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Party.San Open Air   07.-09.08.2008   Bad Berka
von ta

Das Party.San-Festival ist und bleibt das Elysium des Extremmetallers. Gute Bands, toller Sound, schönes Campinggelände, vertretbare Preise, gereinigte Sanitäranlagen, 2008 sogar ein großes Bierzelt statt der gewohnten zwei kleinen Bierwagen - optimal! Lediglich die stinkenden Dieselgeneratoren auf dem Konzertgelände gehen einem auf den Sack bzw. die Nase. Dafür entschädigte aber die dieses Jahr sehr friedliche Stimmung.

Donnerstag

Die Vader-Fanatics PURGATORY verpasse ich wegen Zeltaufbauarbeiten auf dem Camping-Platz.

DEADBORN sehe ich heute zum zweiten Mal und gleich gefallen sie mir etwas weniger. Ihr technischer Death Metal ist solide, aber man vergisst ihn nach dem Konzert sofort wieder, weil nichts darin passiert, was zu mehr als respektvollem Nicken nötigt. Die Riffs in "Coma Timecode", "Back To The Blackness" oder "Negative Reinforcement" haben eine leichte Schlagseite gen Necrophagist, ohne aber deren technischen Aberwitz mitzunehmen und Slavek Foltyn verprügelt sein Drumkit ebenso kompetent wie austauschbar. Einzig Sänger Mario Petrovic sticht wie auch im Mai 2008 in Leipzig durch den Iro und engagiertes Stageacting hervor, der Rest hält sich brav zurück.

Die Thüringer FARSOT bezeichnen sich selbst als "Prog Black Metal", was man grob so stehen lassen kann. Den Black Metal findet man in den typischen molligen Rifflächen, Kreischgesang und Passagen, die wie ruhige Shining klingen; das progressive Element setzt sich aus der starken Dynamisierung der Songs durch akustische Interludes, Stampfriffs, die an klassischen Heavy Metal erinnern, undurchsichtigen Songstrukturen und kryptischen Mitgliederpseudonymen wie Pi: 1T 5r oder 10.XIXt zusammen. Optisch bietet die Band nichts Besonderes, so dass es an der Musik bleibt, die Massen mitzureißen, und für dieses Unterfangen sind FARSOT dann doch etwas zu komplex und zu langsam. Besonders das knapp zwanzigminütige "Thematik: Trauer" ist auf Konserve sicherlich hörenswert, kommt live aber nur mäßig spannend rüber. Der Fairness halber sei aber gesagt, dass einige Leute Farsot richtig toll finden.

SKYFORGER sind total süß. Die Letten mussten ohne Flötist Kaspars Barbals anreisen, weil der die Band verlassen hat, und auch Gitarrist Rihards Skudritis war krankheitsbedingt nicht vertreten. Ergebnis: Skyforger treten als rock'n'rolliges Trio auf die Bühne. Das zeitigt zunächst positive optische Folgen: Während Sänger und Rhythmusgitarrist Peteris ziemlich am Mikro klebt, post Bassriese Edgars in Wikingerkluft für zwei, bangt wie ein Tier, rennt von Bühnenseite zu Bühnenseite, wirft sich auf die Knie, legt sich auf den Rücken, verbreitet schlicht gute Laune en masse und erinnert dabei ständig an Maidens Steve Harris, dem er spielerisch selbstverständlich nicht ansatzweise das Wasser reichen kann. Es hat aber auch negative akustische Folgen: Der Wegfall von Gitarrenleads und traditionellen Instrumenten macht die Musik von Skyforger noch einfacher, als sie ohnehin schon ist, und das Fehlen der zweiten Gitarre zeigt, dass der Mann an der ersten sein Instrument nur rudimentär beherrscht. Auch die "Ohohoh"-Chöre wirken mit zwei Stimmen nur bedingt massiv. Immerhin aber nimmt man diesen schrulligen, komplett barttragenden Neuzeitwikingern ab, dass sie die ganze heimatverbundene Chose wirklich ernst meinen.

DISMEMBER grooven, pushen und knallen. Ich kann mit Schwedentod bis auf wenige Ausnahmen nichts anfangen, aber Dismember sind heute so gut drauf, dass auch ich mitgerissen werde. Tight, professionell und engagiert holzt das Stockholmer Urgestein mal eben die komplette "Like An Everflowing Stream"-Scheibe runter, garniert das Ganze mit einigen Tracks des jüngsten Albums "Dismember", Überraschungen wie "Life - Another Shape Of Sorrow" (mächtig!) und schafft es dabei noch, permanent auf der Bühne zu rotieren. Wer den legendären Besuffki-Auftritt vom Party.San 2004 noch in Erinnerung hatte, der mit einer Instrumentalversion von "Dreaming In Red" endete, da Matti alkoholbedingt nicht mehr stehen konnte, wird die Band kaum wiedererkannt haben. Heute pusht der Sänger permanent das Publikum und würfelt auch keine Strophen mehr durcheinander. Killer!

Freitag

Es ist Freitag, der 08.08.08, die Thüringer BILD enthüllt spektakulär, dass in der türkischen Touristenhochburg Antalya mehr russische als deutsche Urlauber ins Mittelmeer hüpfen. Titel: RUSSEN NERVEN DEUTSCHE URLAUBER! Untertitel: SIE SIND NOCH SCHLIMMER ALS DIE ENGLÄNDER. Da die kleine bräunliche Party.San-Besucherschaft, die das noch am ehesten interessieren könnte, dieses Jahr aber zuhause geblieben ist, sieht man keinen Metaller das edle Blatt lesen. Stattdessen werden in den Cafés von Bad Berka die ersten fünf Morgenschoppen gelüpft, bis zur moderaten Mittagszeit um kurz vor zwei die erste Band aufspielt.

IRATE ARCHITECT sind ein sehr unterhaltsamer Auftakt für einen sehr unterhaltsamen Freitag. Das Quartett hat aus Hamburg schnellen, brutalen Techno Death mit vereinzelten, wohlplatzierten Deathcore- und Grind-Einsprengseln mitgebracht und prügelt seine Songs zumeist im Zweiminutentakt runter. Saucool ist der Kontrast aus Sänger Christoph Madarasz, der pausenlos wie ein Derwisch über die Bühne fegt, und Schlagzeuger Philipp Pfeiffer, der mit Sonnenbrille und lässigem Blick wirkt, als würde er für eine x-beliebige Kaffeehauskapelle sein Kit streicheln und nicht gerade alles in Grund und Boden hacken. Auch die Rahmenbedingungen stimmen: Der Sound ist bereits so gut, wie man es auf keinem Festival außer dem Party.San bei der ersten Band freitagmorgens erleben darf, und Irate Architect ziehen immer mehr Leute vor die Bühne. Fazit: Ungleich interessanter als Deadborn am Vortag.

Defloration
Mit DEFLORATION konnte ich noch nie was anfangen und auch dieser Auftritt ändert daran nichts. Old School Death Metal mit starker Florida-Schlagseite steht auf dem Programm, der ebenso tight wie austauschbar dargeboten wird. Der einzige wirkliche Pluspunkt der Band ist Uwe Rödel, denn der Mann hat nicht nur einen passenden Nachnahmen und eine tiefe Stimme, sondern bietet eine ziemlich sicke Show mit allerlei wirren Blicken, Scherzchen und skurrilen Ansagen. Songtechnisch ist eine gewisse Konzentration auf das neue Album "Necrotic Nightmares" zu vermerken und mehr gibt's eigentlich schon nicht zu sagen.
Nach Defloration läuft endlich jemand mit vernünftigem Shirt an mir vorbei, gemächlich, wie es sich für einen Doomer gehört. Ich falle vor ihm auf die Knie, bin kurz davor, seine Stiefel zu küssen, grunze dann aber doch nur anbetend "Moby Dick". Zu TYRANT setzt unser ganzer Trupp dann geschmacksbedingt aus und wir sind laut Augenzeugenberichten auch nicht die einzigen.

"Ihr seid ein Haufen toll-wuchtiger Hunde!" Martin van Drunen hat gute Laune und verteilt in tadellosem Deutsch ein eigentümliches Kompliment nach dem anderen an das bangende Publikum, das sich auch durch kurze Regenschauer nicht von der Bühne weglocken lässt. Warum aber auch? Denn HAIL OF BULLETS sind richtig geil. Das niederländische All Star-Quintett erwischt mit dem Midtempo-Mattenschüttler "The Red Wolves Of Stalin" einen kraftvollen Start und bretzelt seinen ebenso einfachen wie effektiven Death Metal im Stil von Massacre und alten Bolt Thrower mit Druck und Spielfreude aus den Boxen. Die abwechslungsreiche Mixtur aus Uptempo, Midtempo und Doom-Elementen ist optimal für ein Festivalpublikum, "General Winter", "Ordered Eastward", "Nachthexen" und "Stalingrad" sorgen für super Stimmung in den ersten Reihen und "Berlin" entwickelt sich langsam zu so etwas wie dem Hit der Band. Nach dem Set-Closer "Advancing Once More" sieht man zumindest nur zufriedene Gesichter.

Die anschließenden LIVIDITY machen keine intelligente Musik, haben keine intelligenten Texte und scheinen auch keine intelligenten Typen zu sein. Der Porn Grind der Illinoiser ist frei von Anspruch und Abwechslung, besteht aus Harmonizer-Grunzen, Schweineschreien und stumpfem Gehacke und wird mit etlichen chauvinistischen Ansagen garniert, die das Wort "pussy" oder "cunt" enthalten. Gottlob klingt ab und an etwas Ironie durch, wenn etwa der muskelbepackte Sänger Von Young sich gleich mehrfach für das Wesen bedankt, das mit einer riesigen lila Stoffkuh auf dem Rücken durch den Circle Pit rennt. Da auch Gitarrero Dave Kibler hyperaktiv über die Bühne stolpert, bleibt am Ende eine 6 auf der Unterhaltungswertskala von 1-10. Nach dem Konzert laufen die Kerle stolz über den Campingplatz und erzählen von ihren großen Schwänzen.

KAMPFAR zelebrieren ihren Grenzgang aus Black Metal, Pagan und Folk sehr hymnisch, nicht nur wenn der Song auch "Hymne" heißt, sondern auch bei "Ravenheart" oder "Troll, Død Og Trolldom". Sangesmann Dolk ist wie gewohnt halbnackt und mitgerissen der Mittelpunkt der Show und singt gleich mehrere Titel des noch unveröffentlichten Albums "Heimgang", der Rest der Band agiert mäßig auffällig, so dass die Bitte um Lärm irgendwo hinter den ersten zehn Reihen verloren geht. Trotzdem irgendwie beeindruckend.

Den Färöer-Import TYR will kaum ein Mensch sehen, was schade ist. Der Vierer von den Färöer Inseln ist die Exklusivität des Party.San 2008, denn dieser hochmelodiöse, epische Folk Metal wirkt zwischen dem ganzen Geballer wie Erdbeervanillemarmelade im Plumpsklo. TYR treten komplett oben ohne an, sind sympathisch wie eh und je und geben sich reichlich Mühe, die wenigen hundert Leute vor der Bühne mitzureißen. Technisch laufen sie hierbei im Verlauf des Sets zur Höchstform auf - besonders die 3-Mann-Chöre werden passgenau vorgetragen und sind in einem Song wie der Überhymne "Hail To The Hammer", die mir nach dem Konzert noch tagelang im Ohr lag, ein Genuss im Vergleich mit dem primitiven Wikingergegröle von Skyforger am Vortag.

UNANIMATED lassen die ersten Feuersäulen des Tages hochgehen, kleistern sich mit Corpsepaint an und haben einen Sänger, der auch in einer Schwarzmetallband gut aufgehoben wäre. Musikalisch gehören die 2007 reformierten Stockholmer jedoch klar in die klassische melodische Melodic Death-Ecke, in der Bands wie Desultory, Edge Of Sanity und die frühen In Flames-Scheiben ebenfalls beheimatet sind: Hymnische Gitarrenmelodien treffen auf druckvolle Mid- und Uptempodrums. Kenner zählen das "Ancient God Of Evil"-Album zum Besten, was es im Schwedentod abzugreifen gibt, leider kann der Auftritt dieses Niveau nicht halten. Trotz fleißigen Bangens wirkt die Show etwas hüftsteif und der Sound ist nicht nur vor, sondern offenbar auch auf der Bühne nicht optimal. Bassist Richard Cabeza jedenfalls motzt in einem fort und verlässt sogar einmal verärgert die Bretter, außerdem sind die Pausen zwischen den Songs diskussionsbedingt übermäßig lang.

Neben Koldbrann sind ENDSTILLE die einzige reinrassige Black Metal-Band des Festivals und ernten deshalb viel Publikum. Die Kieler haben in der ersten Hälfte ihres Sets den schlechtesten Sound des Festivals. Überspielt wird der basslastige Lärm allerdings durch die routinierte Show von Iblis. Der dreckbeschmierte Sänger hat sein Kopfhaar schon zu Beginn des Sets in blutnassen Strähnen am Schädel kleben und stampft wie ein Tier über die Bühne, streckenweise beinahe auf vier Beinen. Bemerkenswert ist auch, was zwischen den Songs passiert: Bierdosenöffnen am Mikro, Vokalgeblubber statt einer Ansage, Kunstblut, das formvollendet aus einer zerknitterten Plastikflasche über den Körper gegossen wird, endloses Sichselbstfeiernlassen - ein bisschen Asi gehört bei Endstille eben zum guten, pardon: bösen Ton. Die Saitenfraktion aus L. Wachtfels und Cruor steht fast unbewegt in der Gegend rum rum, während Mayhemic Destructor am Schlagzeug fleißig mitbangt und in jeden Song eine Handvoll Timingfehler einbaut. Macht aber nix, ist ja auch Asi. Das jüngste Album "Endstilles Reich" wird gleich vierfach mit "Endstilles Reich", "The One I Hate", "Among Our Glorious Existence" und "Der Ketzer" (oder war's "Vorwärts (Sturmangriff II)"?) gewürdigt, hinzu kommen das übliche Titeltrackstriple aus "Dominanz" (als Opener), "Navigator" und "Frühlingserwachen" und noch ein, zwei langsamere Tracks, die ich nicht wiedererkannt habe.

"This band is all about blood!" tönt es von der Bühne. BLOODBATH mit Mitgliedern von Opeth und Katatonia sind die zweite Allstar-Band des Festivals neben Hail Of Bullets, treten in blutbeschmierten Shirts an und spielen auf dem Party.San 2008 den zweiten Auftritt ihrer Karriere. Das merkt man besonders Mikael Akerfeldt an, der die Gitarre, die er bei den Göttern Opeth spielt, sichtlich vermisst. Seine Hippie-haften Bewegungen wirken sehr skurril und Blickkontakt zum Publikum sucht er auch eher selten, was einige Zuschauer zu der Vermutung veranlasst, er würde seine Texte ablesen. Nett sind allerdings die selbstironischen Ansagen, die man auch von Opeth-Konzerten kennt: Einleitend lässt Akerfeldt selbstkritisch verlauten "This band works too much! We played in 2005 and now this!", "Eaten" wird als "Chewed To Death" angekündigt und Opeth und Katatonia zu "Pussy-Bands" abgekanzelt. Exquisit auch die Vorstellung der Bandmitglieder: "Here we have SODOMIZER!! And this is DEVASTATOR!!! And I am ... Mikael."
Musikalisch gibt es an Bloodbath nicht auszusetzen. "Ways To The Grave", "Like Fire", "Cry My Name", "So You Die", "Soul Evisceration" und natürlich "Eaten" sind gelungener Todesmörtel mit viel Abwechselung und einer ausjustierten Rhythmik, zusammengehalten durch die massive Stimme von Akerfeldt ebenso wie durch das arschtighte und kraftvolle Drumming von Martin "Axe" Axenrot. Gemessen an der Musik und am Applaus des Publikums ein würdiger Co-Headliner, was Discographie und Bedeutung betrifft, darf man hinter die Position im Billing allerdings durchaus ein Fragezeichen setzen.

Der Headliner BOLT THROWER lässt danach keine Wünsche offen. Bolt Thrower sind schon Sieger, bevor sie überhaupt die Bühne betreten haben. Online durfte im Vorhinein abgestimmt werden, ob die für ihre Fannähe bekannten Briten dieses Jahr Wacken oder ein kleineres Festival beehren sollten. Das kleinere Festival machte das Rennen, Bolt Thrower entschieden sich fürs Party.San und werden auf vielfachen Wunsch von Fans nun jedes Jahr zumindest einen Festivalgig spielen, wie Karl Willets - inzwischen mit einer genauso langen Matte wie sein Vorgänger Dave Ingram ausgestattet - ins jubelnde Publikum verkündet.
Und was soll man sagen? Bolt Thrower haben den Jubel verdient, denn sie walzen alles nieder. Neben den unvermeidbaren Hits "War Master", "Mercenary", "No Guts No Glory", "Entrenched", "The IVth Crusade" und "… For Victory" gibt es heute auch eine dicke Prise Old School: "World Eater" und "Cenotaph" direkt hintereinander lässt ja schon einige Leute durchdrehen, aber das ist noch nichts gegen das 20 Jahre alte "In Battle There Is No Law", zu dem die Kinnladen gleich reihenweise gen Boden knallen. Natürlich haben sich auch Tracks jüngeren Datums eingeschlichen: "Contact - Wait Out" wird gleich als Opener gezockt und zu "The Killchain", "Salvo" und "Anti-Tank (Dead Armour)" darf irgendwann im Laufe des Sets auch abgegroovt werden. Nach dem Gig ist der Merchandise-Stand der Band komplett leergekauft und der eine oder andere fragt sich, ob's noch besser kommen kann. Aber klar, morgen spielen ja noch Behemoth!

Samstag

Angenehmen Morgen! Freitagnacht hat es in Strömen geregnet und es ist schön kühl und ruhig am Rand von Bad Berka. Käme nicht mit jedem neuen Windstoß ein Hauch von Uringeruch aus dem Maisfeld, könnte man von einem kleinen Camping-Idyll sprechen. Wozu noch weite Reisen ...

Imperious Malevolence
... was ich als wohldurchdachte Überleitung zur ersten Band des Tages nehmen möchte. Die weiteste Anreise hatten IMPERIOUS MALEVOLENCE. Sie sind ein weiterer Beleg für die These, dass aus den Metal-Vororten Brasiliens entweder christlicher Power Metal oder brutales Todesbleigeholze kommt. Imperious Malevolence spielen keinen Power Metal. Ihr schneller Death klingt wie alte Krisiun und Clemency, ist chaotisch und unstrukturiert, deswegen aber auch interessant anzuhören. Lediglich "Sodomy And Lust" als Setcloser kommt eingängig daher, ist allerdings auch kein eigener Song, sondern ein Sodom-Cover. Imperious Malevolence, besonders Gitarrero Mano und Schlagzeuger Antonio Death (Hammer-Pseudonym auch!), freuen sich sichtlich, auf dem Party.San spielen zu dürfen. Mano rotiert wildgeworden über die Bühne und grinst ständig ins Publikum, Antonio Death zieht extatische Fressen und erhebt sich nach jedem Titel vom Schlagzeugsessel, um das Publikum anzufeuern. Dieses Trio ist so sympathisch, dass man über den ganzen in Ansagen und Texten propagierten Bubi-Satanismus getrost grinsen darf. Klasse Band!

Mit INSISION wird das muntere Holzhacken gleich fortgesetzt. Die Stockholmer gehören zu den wenigen schwedischen Death Metal-Bands, die nicht nach Schweden klingen, und spielen US-Death Metal mit Cryptopsy-Schlagseite im Riffing. Punkte sammeln sie durch Sänger Carl Birath, der bereits beim Intro mit hochrotem Kopf ohne Mikro auf der Bühne herumbrüllt und dessen brutale Growls einen Hör wert sind. Außerdem ist der fleischmützentragende Lead-Gitarrist ein Könner seines Fachs und legt auch bei Soli eine bemerkenswerte Präzision an den Tag. Showtechnisch sind Insision als Band dagegen völlig austauschbar und musikalisch bleibt der einzige echte Aufmerker das doomig angehauchte "Into The Cold" - der Rest, also etwa "The Imminent Vision", "My Fever", "Sado God" und "We Did Not Come To Heal", ist ebenso fehlerfreies wie unspektakuläres Gesäge. Im Publikum vergnügt sich ein Circle-Pit aus fünf, sechs Bekifften in Cliteater-Shirts und Perücken damit, Spiele wie Aufeinanderstapeln und Ausziehen zu testen. Das Porngrinderpit ist nach der Hälfte des Gigs für manche Leute ungleich interessanter als die Band auf der Bühne.

Auch FACEBREAKER mit dem bergähnlichen Ex-Edge Of Sanity-Sänger Rob Karlsson sind Schweden, klingen allerdings im Gegensatz zu Insision auch so und spielen kraftvollen Elchtod á la Dismember und Entombed. Das schnelle Einstiegstück "Slowly Rotting" täuscht und der Gig wird mit "The Demon", "Walking Dead", "Burner", "Soul Eater", "Unanimated Flesh" und "Devoured By Decay" sehr midtempolastig. Mein Fall ist die Old School-Bedienung, die auch live bis auf den guten Sänger und Frontmann nichts Unerwartetes bietet, nicht unbedingt, aber die Publikumsreaktionen sind anständig.

Koldbrann
Norwegens KOLDBRANN sind neben Endstille die zweite Band der trve-Fraktion und lassen mit ihrem abwechslungsreichem, rauem Black Metal die gefühlte Temperatur gleich ein paar Grad sinken. Das polterige Debüt "Nekrotisk Inkvisition" wird mit "Kaosmanifest" und "Koldbrann" bedacht, während von der starken "Moribund"-Scheibe "Alt Er Befengt" als Seteröffnung, die Abrissbirne "Steinet Til Jorden" mittendrin und "Bestial Swarm" als Setcloser wie in der Albumfassung mit Iblis von Endstille am Gastmikro (völlig unbemalt) zu hören sind. Auch das erstmals live zelebrierte Stück der kommenden EP, dessen Titel wie "Of Beer Fields Forever" klang, aber sicher nicht so lautete, setzt die gelungene "Moribund"-Linie fort und wäre das dunkle "Inkvisitor Renegat" vom Debüt noch ertönt, wäre die Setlist am Ende perfekt gewesen. Das Auftreten der mit Dreck und Farbe beschmierten Band ist leidlich gut, Sänger Mannevonds Reibeisenstimme klingt nicht ganz so geil wie auf Platte, Schlampigkeiten und Verspieler gibt es in nahezu jedem Song zu belächeln, aber wie bei Endstille gehört das hier irgendwie zum Charme dazu.

General Surgery
Dagegen sind GENERAL SURGERY eher dröge. Die treten zwar in Arztkitteln und blutbeschmiert auf die Bühne, wirken echt sympathisch und haben mächtig Spaß dabei, etwas durch die Gegend zu metzeln, aber ihr gurgeliger Death/Grind ist auf Dauer zu eindimensional. So tut es nicht Wunder, dass abgesehen von einigen Die-Hardlern mit Mundschutz in der ersten Reihe wenig Bewegung im Publikum zu sehen ist. "Kult" nennt man das ganze, wenn man es nett meint und das kompetent gezockte Carnage-Cover "The Day Man Lost" stimmt dann doch noch versöhnlich.

Vreid
Immer wenn ich VREID höre oder sehe, fällt mir kein Grund ein, warum man diese Band gut finden sollte. Ihre Show ist Mittelmaß und ihr epischer Black'n'Roll ist technisch und strukturell gar nicht übel, jedoch fehlen die guten Riffs, die gute Stimme, die zwingenden Ideen. Der Windir-Nachfolger gehört zu den Bands, bei denen alles Gute an den Arrangements hängen bleibt und die sind zwar gekonnt - die Songs sind dynamisch und abwechslungsreich -, aber das reicht noch nicht für gute Musik, es gibt irgendwie Mängel an der Basis. Lediglich ein Longtrack mit Geige fällt mir auf, den ganzen Rest habe ich wenige Minuten nach Setende schon wieder vergessen und finde später auf meinem Notizzettel nur kryptische Kommentare wie "'Fred' nennen" oder "Mit Klogang kombinieren".

Maroon
Ganz anders MAROON. Die sind von jeher eine gute Liveband und knallen einem ihren auf Platte nur mäßig spannenden, flotten Metalcore mit Todesbleianleihen voller Spielfreude und Energie um die Lauscher. Bei der Blastbeatnummer "Reach The Sun" bangen auch Leute in Morbid Angel-Shirts mit, zu den Riffs von "The Iron Council" nickt auch der eine oder andere Thrasher anerkennend und spätestens bei "The Worlds Havoc" und dem Setcloser "Wake Up In Hell" geht im Circle Pit ordentlich die Post ab. Weiter hinten im Publikum wird die musikalische Außenseiterposition der Thüringer, die sie mit Tyr teilen, allerdings deutlich. Etliche abschätzige Blicke sind zu sehen und einige Pappnasen schleichen sich nur nach vorne, um die vegane Band mit Wiener Würstchen zu bewerfen, was Sänger, Sympath und Energiebündel André mit gewohnt souveränen Sprüchen kontert. Genial etwa die Aufforderung zum Jubel "Und jetzt alle, die uns nicht mögen!" Spiel, Satz, Sieg!

Bei IMPALED NAZARENE treffen zwei Gegebenheiten glücklich aufeinander: Ich brauche eine Pause und will die Band ohnehin nicht sehen.

Dafür bin ich zu LEGION OF THE DAMNED wieder da, die einen bemerkenswerten Auftritt spielen. Erstens spart die Setlist das aktuelle Album "Feel The Blade" abgesehen von "Disturbing The Dead" völlig aus. Stattdessen wird "Sons Of The Jackal" mit dem Titeltrack "Sons Of The Jackal", "Sepulchral Ghoul", "Undead Stillborn" und "Diabolist" als gelungenem Rausschmeißer gut bedacht (was nicht weiter überrascht) und vom Debütalbum "Malevolent Rapture" gibt es mit "Werewolf Corpse", "Legion Of The Damned", "Bleed For Me" und "Malevolent Rapture" selbst auch gleich vier Stücke um die Ohren gethrasht (was dann doch überrascht). Zweitens hat die Band heute keinen Übertag erwischt. Besonders Maurice hinterlässt ein paar Fragezeichen. Seine Stimme ist mit zuviel Hall belegt und einige seiner Einsätze sind komplett neben der Spur. Zu guter letzt muss ein Song aufgrund akuter Verspieler auf der Gitarre vorzeitig abgebrochen werden, was der Band spürbar peinlich ist.
Alles in allem überzeugt der Gig dennoch. Das liegt zunächst an dem kompromisslosen, schnellen Old School-Gebolze, dann am überzeugenden Sound und zuletzt an der sympathischen Niederländer wunderbar langen Matten. Im Auditorium fliegen ebensolche in Massen und mehrmals fallen einem Crowdsurfer in den Nacken.

Behemoth
Nach dem niederländischen Sturm folgt der polnische Orkan. BEHEMOTH treten nach viel zu langer Umbaupause auf die Bühne und entfachen gleich mit dem Opener "Slaves Shall Serve" ein Inferno oberster Güteklasse; nackenzermalmender Synchronpropeller von vier Personen, perfektes Zusammenspiel, hasserfülltes Gebrüll und eine einzigartige musikalische Intensität. Herrlich, dieses martialische Auftreten! Behemoth sind, wie mir eine kundige Person aus dem Umkreis der Band mitteilt, nicht einfach Musik, sondern Musiktheater. D'accord! Zu jedem Moment ist klar, wer wo steht, wie gebangt wird und was als nächste Ansage folgt. Nergal plärrt immer noch "Come on, sisters and brothers harglbrschttebrks" in das Intro von "Demigod", bittet irgendwann um ein dreifaches "Fuck, yeah!" und kündigt "Decade Ov Therion" als "Decade Ov Mighty Fuckin' Therioooon" an; heute trägt er mit Ansagen wie "We bring the Evil back to Germany!" und dem Zerreißen des Neuen Testaments vor dem Hackepeter "Christgrinding Avenue" gleich besonders dick auf. Orion und Seth posieren zu "As Above So Below" und dem abschließenden "Chant For Eschaton" auf großen Podesten, die Nergal respektive seinen Hexagramm-Mikroständer flankieren und zu letztgenanntem Song fehlt natürlich auch die dämonische Maske des Fronters nicht. Kurz: Ein Spektakel wie im alten Rom. Die Show überzeugt ohne Abstriche und macht einmal mehr klar, warum Behemoth an die Spitze gehören - eine bessere Einheit aus Musik und Auftreten geht nicht. Die Setlist besticht durch ihre Festival-, d.h. Massentauglichkeit. Neben den genannten und bekannten Tracks gibt es "At The Left Hand Ov God", "Antichristian Phenomenon", "Prometherion" und "Conquer All" zu hören, also genau die Songs, zu denen auch Videoclips existieren. Und "Sculpting The Throne Of Seth" kam wie in Berlin vor einem Jahr wieder nicht. Damned!

Natürlich können OBITUARY dagegen für den Verfasser dieser Zeilen nicht anstinken. Auch die Masse vor der Bühne ist zwar groß, aber für einen Headliner von diesem Legendenstatus nicht unbedingt desinteressiert, doch vergleichsweise unbewegt. Macht natürlich nix, Obituary treten trotzdem und auch trotz eisiger Kälte im gewohnten Bermuda-Look auf die Bühne und machen sich bei tadellosem Sound auf einen Streifzug durch die Greatest Hits ihrer Discographie, der mit "Find The Arise" vom Zweitling "Cause Of Death" stilecht eingeleitet und mit der gnadenlos abgefeierten Zugabe "Slowly We Rot" vom gleichnamigen Debüt stilecht beendet wird. Dazwischen gibt es in Form von Neuigkeiten wie "Drop Dead" und "Face Your God" sowie Klassikern wie "Chopped In Half" oder "Find The Arise" ordentlich Groove und Schmackes, den John Tardy und Trevor Peres mit ihren langen, wehenden Matten garnieren. Neben dem überflüssigen Schlagzeugsolo von Donald Tardy klimpert heute auch der Allan West-Interimsersatz Ralph Santolla etwas auf der Gitarre vor. Überhaupt wertet der Mann mit seinen melodiösen Leads den immer gleichen Mischmasch aus Uptempo-Strophen und Groove-Refrains spürbar auf und ist damit für Obituary musikalisch eine ähnliche Bereicherung, wie er es für Deicide war. Ihm sei deshalb der vorletzte Satz dieses Reviews gegönnt, also dieser. Und damit hat der ganze Spaß für dieses Jahr ein Ende.



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