www.Crossover-agm.de
Finale des 2. BandContestOnline   21.08.2010   Deutzen, Kulturpark
von rls

Was anno 2009 eigentlich als einmaliger Beitrag zu den Feierlichkeiten "140 Jahre VR-Bank Leipziger Land" geplant gewesen war, stieß trotz mancherlei organisatorischer Probleme doch auf eine so positive Resonanz, daß sich die Banker im Folgejahr, diesmal im Rahmen der Kampagne hierbleiben.net, zu einer Fortsetzung entschlossen. Erneut hatten sich im Rahmen eines Internetvotings sechs Bands fürs Finale im Kulturpark Deutzen qualifizieren können. Selbiges fand diesmal an einem warmen Augustsamstagabend statt und stieß auf eine sehr ansehnliche Publikumsresonanz, obwohl man ein Wochenende mit starken Konkurrenzveranstaltungen wie beispielsweise dem Highfield-Festival am unweit gelegenen Störmthaler See, erwischt hatte. Die Tatsache, daß bis zum offiziellen Veranstaltungsbeginn kein Eintritt kassiert wurde, half bei der Füllung des Geländes kräftig mit. Die Wertung des Wettbewerbes wurde wie bereits 2009 gespalten; jeweils 50% der Gesamtwertung gingen aufs Konto des Publikums (für das man diesmal eine intelligente Staffelpunktwertung gefunden hatte, wie sie beispielsweise auch beim Wettbewerb "Chemnitz rocken!" praktiziert wird) und auf das einer dreiköpfigen Jury, in die diesmal auch der Rezensent berufen wurde, der demnach in Doppelfunktion anwesend war. Das knapp bemessene Zeitmanagement hatte man ähnlich strukturiert wie 2009, allerdings verfügte jede Band diesmal über 20 statt 15 Minuten Spielzeit, was sich auch als weise Entscheidung herausstellte, da so doch ein besserer Eindruck vom Schaffen der jeweiligen Kapelle zu gewinnen war. Für die Umbaupausen hatte man allerdings nach wie vor nur fünf Minuten veranschlagt - das klappte aber auch ungefähr und ging zudem nicht auf Kosten der Soundqualität wie 2009, wenngleich hier und da schon noch Reserven auszumachen waren.
Texas Music Massacre eröffneten den Reigen der Bands. Das sonnenbebrillte Trio hatte die Bühne mit Sessel und Barhocker dekoriert und spielte zunächst eine Art "ZZ Top auf halbakustischem Grunge", bevor der Drummer "Texas Music Massacre!" in sein Mikrofon brüllte und fortan speediger Countryrock aus den Boxen drang, der die eine oder andere Parallele zu The BossHoss oder den Genre-Urvätern The Waltons nicht leugnen konnte, dies aber auch nicht wollte. Der Rest des Sets mischte beide Tempovarianten gekonnt, der Bassist sorgte mit seinen denglischen Ansagen ebenso für Heiterkeit wie ein Mensch, der mitten im Set auf die Bühne kam und sein Pferd mit dem Kennzeichen L-X ... zu suchen vorgab. So endeten 20 unterhaltsame Minuten viel zu schnell. Interessantes Detail am Rande: Das Trio führt eine Parallelexistenz als Metalband namens Triekonos, und die hatten 2009 den Contest gewonnen ...
Mit Semper Fall.PA hatte sich eine Berliner Band in die Phalanx der regionalen Größen vorgearbeitet. Die fünf Songs boten Punkrock mit leichten Nu-Metal-Elementen und eher traditionsmetallisch angehauchten Soli, allerdings erwiesen sich die Strukturen als eher schwierig nachvollziehbar, was in diesem Fall nicht als Qualitätsmerkmal zu werten war. Nicht jedes Break saß richtig paßgenau, und wenn ein gewisser hymnischer Faktor nicht zu Einprägsamkeit führt, ist auch generell was faul. Den kleiderschrankförmigen Bassisten hätte man optisch eher in eine Band Marke Pro-Pain eingeordnet; sein Gesang wirkte engagiert, aber etwas unbeholfen, was auch auf den Hintergrundgesang des in Skateroptik auftretenden Gitarristen zutraf. Vor allem der ruhige Ausklang des zweiten Songs offenbarte doch noch deutliche Steigerungsmöglichkeiten.
MeskaliN blieben grob betrachtet im Genre und hatten eine große Fanschar mitgebracht, die für das Gelingen von Mitshoutpassagen wie im leicht hymnisch angehauchten "Vorbei" sorgte. Die teils recht brachiale Gitarrenarbeit ging mit der unkontrolliert wirkenden Stimme eine eigentümliche Symbiose ein, und letzterer Fakt torpedierte auch die stilistische Eigenheit etwas. MeskaliN brachten es nämlich fertig, partiell so etwas wie romantischen Punkrock zu intonieren, und da schüttelte man beim Hören schon verwundert mit dem Kopf, wenn man da von rauher, flatternder Stimme Zeilen wie "Du bist die Frau an meiner Seite", ergänzt vom ähnlich gearteten Backing-Einwurf "Ich liebe dich", zu hören bekam. Die lauten Zugabeforderungen konnten wegen des Zeitplanes nicht erfüllt werden.
Schwarzlicht spielten klassischen Hardrock mit einer gewissen Punkschlagseite, der schnell ein Problem offenbarte: So gute Ideen der Gitarrist im Leadbereich auch hat, der Rhythmusbereich ist ganz offensichtlich seine Sache nicht, wie die unauffällige bis uninspirierte Riffwiese zeigte, auf der farbenprächtige Leadblumen erblühten. Da wäre ein fähiger Rhythmusgitarrist eine lohnende Investition auf dem Transfermarkt und vielleicht gleich noch ein neuer Sänger, denn der Mikroinhaber wirkte an diesem Abend reichlich demotiviert, zudem ließ die Abstimmung zu den meist vom Bassisten kommenden Backingvocals doch arg zu wünschen übrig. "Eine Reise ins Glück" entstammte dem eigenen Songfundus, die Bandhymne verbriet man gleich als Opener, aber Lichtzeichen setzen konnte man mit dem Material, von den Gitarrenleads abgesehen, nicht.
In Flagranti führten das einzige weibliche Bandmitglied des ganzen Abends (ein markanter Unterschied zum Vorjahr, wo vier von sechs Finalisten mindestens ein weibliches Wesen dabei hatten und Lost Psychic gar zu vier Fünfteln dem scheinbar schwachen Geschlecht angehörten), nämlich die Bassistin. Optisch einen Multikulti-Entwurf wagend, verknüpfte die Band musikalisch Punk und Reggae, was im Ergebnis logischerweise Ska ergab. In den ersten beiden Songs dominierte dabei der Punk, auch bedingt dadurch, daß man die Trompete anfangs nicht hören konnte; sie hatte aber auch später gegen die teils recht übersteuert abgemischte Rhythmusgitarre nur wenig Chancen und machte sich nur in den akustischen Passagen stärker bemerkbar, dort dann aber richtig. Dazu überzeugte der souveräne Leadvokalist (mal singend, mal shoutend), auch die Backingvocals waren gekonnt arrangiert. Die beiden hinteren Songs kombinierten Reggaestrophen mit Punkrefrains, und "Danke Deutschland", ein bissiger Kommentar zum Bundestrojaner und anderen Auswüchsen des Überwachungsstaates, rundete einen vielversprechenden Gig ab.
Die Einleitung des vorausgegangenen Absatzes legt nahe, daß es bei women2men+ einige Umbesetzungen gegeben haben muß. Die Band stand letztlich als Quintett auf der Bühne, wobei der sichtbare Ghostdrummer hinten rechts funktionsseitig im Unklaren verblieb - man sah ihn zwar spielen, hörte ihn aber nicht (sondern nur den regulären Schlagzeuger), und vorgestellt wurde er auch nicht. Der Leadgitarrist überzeugte durch einfallsreiches Spiel im Opener, und die gesamte Band lieferte durchaus soliden Deutschrock mit gelegentlicher Ska-Schlagseite ("Gedankentraum") ab, auch wenn die Tatsache, daß man "Piraten der Nacht" rhythmusseitig nur mit fünf Saiten spielte, obwohl vor dem Song ein Gitarrenwechsel möglich gewesen wäre, einen arg eigentümlichen Eindruck hinterließ. Und dann wäre da noch die akute Übermotivierung des Sängers/Rhythmusgitarristen, die schon nach kurzer Zeit nervte ...
Offensichtlich aber hatten women2men+ genügend Publikumsstimmen auf sich vereinen können, denn obwohl sie nicht bei allen Juroren vorn lagen, schafften sie den Sieg und verwiesen Texas Music Massacre knapp auf den Silberrang; In Flagranti belegten den dritten Platz. Daß MeskaliN nicht auf den Wertungsrängen gelandet waren, erzürnte deren Anhängerschaft natürlich, aber der Headliner, der das Konzert nach der Siegerehrung beschloß, wußte auch dieses Klientel in eine gewisse Feierstimmung zu versetzen: Die Toten Ärzte sind, wie der Name nahelegt, eine Coverband, die sich dem Schaffen von Felsenheimer, Frege & Co. widmet, und die bemühte sich nach einem überlangen und mehr oder weniger sinnfreien, teilweise gar technoziden Intro redlich um gute Laune im Publikum. Bis sich dieses in eine feierwütige Masse verwandelt hatte, dauerte es auch nicht lange, und die sehr frühe Plazierung des Hosen-Klassikers "Hier kommt Alex" im Set dürfte diesem Ziel sehr dienlich gewesen sein. Freilich: Das endlose Gelaber zwischen den Songs hob auch den Nervfaktor in die Höhe, und wenn musikalische Elemente zugunsten von Showeinlagen geopfert werden (Beispiel: Der Bassist spielt einen halben Song lang nicht mit, weil er kurz vor Songende mal kurz Feuer spucken muß), darf die Prioritätenfrage gestellt werden. Wenigstens überzeugte die musikalische Umsetzung (inclusive Gesang!), und man ertappte sich nur in wenigen der Hosen-Songs beim Wunsch nach einer zweiten Gitarre wie im Original. Knappe zwei Stunden sollen Die Toten Ärzte auf der Bühne gestanden haben; der Rezensent verließ aufgrund gesundheitlicher Angeschlagenheit nach einer halben Setstunde das Areal.
Fotogalerie unter www.bandcontestonline.de



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver