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Finale des BandContestOnline   29.05.2009   Deutzen, Kulturpark
von rls

Auch mal 'ne neue Idee: Die VR-Bank Leipziger Land wird 140 Jahre alt, und anstatt eine programmseitig fixierte Veranstaltung zu organisieren, ließ man die Festgäste selber entscheiden, wer spielen soll - und zwar per Onlinevoting unter 17 Bands aus dem Geschäftsgebiet der Bank, also dem Landkreis Leipzig. Die sechs Meistgewählten zogen also ins Finale ein (theoretisch jedenfalls: Unter den 17 Formationen war auch die Guggemusikkapelle Überdosis aus Borna gewesen, die es nach Votingstimmen auf alle Fälle ins Finale geschafft hätte, dort aber, wie es offiziell hieß, aus Termingründen nicht antrat), für das man mit der Freilichtbühne im Kulturpark Deutzen ein reizvolles Gelände gefunden hatte, das nur die Nachteile hatte, daß die Zuschauerränge nicht überdacht waren und daß die Anfahrt auf den südwestlichen Parkplatz etwas kompliziert war. Aber das Wetter hielt trotz zweifelhafter Prognose durch, es fiel kein Regen, und der etwas unangenehm kühle Wind wurde durch den dichten Bewuchs rings um das Areal gedämmt - die Niederschlagsfreiheit führte dann auch dazu, daß man die abenteuerliche einspurige Zufahrt direkt oberhalb des Pleißeufers (natürlich ohne Sicherung auf der Talseite) problemlos benutzen konnte (lustig wär's freilich geworden, wenn man dort Gegenverkehr gehabt hätte). Da für die Finalwertung auch eine Publikumsabstimmung angesetzt war, die zur Hälfte in die Endwertung einging (die andere Hälfte kam von einer dreiköpfigen Jury aus Musikern und Journalisten), hatten die Finalbands ihre Anhängerschaften mobilisiert, und auch die Tatsache, daß bei Konzertbeginn 20 Uhr erst ab 20.30 Uhr Eintritt kassiert wurde, stellte sich als erstklassiges Publikumslockmittel heraus. So fanden sich letztlich über 600 Besucher im Areal der Freilichtbühne ein und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
Einen überraschten Blick warf man aufs Zeitmanagement: Jede der sechs Bands hatte 15 Minuten Spielzeit bekommen, aber dazwischen waren jeweils nur fünf Minuten Umbauzeit angesetzt, und in diese fiel auch noch jeweils ein Kurzinterview von Moderator Michael Wagner (der seine Sache nicht schlecht machte, aber bisweilen auch etwas verpeilt wirkte, etwa in dem völlig sinnfreien Plausch mit Triekonos) mit den Bands. Wie man diesen Plan einhalten wollte, blieb für Kenner ein Geheimnis, aber irgendwie schaffte man es mit kleinen Abweichungen letztlich doch - jedoch um welchen Preis! Alle sechs Finalbands hatten mit mehr oder weniger starken Soundproblemen zu kämpfen, was das Beurteilen zu einer teils immens schwierigen Aufgabe machte.
Den Auftakt bildeten die kurzen aus Frohburg, eine Band mit einem Gesamtalter von 59 Jahren - und das als Sextett! Klar, daß man da noch keine Eigenkompositionen in der Hinterhand hat, und so gab es einen Coverset, der mit "Sweet Home Alabama" begann und mit "Kling Klang" endete. Obwohl beide Frontmikros deutlich zu leise eingestellt waren, bekam man doch mit, daß die in "Kling Klang" auch Xylophon spielende Sängerin schon ein recht brauchbares Melodiehaltevermögen aufwies, während ihr männlicher Kompagnon sich noch etwas zu sehr durch "Sweet Home Alabama" schrägte, dafür aber schon gute Moderatorqualitäten aufwies (der auf den Unterarm gemalte Spickzettel leistete gute Dienste). Die vierköpfige Instrumentalfraktion machte ihre Sache durchaus gut (besonders der Drummer), und die Stimmung im Publikum war keineswegs nur vom Kindersympathiebonus geprägt.
Leiseschrei, sowas wie die Elterngeneration der kurzen, legten danach drei Songs flotten Akustikrocks auf die Bretter - da steckte viel Professionalität dahinter, und die Band ist ja auch schon längere Zeit am Start. Allerdings hatten auch sie unter dem Sound zu leiden: Song 1 mußte ohne hörbare Keyboards auskommen, und die Balance der beiden Frontmikros stimmte hinten und vorn nicht - wenn die Sängerin Leads sang (mit einer interessanten, relativ warmen Stimme), war der Fakt, daß ihr Mikro deutlich lauter eingestellt war als das ihres männlichen Sangeskollegen, okay, aber im umgekehrten Falle sabotierten die dann viel zu lauten weiblichen Backings den Gesamtklang nachhaltig. Das coole "Ningel' nich'" mit seinem starken rockabillyartigen hämmernden Klaviersolo bildete Abschluß wie Höhepunkt des Sets.
Peter Schulze war ohne seine Black & Orange Gospel Singers da, auch ohne seine Band Buried In School (da deren Proberaum in Dresden steht), aber als Sololiedermacher mit Wandergitarre wollte er offensichtlich auch nicht antreten und holte sich dementsprechend zwei Drittel von Triekonos als instrumentale Unterstützung an Baß und Drums (nein, für eine Reunion von Spontan 2000 fehlten dann doch noch einige Menschen). Schnell wurde aber klar, daß er das besser hätte bleiben lassen sollen, denn besonders die Drums waren viel zu laut eingestellt und ließen im Gesamtmix oftmals nur noch den Gesang neben sich hörbar; auch der fast kakophonische Eindruck, den das Solo von "Frühlingsgefühle" (mit Mundharmonika) hinterließ, dürfte nicht zuletzt durch den unausgewogenen Sound determiniert worden sein. Wenigstens hinterließ der schottische Song an Setposition 2 mit seiner interessanten Tempowechselstruktur einen bleibenden Eindruck, aber alles andere würde man dann doch gerne nochmal unter besseren klanglichen Bedingungen hören, bevor man sich ein Urteil erlaubt.
Triekonos selbst, deren Backdrop links neben der Bühne hing, spielten gleich im Anschluß, und auch sie hatten unter dem Sound zu leiden: kein Baß hörbar, die Rhythmusgitarre auch erst im dritten und letzten Song "Headshot" so dominant, wie man das für einen Metalgig erwarten würde, dazu die Backingvocals des Drummers lauter als die Leadvocals des Bassisten. So ergab sich ein äußerst unausgewogenes und durch die zu lauten Drums irgendwie ungewollt punkig wirkendes Gesamtbild, so daß man nur erahnen konnte, welches Potential in diesem Trio steckt. Triekonos machten mit einer energiegeladenen Show das Beste aus der Situation, hatten drei eher schnelle Kompositionen ausgewählt und wurden nicht nur von der härteren Fraktion im äußerst gemischten Publikum (vom Normalo bis zum bitterbösen Black Metaller war alles am Start) begeistert aufgenommen.
Lost Psychic waren die erste Band, die in ihrer Viertelstunde mehr als drei Songs unterbrachte, nämlich vier. Das zu 80% weibliche und noch recht junge Quintett spielte wohl ungewollt angepunkt wirkenden Normalorock teils im Midtempo, teils etwas treibender, allerdings soundbedingt auch wieder schwer entschlüsselbar, da man außer Vocals und Drums im wesentlichen nur einen einheitlichen Klangteppich hörte und zudem unglücklicherweise die auch Gitarre spielende Backingsängerin für die Ansagen zuständig war - hier stimmte die Balance zwischen Lead- und Backingmikro nämlich mal ... Wenn man daran arbeitet, den seltsamen sprechgesangsartigen Touch noch etwas abzulegen, könnte man einen Schritt vorwärtskommen - gute musikalische Ideen wie etwa das sehr starke Akustikbreak im dritten Song waren nämlich keineswegs abwesend.
woman2men+ waren die Lokalmatadore des Abends, da sie aus dem nur zwei Kilometer entfernten Regis-Breitingen stammen. Mit Pyros, Leuchtstäben und Papierschlangen sowie einem riesigen Backdrop auf der rechten Bühnenseite taten sie auch was fürs Auge und fügten zudem sechs Songs als Medley zusammen. Freilich war trotz dreier Gitarren die Soundpower in der Nähe von Null anzusiedeln, vor allem von der Rhythmusgitarrenarbeit war wenig bis nichts zu vernehmen, trotzdem machten Songs wie "Freunde" und "Traumpiraten" durchaus Hörspaß und wurden vom Fanclub im Publikum entsprechend abgefeiert. Zwei Probleme indes waren nicht zu verkennen: Erstens setzten auch woman2men+ partiell auf Fremdkompositionen (so kam "Sweet Home Alabama" an diesem Abend zum zweiten Mal aus den Boxen, und auch J.J. Cales "Cocaine" stand im Medley), was der Publikumsstimmung natürlich dienlich war, aber so eine Art Wettbewerbsverzerrung darstellte (wobei die Band dafür dann nichts kann, wenn in der Ausschreibung kein Ausschluß von Coverversionen manifestiert gewesen sein sollte), und zum zweiten hinterließ der Leadsänger einen engagierten, aber mitunter fast arrogant wirkenden Eindruck. Trotzdem: Die Professionalität stimmte, und wenn da nicht dieser Sound gewesen wäre ...
Die Auswertung der Stimmen dauerte deutlich länger als geplant, und letztlich gingen nur Lost Psychic leer aus. Peter Schulze und die kurzen bekamen die beiden Sonderpreise (nämlich Gigs auf anderen Veranstaltungen der VR-Bank), und die drei Medaillenränge nahmen in aufsteigender Folge Leiseschrei, woman2men+ und Triekonos ein, womit letztgenannte gleich noch ins Sachsenfinale des Local Vision Band Contest einzogen. Die lange Pause während der Stimmauszählung nutzte die Soundfraktion für einen ellenlangen Soundcheck mit Bellbreaker, die als Headliner eingeladen worden waren - man konnte schon Angst bekommen, was hieraus nun wieder werden sollte, wurde beim Gig dann aber positiv überrascht: Plötzlich stimmte der Sound nämlich! Riffpower da, Drums nicht zu laut, Frontmikro lauter als Backingmikros, Leadgitarre neben Leadvocals im akustischen Mittelpunkt, Gesamtsound druckvoll, aber nicht überlaut - es geht doch! Bellbreaker, eine AC/DC-Coverband, nutzten die günstigen Rahmenbedingungen natürlich und spielten einen guten und auch recht langen Gig. Hinterließ das aus den "Hells Bells"-Glocken und diversen Soundschnipseln zusammengebastelte Intro noch einen eher ungeordneten Eindruck, so hatten Bellbreaker spätestens mit "Shot Down In Flames" und "Touch Too Much" an den Setpositionen zwei und drei die Menge in der Hand. Natürlich reihte sich ein Klassiker an den anderen, aber auch das neue Album "Black Ice" wurde mit "Big Jack" nicht vergessen, wohingegen sicherlich jedem Zuhörer noch der eine oder andere Song gefehlt hat - aber das Problem kann eine AC/DC-Coverband nicht praktikabel lösen, denn dafür haben die Youngs schlicht und einfach zu viele Klassiker und Semiklassiker geschrieben. Nach "Thunderstruck" stand schon an Setposition 5 "Bad Boy Boogie" auf dem Programm, in dem sich Angus, äh, Willi seiner Schuluniform entledigte und fortan in Shorts weiterrockte, nicht ohne dem Auditorium zwischenzeitlich auch einen tieferen Einblick ermöglicht zu haben, was freilich bei einem Erotizitätsgrad irgendwo auf halbem Weg zwischen Kalle Pohl und Helmut Kohl von umstrittenem Wert war. Dafür machte er den Angus-Leads keine Schande, und so blieb Brians Vertreter ein bißchen der Problemfall des Abends: Während Brian eine Art natürliches Reibeisenorgan in seinem Kehlkopf sitzen hat, mußte sich Brians Vertreter sehr anstrengen, um ebenjenen Klang hinzubekommen, und diese Anstrengung hörte man dann auch überdeutlich - sie beeinträchtigte ein wenig den Spaß, den die ungekünstelte Musik von AC/DC, deren Charakter auch von Bellbreaker gekonnt transportiert wurde, prinzipiell zu machen in der Lage ist. Aber richtig böse sein konnte man der Formation nicht, denn der generelle Unterhaltungswert stimmte, wenngleich die Kanonen in "For Those About To Rock ... We Salute You" nicht immer ganz an der geplanten Stelle feuerten. Letztgenannter Song markierte das Ende des Hauptsets, dem sich noch "T.N.T." als erste Zugabe anschloß ... und dann, was war denn das für ein eher ruhigerer Bluesrocker als zweite Zugabe? "Night Prowler", dachte man zuerst (hätte ja auch von der Uhrzeit her gepaßt), aber er entpuppte sich dann doch als das eher selten gespielte "Ride On", welches das i-Tüpfelchen auf einen insgesamt durchaus gelungenen Gig setzte.



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