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Finale des 3. BandContestOnline   01.10.2011   Borna, Markt
von rls

Nach dem durchaus gelungenen zweiten BandContestOnline hatten sich die Organisatoren der VR-Bank Leipziger Land eG entschieden, auch einen dritten Jahrgang durchzuführen - allerdings waren Zeit und Ort des Finales lange unklar. Letztlich ging man eine Kooperation mit dem Bornaer Altstadtfest ein und veranstaltete das Finale an einem Ort, der zentraler nicht liegen konnte - auf dem Bornaer Markt samstagabends auf der Hauptbühne des Festes. Anfang Oktober noch ein Open Air anzusetzen spricht von Wagemut (jahrelang lag das Altenburger Altstadtfest auf dem ersten Oktoberwochenende, und die hatten quasi jedes Jahr Schlechtwetter gepachtet), aber man wurde mit einem fast sommerlichen Abend belohnt, der dann auch für einen reichlich gefüllten Markt sorgte, wobei auch keineswegs störte, daß es sich zu einem guten Teil um jugendkulturell eher unspezialisiertes Publikum handelte. Wieder hatten sich die sechs im Onlinevoting der Vorrunde am besten plazierten Bands ins Finale vorgekämpft, und wie schon anno 2010 saß der Rezensent auch diesmal mit in der dreiköpfigen Jury, deren Votum die eine Hälfte der Gesamtwertung bildete, während die andere Hälfte über eine Publikumswertung ermittelt wurde, die allerdings nicht nach dem 2010 inhaltlich sehr gut durchdachten, wenngleich ein paar Minuten mehr Zeit beanspruchenden Prinzip arbeitete, sondern wieder in eine reine "Ich kreuze nur meine Lieblingsband an, egal wie gut die anderen sind"-Manier verfiel.
Moderator Michael Wagner eröffnete das Konzert erstaunlicherweise zehn Minuten vorfristig, bevor Hallucination die Bühne betraten und wie die anderen fünf Bands 20 Minuten Zeit hatten, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Das schafften die Leipziger nur bedingt, allerdings spielten sie auch nur bedingt massenkompatible Musik: Ihren an die schwarze Metallica erinnernden gemäßigten Power/Thrash Metal reicherten sie nämlich immer mal wieder mit einer deathmetallischen Zweitstimme des Leadgitarristen an, und "Broken" zog das Tempo auch schon mal etwas schärfer an, ohne freilich allzu knüppelig auszufallen. Daß die Wirkung des Quintetts nicht in der angestrebten Intensität herzustellen war, lag allerdings auch am zentralen Problemfall des ganzen Abends: dem Sound. Daß wenig bis keine Power rüberkam - geschenkt, obwohl für Metal natürlich suboptimal. Aber eine Besetzung mit drei Gitarristen mit einem solch verwaschenen Riffsound auszustatten und die Rhythmusgitarre des Sängers komplett in der Unhörbarkeit verschwinden zu lassen, das raubte dem Material einen guten Teil seines Reizes, obwohl wenigstens die Leadgitarren (schön fließend in "Broken") gut durchzuhören waren. Die Hetfield-artige Stimme des Sängers präsentierte sich noch zweifellos ausbaufähig, aber doch recht sicher, und auch die Herunterschaltungen in HIM-kompatible Grabestiefe im letzten Song, einer ausgedehnten Halbballade, funktionierten tadellos. Auch die Geschenke, die der als Weihnachtsmann verkleidete Drummer in der ersten Hälfte dieses Songs, in der er nichts zu tun hatte, ans Publikum verteilte, halfen beim Voting nicht weiter. Trotzdem eine äußerst vielversprechende Band, die man unbedingt nochmal bei besserem Sound hören muß.
Das würde bei den Sequels allerdings auch nicht mehr viel helfen. Die sechs Songs der Coverband aus Regis-Breitingen dauerten eine gefühlte Ewigkeit, da man in ihnen wenig Ansprechendes fand. Die Abstimmung zwischen den beiden Sängerinnen funktionierte überhaupt nicht, die Tontreffsicherheit ließ deutlich zu wünschen übrig, und die eher dünnen Stimmen erwiesen sich zur Interpretation von Material Janis Joplins, Joan Jetts oder gar Robert Plants als denkbar ungeeignet. Da die Rhythmusgitarre vom Soundmenschen wieder mal mit Nichtachtung gestraft worden war, mußten die Songs, in denen der Leadgitarrist ans Keyboard wechselte, ohne hörbare Gitarren auskommen, was dem Energietransport natürlich völlig abträglich war und den Eindruck einer schlappen Darbietung beförderte, aber auch ansonsten kam, vereinzelte Enthusiasmusausbrüche im Publikum ausgeklammert, keinerlei Hörspaß auf. Wenn man schon Klassiker wie "Rock And Roll" oder "Mercedes Benz" covert, sollte man ihnen auch gewachsen sein. Und wer eine gute Coverversion von "I Love Rock'n'Roll" hören will, geht nicht zu den Sequels, sondern zur Münchener Freiheit. Nuff said.
Lost Psychic hatten anno 2009 beim ersten Festivaljahrgang einen noch recht unausgegorenen Gig gespielt, sich aber 2010 in Mölbis als deutlich gereift präsentiert. Kurioserweise war nun der 2011er Gig als zumindest partieller Rückfall in alte Untugenden zu werten, vor allem was die Leistungen der Leadsängerin (viel zu kratzbürstig) und deren Abstimmung mit dem instrumentalen Unterbau anging - irgendwie wurde man das Gefühl nicht los, im Opener intoniere die Sängerin ein Stück, während die Instrumentalisten ein anderes spielten. Der neue Drummer hat der Band dagegen durchaus gut getan, allerdings verhinderte auch er nicht den unbeholfenen pseudopunkigen Charakter des Setclosers mit seinem wohl ungeplant atonalen Gitarrensolo. Das Mitsingspielchen in diesem Song zeitigte allerdings Wirkung im Publikum, auch das bombastische Ende wußte zu überzeugen, und wenn "Spiel des Lebens" als neuerer Beitrag im Set repräsentativ für die weitere Entwicklung des jetzt nur noch zu drei Fünfteln weiblichen Espenhainer Quintetts ist (etwas classicrocklastig, lang, durchaus ideenreich arrangiert und bis auf den Gesang kompetent intoniert - nur das Baßsolo würde man dann doch gerne deutlicher hören, wobei Lost Psychic noch einen der besseren Gesamtsounds des Abends erwischt hatten), darf man hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
Den Bandnamen The Saltlake Saviours hatte der Rezensent schon mal gehört, die Musik aber noch nicht. Nach den ersten zwei Songs allerdings bewegte sich seine Kinnlade in Bodennähe, und hätten die Altenburger jetzt aufgehört zu spielen, sie hätten eine sehr hohe Punktwertung von ihm kassiert. Der Bassist hatte die Umbaupause noch mit mehr oder weniger lustigen Geschichten überbrückt, aber ihre Musik nahmen die Salzseeretter dann deutlich ernster. Songs wie "Pandaimonium Sun" boten erstklassigen Emo mit Metalschlagseite, zudem mit einem besonderen Trumpf in Gestalt eines tragbaren Keyboards, das der Sänger bediente und das nach jahrzehntelanger Ächtung in der Metalszene (man erinnert sich mit einem gewissen Unwohlsein an seinen Einsatz bei Bands wie Modern Talking) durch Tastenkünstler wie Jordan Rudess oder Vadim Pruzhanov mittlerweile wieder rehabilitiert ist. Da die Skatstädter nur einen Gitarristen haben, fällt dem Keytar zudem die Aufgabe als Leadinstrument zu, für das dann sogar ein leadgitarrenähnlicher Sound gewählt wurde. Unverständlicherweise spielten The Saltlake Saviours diesen Trumpf nicht durchgängig aus, sondern nur in drei von fünf Songs - die beiden anderen entpuppten sich als "normaler" und durch das arg hektische Drumming wenig begeisternder Emo, und "The More" hatte das Problem einer plötzlichen Soundverschlechterung zu meistern, war allerdings auch sonst nicht als Glanzlicht anzusprechen und wurde nur durch die starke Vokalpassage, die das Hauptsolo vertrat, gerettet. Und apropos Vocals: Der Sänger war zweifellos der beste des ganzen Abends, stilsicher, technisch sauber und trotzdem emotional - eine prima Leistung! Dazu kam eine energische Bühnenshow, bei der das letzte Element im Setcloser leider wieder mal vom Sound sabotiert wurde: Der Bassist stellte sich aufs Drumpodest und spielte Drums mit, nur leider mangelte es gerade hier an der nötigen Soundklarheit. Aber diese ersten beiden Songs, meine Güte ... da kam wirklich Begeisterung beim Rezensenten auf.
Texas Music Massacre hatten im Vorjahr den zweiten Platz belegt und auch anno 2011 wieder ihre Spezialmöbelstücke Sessel und Barhocker auf die Bühne gehievt. Einen Tick härter waren sie geworden und überzeugten mit den härteren Beiträgen auch an diesem Abend am meisten, von denen sich der Opener schon fast in klassische Southern Rock-Gefilde bewegte, wo sich auch der Leadgesang hörbar am sichersten fühlte. Generell wehte ein staubtrockener Wind von der Bühne, und der tat einigen der vier Songs richtig gut, während andere hier und da, auch durch die Triobesetzung bedingt, noch Leerstellen aufwiesen, wenngleich die Bad Lausicker Texaner diese mit viel Esprit einfach überspielten und ihre Liveroutine sich äußerst positiv bemerkbar machte, auch im professionellen Gesamtbild, das der mit dem wieder etwas countrylastigeren und eine typische überkanditelte Bandmitgliedervorstellung enthaltenden "Johnny" beendete Set hinterließ. Das sorgte für viel gute Stimmung vor der Bühne, während ein älterer Herr auf den notizenmachenden Rezensenten zukam und in breitestem Sächsisch "Das is ein Schrott. Nee, das is keene Musik!" äußerte - eine Meinung, mit der er allerdings relativ alleine stand.
Auch MeskaliN hatten es schon 2010 ins Finale geschafft, und die Neukieritzscher Punkrocker hatten 2011 wieder eine riesige Fanmeute mobilisiert, die vor der Bühne "MeskaliN"-Mantras anstimmte. Dabei hätte nicht viel gefehlt, und der Gig hätte instrumental gespielt werden müssen, aber der Leadsänger kämpfte seine Stimmprobleme dann doch nieder, was allerdings dazu führte, daß er nicht alle angepeilten Töne traf, immerhin aber seine Kollegen an der zweiten Gitarre und am Baß ausstach, die im letzten Song völlig neben der Spur liegende Ohoho-Chöre intonierten. Besagter zweiter Gitarrist war vom Soundmenschen fast völlig ins Abseits gestellt worden, was einigen Passagen offensichtlich ihre Wirkung nahm. Für Punkverhältnisse hatten MeskaliN einige fast progressiv zu nennende Ideen am Start, obwohl sie diesmal auf die romantischen Anwandlungen von 2010 verzichteten. Aber das abgedrehte Break am Übergang vom Intro in den Hauptteil von "Alkohol & Drogen" hatte was, und daß man im instrumentalen Setintro die Geschwindigkeit mittig nicht etwa einfach verdoppelte, sondern knapp unter dem Doppelwert blieb, stellte der Arrangementfraktion ein sehr gutes Zeugnis aus. Trotzdem blieben viele Baustellen nach wie vor offenkundig - die jeglichen Regeln der deutschen Sprache widersprechende Betonungsverteilung in "Punkrocker" jedenfalls klingt auch dann noch, ähem, gewöhnungsbedürftig, wenn sie songwriterische Absicht sein sollte (nach dem Motto: "Ich bin Punkrocker, mich interessieren die Regeln der deutschen Sprache nicht"). Daß das Quartett so etwas eigentlich nicht nötig hat, bewiesen gute Einfälle wie etwa das simple, aber wirkungsvolle Hauptsolo im Setcloser, nach dem donnernde Zugabeforderungen erklangen, die aber wie bei allen anderen Bands nicht erfüllt werden durften.
Die Gesamtwertung zeitigte bei Jury und Publikum (aus letzterem waren insgesamt 576 Stimmen gekommen) doch einige signifikante Unterschiede. The Saltlake Saviours etwa, juryseitig hoch gehandelt, hatten wenige Fans am Start (hier rächte sich das genannte Prinzip "Ich kreuze nur meine Lieblingsband an, egal wie gut die anderen sind") und fielen deshalb vom Treppchen, auf dem sich letztlich Lost Psychic (3), Texas Music Massacre (2) und MeskaliN (1) positionieren durften.
Hernach sollten Triekonos, die anno 2009 den ersten Contest gewonnen hatten, als Headliner spielen. Nochmal zum Mitschreiben: Triekonos, eine handfeste Metalband zwischen Power und Thrash, als Headliner auf einem Stadtfest einer ostdeutschen Provinzmittelstadt vor Normalpublikum - das wäre ungefähr so, als hätten Metallica 1982 auf dem Stadtfest eines kleinen Ortes irgendwo im Hinterland der amerikanischen Westküste gespielt. Kurioserweise hatte auch der Soundmensch plötzlich seine Anlage im Griff, zauberte einen relativ druckvollen und sauberen Sound aus den Boxen - und wider allen Erwartens blieb auch viel Normalpublikum da, das sonst keineswegs auf Metalgigs gehen dürfte, und hörte sich die interessant strukturierten Kompositionen des Trios mindestens wohlwollend an. Triekonos konzentrierten sich auf Material ihres neuen Albums "Suicide", streuten aber auch solches vom Debüt "Welcome Home" ein und intonierten gleich zu Anfang erstmal drei relativ speedlastige Tracks, um die Belastungsgrenzen des Publikums zu testen. Die erwiesen sich als flexibel, und so herrschte gute Stimmung auf fast dem gesamten Markt - bis nach nicht mal einer halben Stunde urplötzlich um 23.15 Uhr, mitten im Song "Little Girl", die Anlage abgeschaltet wurde. Keiner wußte, was los war - schließlich die Information: Sperrstunde! (Als Ausschankschluß an den Getränkebuden war übrigens 0.00 Uhr zu lesen, und laut Informationen aus der VR-Bank als Gastveranstalter war seitens der Stadt als Hauptveranstalter vorher kein Signal ertönt, wann das Konzert des Headliners konkret zu enden habe ...) Nach etlichen Diskussionen kam aus Richtung des Mischpultes die Ansage, die Bad Lausicker dürften noch einen Song spielen, "was Ruhiges oder Langsames vielleicht". Damit war klar, woher der Wind wehte, und die Verantwortlichen ernteten laute Buhrufe aus dem Publikum. Triekonos machten gute Miene zum bösen Spiel, ließen das Publikum entscheiden, ob es noch "Heaven Can Wait" hören wolle - das Publikum bejahte und bekam noch einen ausgedehnten, weder langsamen noch ruhigen Metaltrack vorgesetzt, in dem es fleißig mitsingen durfte, so daß man wenigstens nicht mit zur Faust geballtem Gesicht den Markt verlassen mußte.



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