Blasinstrumente) und Frontgesang. Sound: Letztendlich sehr gut, sehr angenehme Lautstärke, Gitarre etwas zu leise, Bass etwas zu laut, Rest Spitze.
Markiert Sänger Roman Yagupov zunächst mit unscheinbarem Shirt und ordentlichem Hut eventuell den traditionellen Wald-und-Wiesen-Moldawen, wechselt das Outfit ab der Mitte des Konzertes mit rotem T-Shirt und Klaus-Meine-Mütze zum wohl flippigeren Teil des Programms. So interpretier ich das mal. Jedenfalls macht er seine Sache gut. Irgendwie klingen die osteuropäischen Stimmen mit osteuropäischen Texten immer total osteuropäisch. Nee is klar, nee ich mein jetzt echt die STIMMEN. Liegt das an den Sprachen und deren Intonation? Keine Ahnung. Jedenfalls klingt der Sänger von Zdob Si Zdub eben wie ein Osteuropäer. Toll sind die mit Vehemenz und viel Energie hervorgebrachten Ansagen. Leider verstehe ich wegen mangelnder Sprachkenntnisse kein Wort. Manche Ansagen könnten bedeutet haben: "Der Fahrer mit dem Kennzeichen XYZ soll bitte sofort ..." oder "Weil die Band so gute Laune hat, bezahlen wir ein Fass Freibier. Bitte meldet euch sofort an der Theke" oder etwa "Bitte machen Sie eine Gasse für die Rettungskräfte frei!" Wir werden es nie erfahren.
Sehr bemerkenswert ist die Erscheinung des Posaunisten Victor Dandes. Der Mann bewegt sich nicht großartig herum, er hat Charisma und überstrahlt damit einfach so seine agileren Kollegen. Sowas gibt's halt. Zunächst spielt er natürlich absolut göttlich Posaune. Und dabei fühlt man sich mit seinem Anblick irgendwie in ein moldawisches Volksfest versetzt. Mit seinem, ähm, gemütlichen Körperbau und dem feschen Hut sieht er bißchen aus wie gerade aus einer Blaskapelle rausgeklaut. Aber im Verlauf des Konzerts verblüfft er mit Piccolo-Flöte, verschiedenen was-weiß-ich-Flöten UND mit einem absolut umwerfenden Solo auf einer Art Glasrohr. Dieser Moment gehört ihm ganz allein. Die Band verschwindet, die Lichtshow macht auf blau und er fängt einfach an zu zaubern. Unglaublich, was mit so einem Glasrohr (?) alles geht. Und wie es bei einem ordentlichen Solo sein muss, steigert sich das Ganze so weit, bis die Masse mitgeht und die Band den feiernden Mob einfach übernehmen kann - absolut großartig. Das war also echte moldawische Glasmusik.
Und was ist nun Zdob Si Zdub? Manche schreiben Verschwurbel bis hin zu "Ethno-Hardcore" (Hurgs?). Manche sagen Rock-Punk-Hiphop. Ich las solches vor meinem ersten Höreindruck und kriegte ein falsches Bild. Mein Versuch einer Beschreibung: Die Musik ist abwechslungsreich um folgenden Kern herum gestrickt: 40% Ska, 20% Rock, 10% HipHop, 30% Folk, 0% Heavy Metal. Das sind 6 absolute Spitzenmusiker, insbesondere zwei auffallend herausragende Bläser, eine sehr tighte Performance und ein für hiesige Ohren schon einzigartiges Klang- und Groove-Erlebnis. Das von der Bühne bis zum Ausgang komplett mitgerissene Publikum lässt nicht die Haare kreisen und tanzt auch nicht im Polkaschritt. Lasst es mich mit 4 Worten sagen: Das ist perfekte Hüpfmusik!






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