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Party.San-Festival   10.-12.08.2006   Bad Berka
von ta und Jonas Pretzsch, "ich" meint immer ta

Das Party.San im thüringischen Bad Berka ist über die Jahre zu DER Festivalinstitution für extremen Metal in Deutschland geworden. Musikalisch völlig zu Recht: Schaut man sich das stets fabelhafte Billing an, findet man - gerade 2006 - das gesamte Spektrum von Death/Grind bis Black Metal kompetent abgedeckt. Für das nächste Jahr wären lediglich zwei, drei Thrash-Bands auf der Hauptbühne - der größeren Bandbreite wegen - empfehlenswert. Dieses Jahr musste leider gerade die einzige Hauptbühnen-Thrash-Kapelle des Festivals, Dew-Scented, kurzfristig absagen - und wurde mit Death Metal ersetzt - und das Frankfurter Urgestein Tankard spielte denkbar spät, nämlich Samstag weit nach Mitternacht (also eigentlich Sonntag) und zudem nur auf der Zeltbühne. Die Chronik zum Konzertgeschehen folgt weiter unten. Eins vorweg: Der Sound auf dem gesamten Festival überzeugte ohne Wenn und Aber. Wenn an späterer Stelle von Verfasserseite dennoch ab und zu gemosert wird, dann nur, weil es eben generell immer noch besser geht.

Die Bühne
Ein gutes Festival lebt nicht nur von guter Musik, sondern auch von einem guten Drumherum. Auch hier punktet das Party.San, wenngleich nicht ganz so sehr wie aufgrund seiner musikalischen Überzeugungskraft.
1. Die Verpflegungspreise auf dem Konzertgelände sind im Vergleich mit größeren Veranstaltungen gut und im Vergleich mit etwas kleineren Festivals wie dem Up From The Ground im fränkischen Gemünden ebenfalls (beide Festivals halten sich preislich etwa die Waage). Das Speiseangebot übersteigt hierbei den gewohnten Festivalstandard mit Halbhähnchen-, Pommes-, Nudel-, Döner- und Frikadellenbuden nicht wesentlich, allerdings überraschen ein, zwei Süßwarenstände, an denen Crepes auf den Verzehr warten. Gegen Nacht wird die Zubereitung der Fritten leider schon mal etwas schlampig und auch die chinesische Nudelpfanne macht einen optisch eher bescheidenen Eindruck (wir haben selbst keine gekostet), aber im Hinblick die Zubereitung sollte man auf solchen Veranstaltungen, bei denen die Köche unter stundenlangem Dauerstress stehen - der Hähnchenverkäufer etwa sah Freitags um Mitternacht so aus, als stände er kurz vor dem Herzkasper -, ohnehin nicht allzu viel erwarten bzw. ein, zwei Augen zudrücken.

Blick über das Festivalgelände
2. Das Camping-Areal liegt nahe am Konzertgelände. Wir waren vergleichsweise weit hinten einquartiert und brauchten nur etwa 7-8 Minuten bis zum Eingang. Super! Der Platz selbst ist ideal und bietet (zumindest nach dem Dauerregen der Tage vor dem Festival) einen weichen Boden. Durch die leicht abschüssige Lage in Richtung Bühne hat man übrigens sogar am Zelt noch einen anständigen Sound.
3. Die Dixies wurden ständig gereinigt, mehrmals am Tag. Das haben wir auf noch keinem weiteren Festival so bewusst wahrgenommen.
4. Negative Vorfälle bezüglich der Security sind uns überhaupt keine zu Ohren oder Augen gekommen. Einige Gelbwesten wirkten zwar schon recht früh gestresst und ungemütlich (die Einweiser an der Straße), genug andere - besonders die netten Herren und Damen im Office und die Einlasser zum Konzertgelände - waren aber die ganze Zeit über locker und zeigten sich sofort hilfsbereit, als wir kamen und um einen Drahtbügel zum Aufbrechen des (eigenen!) Autos baten.
5. Das Publikum. Ein paar Gestörte und ein Riesenberg an positiv verrückten, feierwütigen und überaus korrekten Metallern. Der übliche Mix halt. (Danke an der Stelle noch mal an den ganzen Pulk, der uns mit mehr oder weniger sinnvollen Vorschlägen beim Autoknacken zur Seite stand.) Der Anteil an jungen, gut aussehenden Fräuleins war übrigens immens hoch. Muss an dem ganzen Black Metal liegen … Und über die paar Rechtsaußenverirrten: Mensch Leute, jeder rechte Kläffer weiß im Voraus, dass ihn der Veranstalter nicht sehen will und flugs rausschmeißt (ist ja auch passiert). Dass trotzdem ab und zu einer sich als Neonaziableger ausweist, liegt doch wohl zu 90% daran, dass das Publikum (nicht nur das auf dem PSOA - und mich eingeschlossen) nicht genug Courage zeigt, um die entsprechend instruierte Security zu informieren. Foren-Diskussionen über das Auftreten von Black Metal-Bands, mehr Statements von Veranstalterseite und faule Sicherheitskräfte sorgen nicht nur für eine gnadenlose Überbewertung des Themas, sondern setzen m.E. an der falschen Stelle an, nämlich bei den Leuten hinter, nicht bei denen vor der Bühne.

Für die Verfasser ist 2006 das erste Party.San gewesen und sie waren im Wesentlichen positiv überrascht. Gratulation an das Veranstalter-/Booking-Trio um Jarne, Mieze und Boy für ein Super-Festival! Und in diesem Sinne: Auf ins Gefecht.

Donnerstag
Traditionell beginnt das Party.San bereits Donnerstagabend mit einigen Bands im Zelt. Die erste dieser Bands, ERODED, verpassen wir leider vollständig aufgrund der bereits extrem langen Schlange vor dem Zelt und eines zugegebenermaßen selbstverschuldeten Problems auf unserem Campingplatz (weiter oben ist angedeutet, welches). Sorry an ERODED dafür.
Von HELRUNAR bekommen wir immerhin den größeren Teil des Auftritts noch mit und die beweisen auch recht schnell, dass der Rezensent irgend etwas im Black Metal-Underground verpasst haben muss: Der Band wird gehuldigt ohne Ende, bis in die hinteren Reihen stehen Headbanger, die alle Texte mitskandieren, bei "Älter als das Kreuz" und dem abschließenden "Dreifach Dorn" (beide von der aktuellen CD "Frostnacht") brechen schließlich alle Dämme und der Jubel ist größer als bei manch bekanntem Act. HELRUNARs Pagan/Black Metal kommt mit deutschen und gar nicht dummen, heidnischen Texten daher, überzeugt durch erhabene Riffs und gelungene Ruhepole, wird an diesem Abend zudem tight vorgetragen und an eine selbstbewusste Performance gekoppelt. Wirklich gut, ich bin überrascht.
HATE mögen BEHEMOTH, das bringt schon mal Pluspunkte. Sowohl showtechnisch (dezente weiße Schminke, maschinenartiges Synchronbangen, dominante Ausstrahlung) als auch musikalisch - Hate spielen intensiven, schnellen Death Metal mit einer Prise Schwarzmetall - gibt es eindeutige Parallelen zwischen den beiden polnischen Bösebösebruderschaften, allerdings gehen HATE rhythmusbetonter vor und scheuen sich nicht davor, auf die harschen Blastbeats von Drummer Hexen tiefgestimmte Groove-Riffs zu legen, vergleichbar etwa mit Immortal zu "Damned In Black"-Zeiten. Das geht in den Nacken und sorgt für den einen oder anderen Moshpit im Auditorium, welches die Band mit "Hate"-Sprechchören und lautem Jubel begrüßt. Nur die wenigen pseudosatanistischen Ansagen vom Sangesmann, der sich unter Verlust jeglichen Realitätssinns als Adam The First Sinner betitelt, sowie eine halbstündige Umbaupause vor dem Gig, welche dafür sorgt, dass selbiger nur 30 anstelle von 45 Minuten dauert, fallen negativ aus dem Rahmen. Dafür gibt's am Ende noch ein gelungenes Slayer-Cover, "Postmortem" nämlich, um die Ohren gehauen.
Die anschließend die Bühne enternden Schweden von WATAIN sind eine Handvoll kleiner Black Metal-Asis und darum richtig gut. Die Musik: Mitteneunzigergepolter mit Rasierapparatgitarren und viel Blastgeholze, technisch durchaus kompetent rübergebracht; die Show: zwischen zwei monströsen Petruskreuzen hampeln fünf blutverschmierte Pandafratzen rum und funkeln böse mit den Augen; der Sound: gitarrentechnisch etwas verwaschen, aber die Drums und die völlig coole Reibeisenstimme von Vokalist Curse kommen perfekt zur Geltung. 15 Minuten Verspätung ergeben zwar nur 35 Minuten Spielzeit, aber diese Zeitspanne ist definitiv gut gefüllt, wenn man auf den Kram steht. Die Publikumsreaktionen fallen gespalten aus, während eine Hälfte das skandinavische Quintett wie den Deibel höchstpersönlich feiert, schaut die andere eher irritiert bis gelangweilt oder flüchtet nach draußen, wo die Luft nicht so nach Schwefel stinkt. Hell, yeah.
Der Donnerstagsheadliner MASTER ist dann sozusagen ein WATAIN des Death Metal: Einfach, kultig und Old School wie Sau. Soll heißen: Der halbe Meter Bart, den Paul Speckmann am Kinn spazieren trägt, hängt auch an der Musik des charmanten Dreiergestirns. MASTER spielen tight wie eine Eins, haben einen brillanten Sound vorzuweisen, entfachen für ein Trio enormen Druck und Speckmanns Stimme geht wirklich durch Mark und Bein. Die Hälfte der potenziellen Zuschauerschar ist zwar bereits abgedampft, der Rest lässt es an Respekt für eine altehrwürdige Death Metal-Konstante aber nicht mangeln und klatscht eifrig Beifall nach Songs wie "Submerged In Sin", "Funeral Bitch", "Cut Through The Filth" oder "Unknown Soldier" (mit An- bzw. Absage gen George Warrior Bush). Dass ich die ganze Chose musikalisch nicht so richtig ernst nehmen kann und gegen Mitte des Gigs beinahe so etwas wie Mitleid empfinde, weil MASTER auf so naive, selbstverständliche Weise einfach nur reaktionär tönen, ist vielleicht wirklich meine Schuld und nichts weiter. Nennen wir es Kult, dann sind alle zufrieden. Es war nett. Ab ins Bett.

Freitag
Unsere linken Zeltnachbarn sind totale Vollspacken und holen den halben Zeltplatz in aller Herrgottsfrühe mit beschissenem Na-so-halb-Musik-so-halb-Schweineschlacht-Sound aus den nichtvorhandenen Federn, jeden Morgen aufs Neue. Jungs, ihr seid ja so was von heavy, jetzt wissen's auch wirklich alle ... Der lange Vormittag geht für das übliche Leutekennenlernen und Gegenderkunden drauf, bevor KILLING SPREE um 14.00 Uhr den letzten Morgenurin sanft aus dem Leiter drücken und das Festival als erster Freiluft-Act ganz offiziell einläuten. Die Position als erste Band des Tages ist traditionsgemäß undankbar, Sänger Andre Voigt weiß das und thematisiert es in seinen Ansagen, macht aber wie der Rest der Band das Beste daraus und liefert eine engagierte, wenngleich steigerbare Show (Headbangen ist dann eben doch noch etwas mehr als bloßes Kopfnicken), die für immer mehr Zuschauerzufluss sorgt. OK, sechs Mann ist gleich ein mäßiger Sound - den Keyboarder etwa hätte man gar nicht erst einstöpseln brauchen -, aber die Musik von KILLING SPREE erweist sich als gar nicht übel, pendelt irgendwo zwischen Crematory und groovigem Death Metal, könnte nur auf Dauer etwas mehr Abwechslung vertragen. Aufmerker: Der Rauswerfer "Choose One" und Bassist Jörg Reinhardt, welcher optisch der Vater des linken Gitarristen, Jörg Giesecke, sein könnte.
KAAMOS machen das einzig Richtige und lösen sich nach ihrer Show auf, hehe. Nichts gegen die Show des Quartetts, aber der flotte Steinzeitdeath der Band langweilt bereits beim zweiten Song, der heute "Lucifer Rising" heißt. Sänger Karl atmet in den Ansagen laut und heftig ins Mikro, hat einen mörderischen Propeller drauf und spieltechnisch ist sowieso alles im grünen Bereich, so dass die "Black Revelation", das "Blood Of Chaos" oder das "Doom Of Man" blitzsauber aus den Boxen geschrotet kommen. Der ein für allemal letzte Song, den Kaamos zelebrieren, nennt sich "Prophecies" und im Publikum schaut ein Sprachkünstler auf mein Shirt und lallt "Du bis ja behämott". Mehr gibt's eigentlich nicht zu sagen.

Severe Torture
Wegen ihrer selten dämlichen Gewaltcover könnte man SEVERE TORTURE leicht in die Ganz-dumpf-oder-zumindest-sehr-nah-dran-Schublade stecken, aber der holländische Fünfer überrascht mit passablem Death/Grind-Gehacke und einer guten Rhythmusabteilung, nämlich einem brauchbaren, tighten Drummer und dem exzellenten, permanent die Matte schüttelnden Bassisten Patrick, der mit seinen Fingern über das Griffbrett wetzt wie ein zugekokstes Eichhörnchen. Die Stimmbänder vom schlaksigen Grunzmännel Dennis indes geben nur undefiniertes Gegurgel frei und auch beim Gitarrensound wären ein paar Mitten nicht übel gewesen. Aber Wurst, der schwerstens tätowierte Severe Torture/Dew-Scented/Blo.Torch-Gitarrero Marvin hat ohnehin die coolste Death Metal-Gitarrenhaltung aller Zeiten im Programm: Den Rücken weit nach vorne beugen, die Gitarre auf den rechten Oberschenkel stellen und so stark wie möglich nach vorne kippen, zuletzt die Mähne darüber hängen und abnicken. Funktioniert natürlich nur bei Modellen mit entsprechend großem Korpus. Viele Crowdsurfer, Headbanger und Zugabenverlanger würdigen den guten Auftritt der Band, wessen sich der Rezensent im Wesentlichen anschließt.
Die Enttäuschung des Festivals folgt bei Fuß: DEW-SCENTED, eine der besten Thrash-Kapellen überhaupt, müssen ihren Auftritt wieder mal aufgrund von Personalproblemen (immerhin ist die Gruppe mit Alexander von Obscenity und Marvin von, Uups, SEVERE TORTURE auf mindestens zwei Gastmusiker angewiesen) sausen lassen und können so kurzfristig mit FALL OF SERENITY nicht adäquat ersetzt werden. Diese liefern zwar einen gewohnt guten Auftritt mit viel Bewegung und tightem Zusammenspiel, ihre um einen Berg Blastbeats härtemäßig aufgestockte Version von Dismember kann gegen das filigrane DEW-SCENTED-Gewüte aber zu keinem Moment anstinken, zumal an Death Metal auf diesem Festival wahrlich kein Mangel ist. Mäßig.
Pünktlich zu DESTRÖYER 666 finden wir uns direkt vor der Bühne wieder. Die lustigen Australier covern zwar am Ende ihres Auftritts mit "Too Loud For The Crowd" einen Song, den schon in der Originalversion von Venom kein Mensch braucht, lassen aber in den vierzig Minuten davor fast nichts anbrennen. "Fast", weil zwischendurch die linke Gitarre abschmiert und auch das flugs herbeigebrachte neue Gerät erst einmal keinen Ton von sich gibt. Abgesehen davon ist die originelle Mixtur des Trupps, die sich grob als Thrash Metal mit Blastbeats beschreiben ließe (bei der Detailbeschreibung müssten noch einige Black- und Death Metal-Elemente addiert werden), auf dem Party.San genau richtig platziert. Songs wie "Black City, Black Fire", "Australien And Antichrist", "Phoenix Rising" oder "Sons Of Perdition" werden begeistert mitgebangt und mitgegrölt, das Verfasserduo sichtet Australienflaggen, Plastikbeile und Krücken, welche in der Menge hochgehalten werden. Die mit kiloweise Nieten bepackte Band selbst bangt inkl. ihres Drummers, dass es eine Freude ist und der (nicht mal per Ansage angekündigter) Gastauftritt von Primordial-Barde Alan A. Nemtheanga setzt dem Ganzen die Krone auf. Partystimmung macht sich breit.
Und TURISAS steigern dieselbe noch mal um hundert Prozent. Die Finnen gehören zu den Gewinnern des gesamten Festivals. Ihr (super abgemischter) melodiöser Folk/Black-Metal lädt ebenso zum Matten- wie Tanzbeinschwingen ein und bekommt auf dem Party.San gleich beides, wird von einer wahren "Battle Metal Crowd" beklatscht, belacht und bewundert. Kein Wunder bei den audiovisuellen Eindrücken. Sieben über und über bemalte und in Fellkostüme gehüllte Musiker, von denen einer schräger als der andere aussieht und der andere wieder schräger als der nächste post, rennen pausenlos über die Bühne und schaffen es dabei irgendwie, ihre Musik fehlerfrei aus den Boxen zu pusten. An Höhepunkten kein Mangel: Der ohnehin sehr im Mittelpunkt stehende, rotzfreche Geiger Olli Vänskä liefert ein frickeliges Solo mit Gitarrenverzerrung, die herrlich humorig-martialischen Ansagen von Sänger Warlord Nygard regen zum Schmunzeln an, Bassist Hannes Horma (inzwischen kurzgeschoren - oder es war jemand anders) kombiniert elefantenfüßiges Bühnengestampfe mit der größten Grinsefresse des Universums (blitzblankes Gebiss auf völlig verrußtem Gesicht) und bildet den perfekten Ausgleich zu Akkordeon-Hampelmann Janne Mäkinen, dessen Bemalung eher in Richtung "kleines beleidigtes Mädchen" tendiert und der sein Instrument auch mal tänzelnd über dem Kopf spielt. Das Beste aber ist: Bei allen nennenswerten Einzelheiten trifft die Band in den richtigen Momenten immer wieder zusammen - besonders die beherzten Männerchöre aus bis zu sechs Mündern sind eine Wucht. Stilecht beendet die Finnenbande ihren Auftritt mit einem Instrumentalmedley, welches u.a. das Charpentiersche Eurovisions-Präludium, die Titelmelodie der Western-Kultserie "Bonanza" und den Schmachter "Lambada" von Kaoma durch den Metal-Kakao zieht. Was für eine Feier! Den einzigen nachdenklich stimmenden Moment liefert der Warlord mit dem Statement, dass Georg Laasko vorerst nicht ersetzt werde. Der zweite Gitarrist der Band ist nach einem schweren Autounfall seit Oktober 2005 an den Rollstuhl gefesselt und ihm steht noch eine lange Genesungszeit bevor, bis er wieder eine Gitarre wird zur Hand nehmen, geschweige denn auf einer Bühne wird stehen können. Gute Besserung!

Diejenigen, die von der Jagd nie Fell heim bringen
Hurtig einen Apfelsaft gekippt und weiter geht's. Die Schweden von NIFELHEIM sind echte Komiker: Musikalisch primitiv ohne Ende, Black/Thrash Metal aus dem Sparstrumpf sozusagen, mit Musikern, von denen ein jeder exakt 100 Kilogramm wiegt (80 kg Normalgewicht, 20 kg Nieten), einem halben Schminktopf in jedem Gesicht, fiesen Fressen, die im Akkord verzogen werden, Evil-Posen bis zum Abwinken, einem bösen Bühnenbild mit allerlei Schnickschnack und unsterblichen Songtiteln wie "Satanic Sacrifice", "The Final Slaughter" oder "Storm Of Satans Fire" - welcome in Nifelheim, where Quark becomes art. Kreischwürfel Hellbutchers Halbglatze verrät, dass wir hier offenbar in einer Zeitschleife gefangen sind und seine Band rumpelt und pumpelt dazu den passenden, sauschlechten Retro-Mist. Im Publikum bangen vorne die Besoffenen (meine Güte, es ist immerhin bereits 20.00 Uhr), während weiter hinten kräftig gelacht wird. Muss ungefähr eine Stimmung sein wie auf Venom-Konzerten in den 80ern. Fazit: Coole Satire. Randproblem: Offenbar ist das Ganze nicht satirisch gemeint.
Zu CRYPTOPSY verschwindet die Nifelheim-Crowd so schnell es geht ins Dixie und alle Mathematikstudenten strömen vor die Bühne. Die kanadischen Holzfäller gehören zu den extremsten Bands des gesamten Festivals und hacken eine Dreiviertelstunde alles in Grund und Boden, auf höchstem technischen Niveau und mit Brutalitätsstufe 11 auf einer Skala von 1 bis 10. Das "Whisper Supremacy"-Massaker "White Worms" und der megaheftige Ballerklassiker "Crown Of Horns" prasseln eröffnend auf die Meute nieder wie ein Stahlregen mit Tennisballtropfen. Strike und aus, Gnadenschreie werden laut, doch die weiße Fahne hat's gleich mitzerfetzt. Passend dazu rammelt die Band über die Bretter als Gestörtenverein der Sonderklasse: Der wieder neu hinzu gestoßene Growler und Wurmfutterer Lord Worm kombiniert Stolpern, Bangen und Grunzen mit gebetsartigen Posen und Designerklamotten, Bassist Eric Langlois hat einen der derbsten Propeller aller Zeiten drauf und der neue Mann an der zweiten Gitarre kickt um sich wie ein vor Adrenalin strotzender Hardcore-Hüpfer. Im Hintergrund tackert Donnerfuß Flo Mounier seine ICE-Blastbeats zu den Gewaltorgien "Slit Your Guts", "Cold Hate, Warm Blood" und dem abschließenden Gnadenschuss "Phobophile" (genialer Titel auch) gewohnt stoisch. Vom neuen Album "Once Was Not" gibt es "Carrionshine" und "Frantic Face Of Dying" um die Ohren geprügelt, auf richtige Ansagepausen wird nahezu gänzlich verzichtet und die einzigen ruhigen Momente bleiben damit ständig vor die Songs gesetzte Intro-Samples, welche die unwirkliche Stimmung der ganzen Veranstaltung perfekt unterstützen. Was für ein Gemetzel, völlig krank! Leider kommt aus der P.A. anfangs nur eine undurchsichtige Lärmwand, aber bei Cryptopsy vergießt ein Mischer ohnehin mehr Schweiß als jeder einzelne Algorithmenbanger im Publikum.
ENSLAVED sind anschließend eine ganz andere Hausnummer. Seit der 2000er Offenbarung "Mardraum" hat die Band eine progressive Genialität nach der anderen auf den Markt geworfen und auch der Neuling "Ruun" bildet in der Riege hochklassiger Musikprodukte keine Ausnahme. Von eben diesem Album ertönen an diesem Abend das packende "Fusion Of Sense And Earth", ganz dynamisch "Ruun" und als Rausschmeißer "Essence", welches den ENSLAVED-Kosmos titelgemäß wunderbar auf den Punkt bringt. "Isa" wird mit dem Titeltrack, der rein schwarzmetallischen Vergangenheit mit dem "Frost"-Klassiker "Loke" Tribut gezollt, vom göttlichen Albumtrio um "Mardraum" und die beiden sehr experimentellen Scheiben "Beyond The Light" und "Monumension" hat es dagegen leider nur ein einziger Song in die Setlist geschafft. Woran liegt's? Zum Einen natürlich an der Songauswahl der Band. Zum Anderen daran, dass aufgrund zeitlicher Verzögerungen in der Umbaupause vor dem Gig nach 35-40 Minuten desselben bereits die Segel gestrichen werden müssen, so dass ein bis zwei Songs nicht gespielt werden können. Das ist ärgerlich, vor allem angesichts der Tatsache, dass man ENSLAVED hierzulande nicht so oft zu Gesicht bekommt. Apropos "Gesicht": Solch sympathische, natürliche Musiker sind im Black/Viking Metal selten. Kjellson, Bjørnson und Co. lachen, rennen über die Bühne, posen auch mal übel 80s-like mit dem Instrument (so Gitarrist Arve Isdal) und verbreiten einfach gute Laune, auch wenn der eine oder andere Songpart mal etwas schräg daherkommt. Die sehr unsicher vorgetragenen klaren Gesänge von Grutle Kjellson und Keyboarder Herbrand Larsen sind der Hauptgrund dieser Schräge. Aber sei's drum, das sind ja nur Bagatellen. Enslaved spielen einen überzeugenden Gig mit kleinem Schönheitsfehler: Er ist zu kurz.
Auch der Auftritt, den KATAKLYSM kredenzen, fällt aus dem Rahmen des Herkömmlichen. Obwohl sich die zeitliche Verzögerung bereits einer Dreiviertelstunde nähert, darf die Band die gesamte Spielzeit von etwa 45 Minuten nicht nur voll ausschöpfen, sondern sogar noch zwanzig Minuten respektive fünf Songs dranhängen, weil nebenher Kameras und Mikros für die kommende Live-DVD mitsurren. Entsprechend eingespielt und bewegungsfreudig präsentiert sich die kanadische Dampframme. Probleme bereitet dem Rezensenten allerdings die Setlist. Gleich mit fünf Nennungen, darunter "Like Angels Weeping (The Dark)", "Crippled And Broken" und "The Road To Devastaion" (gelungen als schleppender Rauswerfer) ist das neue Album "In The Arms Of Devastation" vertreten und die Berücksichtigung der vorherigen Schaffensphase reicht lediglich drei weitere Alben zurück, also bis "Epic", von dem das wirklich epische "As The Glorious Weep (Roma Pt. II)" seine Europapremiere feiert. Der Rest der Spielzeit geht für die Pflichtnummern "Manipulator Of Souls", "Shadows And Dust" und "Ambassador Of Pain" drauf, sowie für "As I Slither", "The Ressurected" (beide vom durchwachsenen "Serenity In Fire"-Album) und "Face The Face Of War", drei jüngere Tracks, die ich lieber durch ein paar alte ersetzt gesehen hätte. Show- und spieltechnisch dagegen ist alles in Butter, wie man es eben von den Kanadiern gewohnt ist: Tight wie der berüchtigte Entenpopo und inzwischen weltmeisterlich präzise im Synchronpropellern. Rückkehrer Max Duhamel leistet getriggerte Schwerstarbeit hinter dem Kit, das inoffizielle Drummerduell zwischen den kanadischen Prüglern hat aber anderthalb Stunden vorher bereits CRYPTOPSYs Flo Mounier für sich entschieden. Bätsch! Freuen darf man sich auf die KATAKLYSM-DVD natürlich trotzdem.
Übrigens: Death Metal-Senior Singh, den man ja überall und ständig auf Konzerten antrifft und auch stets schon von weitem am Turban erkennt, gehört offenbar mit zum Tourtross von KATAKLYSM, wird vor dem letzten Song durch die wandelnde Anabolikawerbung Maurizio Iacono auf die Bühne gerufen und freut sich sichtlich über den stürmischen Jubel des Publikums.
An- und abschließend HYPOCRISY. Die sind ebenfalls mit komischer Setlist am Start, spielen allerdings im Gegensatz zu KATAKLYSM nicht zu viele, sondern etwas zu wenig ganz neue bzw. neuere Songs. Die jüngste Scheibe, "Virus", wird zwar noch mit "Warpath" und "Let The Knife Do The Talking" bedacht, ansonsten gibt's aber eine Menge an klassisch gewordenem, epischen Midtempo der Marke "Fractured Millenium" (wie immer als Opener), "Fire In The Sky", "Roswell 47" und "The Final Chapter" (Yesssss!) zu hören, mit "Killing Art", "Osculum Obscenum" und - Überraschung - "Impotent God" sind sogar drei rabiate Uraltklamotten vertreten. Sound und Lichtshow sind erstklassig und die Band zeigt sich in Showstimmung. Highlight: Peter Tägtgren, einer der Death Metal-Fronter, die sich am meisten für ihr Publikum anstrengen, dabei stets sympathisch rüberkommen und mit einer Stimmgewalt und -variabilität gesegnet sind, welche ihresgleichen sucht. Bei Eiseskälte und nach einer Verspätung von locker einer Stunde werden HYPOCRISY von beinahe allen Campern frenetisch bejubelt und der Platz vor der Bühne gleicht einem Headbangermeer. Trotzdem sind wir am Ende heilfroh, endlich im Zelt verschwinden zu können. Mensch, ist das wieder mal laut drum herum. Gute Nacht.

Samstag
Guten Morgen. Es ist 9.00 Uhr und unsere Nachbarn (diesmal rechts), von denen noch gestern einer neben unserem Zelt ungeniert seinen Magensäften freien Lauf ließ, sind schon wieder am Saufen. Kein Wunder, dass das Gesprächsniveau bereits gegen Mittag von jeder Seifenoper locker übertroffen wird. Themenkatalog: Saufen, Ficken, Ficken, Musik, Saufen, Saufen, Musik, Ficken. Wir sind spießig, gucken uns Bad Berka an, essen was Feines und verschwinden beim mittäglichen Wolkenbruch sofort ins Auto.
AKRIVAL sind die Samstags-Überraschung. Keiner kennt sie, alle sind überrascht und sogar dem Regen gebietet Petrus verdattert Einhalt: Frickliger Black Metal, der eine leichte Schlagseite gen Chuck Schuldiners Death aufweist, und das mittags um 14.00 Uhr? Volle Punktzahl! AKRIVAL bangen, was das Zeug hält und ziehen mit jedem neuen Song mehr Zuschauer auf ihre Seite respektive zur Nackenschelle. Klischees gibt's fast überhaupt keine, Corpsepaint und garstige Sprüche sind out, dafür trägt Bassist Rough arschlange Dreadlocks spazieren und Drummer Borisshk (kein Verschreiber!) ist auch in jeder komplexen Thrash-Band gut aufgehoben. Wäre allerdings cool gewesen, wenn man ein wenig mehr als nur ihn ohne Anstrengung hätte vernehmen können. Trotzdem: Gute Band, gute Musik, guter Auftritt - übernächstes Jahr an gleicher Stelle, nur drei Stunden später?
Bei MOURNING BELOVETH wird das Anschlagstempo dann erst mal fünf Stufen runter gefahren. Die bärtigen Iren entpuppen sich als düsterste und langsamste Combo des ganzen Festivals und zelebrieren ihre Musik voller Hingabe. 45 Minuten Spielzeit reichen ihnen für ganze vier Songs und diese werden von überraschend vielen Metallern mit begeistertem Jubel bedacht, darunter auch Primordials Alan, welcher per Luftschlagzeug jedes Break exstatisch mittrommelt. Bemerkenswert, besonders hinsichtlich dessen, dass sich die Stücke für Uneingeweihte kaum auseinander halten lassen. Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass der an alte Paradise Lost und mittelalte My Dying Bride angelehnte Doom Metal der Band unter freiem Himmel und bei strahlendem Sonnenschein nicht annähernd die gleichen Wirkungen zeitigt wie in einem Club und mit entsprechendem Begleitprogramm. Der Leipziger Auftritt im Rahmen der jüngsten Primordial-Tour jedenfalls war ungleich mitreißender.
Aus Eindhoven kommen ROMPEPROP und die sind so suppi, dass wir uns nach ein paar Songs an die Merchandise- und CD-Stände auf dem Konzertgelände verdrücken. Drei in blutige Linnen geworfene Hampelmänner, ranzdummer Goregrind, der mal midtempolastig poltert und mal blastig hackt, dazu ein Sänger mit einem Organ wie ein kaputter Traktormotor ergeben am Ende einen ganzen Packen Krach, formschön für die Musiksperrmüllhalde zurechtgemüllt. Den einzigen Lichtblick bilden die aberwitzigen Ansagen, mit denen Sänger Steven Splattersmegma selbstironisch seine Band aufs Korn nimmt und einiges an Wortwitz beweist.
Das Phänomen Krach geht bei ROTTEN SOUND gleich weiter. Deren Highspeed-Grind Marke Nasum, Deathbound und Co. kommt ganz ohne Melodien aus und wird mit Armkrampf und voller Power vorgetragen. Keine Ahnung, welche Songs sie gespielt haben und wie viele, aber ganz cool. Ein wenig schade ist's nur um den begabten Drummer Sami Latva, der seinen nicht minder begabten Vorgänger Kai Haato bereits auf der aktuellen EP "Consume To Contaminate" eindrucksvoll ersetzte und dessen differenzierte Blastbeats die 08/15-Krachgitarren der Saitenabteilung Mika/Toni noch so aufwerten, dass einem nicht schon nach drei Songs die Füße einschlafen. Denn spätestens in den zähen Midtempoteilen wird klar, dass rifftechnisch bei ROTTEN SOUND einiges im Argen liegt. Indes stehen wir mit dieser Meinung ziemlich alleine auf dem Konzertgelände, denn die Finnen werden bejubelt und mit einem Berg Crowdsurfern belohnt. Endergebnis: Keine Ahnung, welche Songs ... ach, hatten wir schon.
DESASTER hat's diesmal erwischt. Sie sind die einzige Hauptbühnenband des Festivals, die wir verpassen, weil das Öhrchen nach Ruhe und der Magen nach lappigem Toastbrot quäkt. Entschuldigung an den publikumsnahen Trupp, der Augen- und Ohrenzeugenberichten zufolge einen überzeugenden Gig inklusive des Sepultura-Covers "Troops Of Doom" gespielt haben soll.
Bei SETHERIAL, dem Diabolical Torchbearer/Chaosdaemon/In Battle/Blackwinds-Inzest aus Schweden sind wir wieder am Start, satt und zufrieden. Doch die Band langweilt heute irgendwie zu Tode. Liegt's an den schwachbrüstigen Gitarren, die bei den Blaststellen nur Rauschen von sich geben? Liegt's daran, dass jeder neue Song wie der vorherige klingt? Oder schlicht daran, dass bei strahlender Nachmittagssonne bemalte Bösegucker, Gekreische, bei dem man nur alle zwei Verse das Wort "Satan" versteht, und der enorm Dark Funeral-lastige Black Metal der Band einfach nicht funktionieren? Am Ende vermutlich an einer Kombination aus all dem. Vom kompromisslosen Hackalbum "Hell Eternal" gibt's nichts zu hören, dafür wird eine Latte an Songs aus der neuen Scheibe vorgestellt, von denen sich der Titeltrack "Death Triumphant" am positivsten hervorhebt. Frontmann Bztzlevilhrschn sagt das letzte Stück des Gigs versehentlich fünf Minuten zu früh an, statt sich zu korrigieren, verkauft er das tatsächliche letzte Stück "Summon The Lord With Horns" dem Publikum dann in der regulären Spielzeit als Zugabe und dies auch noch ohne dass jemand auch nur zehn Sekunden Zeit gehabt hätte, überhaupt nach einer Zugabe zu verlangen - affig. Immerhin gibt's genug Bewegung von der Saitenabteilung. So richtig gebraucht hat man den Auftritt am Ende aber trotzdem nicht.
Ganz im Gegensatz zu dem von THYRFING. Die sind nämlich auf Platte etwas langweilig, aber dafür eine erstklassige Liveband. Diesmal nicht mit Schweineblut, sondern mit massenweise Dreck beschmiert (der Utensilienkoffer mit dem Blut ist auf dem Flughafen verloren gegangen - kein Witz!) zeigen sich die Viking Metaller sehr beweglich und dominant. Besonders Blondschopf und Sangesmann Thomas Väänänen hat das Publikum voll im Griff und stampft über die Bühne wie ein James Hetfield ohne Gitarre. Die Midtemposongs der Band entfachen live enormen Druck und sorgen für Headbangerrekorde im Auditorium, das nach SETHERIAL merklich gewachsen ist. Offenbar toben sich nun alle aus, denen TURISAS am Vortag zu melodisch und fröhlich waren. Schade nur, dass der Sound das erste Drittel des Gigs zu basslastig ausfällt, so dass Keyboard und Gesang streckenweise völlig untergehen.
"Wir haaaben neun Sedeee's gemacht, ich waaaiß auch nicht, warum." Alles klar? Jawohl, die Death Metal-Werbepause ILLDISPOSED folgt, eingezwängt zwischen THYRFING und NAGLFAR. Zu ILLDISPOSED noch viel zu erzählen hieße Lerchen nach Leipzig zu tragen. Das dänische Death-Kommando stiefelt wie immer stinkbesoffen über die Bretter, groovt alles in Grund und Boden und wird mit tosendem Applaus bedacht. Bo Summer hat vielleicht noch etwas mehr getankt als sonst, quasselt in seinem gewohnt kultigen, unschuldigen Deutsch über ILLDISPOSED, seinen breiten Hintern und den endgültigen Wechsel der Band ins Hetero-Lager, macht Fans in den ersten Reihen an und hüpft über die Bühne wie ein Flummi. Ist etwas schräg, wie eigentlich immer bei ILLDISPOSED. Alles super also? Nö. Denn erstens hat die Stimme von Bo schon bessere Tage erlebt, zweitens stehen zu viele neue Songs der Marke "Dark", "Case Of The Late Pig" und "Throw Your Bolts" auf dem Programm und drittens schicken die vielen Einspielungen vom Band, welche bei eben diesen und anderen Songs nötig sind, echte Live-Atmosphäre ganz fix in die ewigen Jagdgründe. Dafür Punktabzug.
NAGLFAR starten mit Vollkaracho und knallen mit Vollkaracho in die Nesseln: Die ersten Akkorde von "Spoken Words Of Venom" erklingen, Funkenregen sprüht, alles bangt los und pünktlich zum Anfang der zweiten Strophe macht es Puff und die ganze P.A. gibt keinen Mucks mehr von sich. Dramatisch. Die entstehende fünfminütige Zwangspause steht die Band peinlich berührt da, während eine loyale Schar Fans vor der Bühne immer wieder "Naglfar, Naglfar"-Sprechchöre anstimmt und so die Feierlaune nicht abreißen lässt. Jungs und Mädels, ihr seid einmalig! Beim zweiten Anlauf klappt schließlich alles reibungslos und NAGLFAR spielen einen beeindruckenden Gig. Zwischen Feuersäulen und mit toller Lichtshow bretzelt das schwedische Black Metal-Kommando einen geilen Song nach dem anderen in die moshende und crowdsurfende Menge, darunter tempotechnisch nett aufgestockte Versionen von "I Am Vengeance" (Killer), "Abysmal Descent" und dem neuen Track "Carnal Scorn & Spiritual Malice". Gitarrist Marcus E. Norman hat seinem spärlichen Haarwuchs endgültig ein Ende bereitet und präsentiert sich inzwischen als Fleischmützenträger, der auch langsamere Kost wie das neue "The Perpetual Horrors" mit präzisen Leads gekonnt veredelt. Mit dem furiosen "A Swarm Of Plagues" wird ein klasse Publikum verabschiedet und einmal mehr hat sich die Binsenweisheit bestätigt, dass NAGLFAR zu den mitreißendsten Live-Acts im Black Metal gehören - etwas weniger zwar, aber immer noch beinahe so sehr wie vor dem Weggang von Jens Ryden.
Danach MARDUK, ein schwieriges Kapitel. Einerseits ist man hingerissen von dem Affentempo, in dem sich die Band, zusammengehalten von Monsterdrummer Emil Dragutinovic, durch besonders neue Songs wie "Throne Of Rats", "The Hangman Of Prague" und "Life's Emblem" knüppelt, beobachtet angespannt, wie Fronter Mortuus über die Bühne wütet, einen Rosenkranz mit umgedrehtem Kreuz schwingend, sich mit Blut vollsabbernd und am Ende des Gigs das Mikro auf den Boden knallend. Andererseits ist man gelangweilt, weil sich die schnellen Songs, welche (natürlich) den Set dominieren, in der Live-Fassung oft nur an prägnanten Breaks erkennen lassen, mit Ausnahme vom komplexeren "With Satan And Victorious Weapons" einfach nur primitiv in die Fresse knallen und hinzu permanent von Kriegsintros eingeleitet werden müssen. Ich für meinen Teil halte von der kriegsfanatischen Boshaftigkeit der Band nach wie vor überhaupt nichts, auch nicht nach diesem Auftritt. Dennoch muss ich gestehen: Es ist bemerkenswert, welch düstere Atmosphäre MARDUK live inzwischen zu entfalten in der Lage sind. Party-wütige Hampelmänner sind die vier auf der Bühne jedenfalls definitiv nicht. Und der Party-Song "Panzer Division Marduk" wird dann auch konsequenterweise nicht gespielt.
Stumpf, stumpfer, SFU. Zu SIX FEET UNDER funktioniert zwar unser Aufnahmevermögen aufgrund der vorhergegangenen Dauerbeschallung nicht mehr so richtig, aber gottlob braucht man für die Amis ohnehin kaum Gehirn und es reicht, wenn der Nackenapparat gerade noch so sehr kontrolliert werden kann, dass man beim Bangen nicht nach vorne kippt. Die Band rasselt nach einer kurzen NAGLFAR-Reminiszenz der P.A. (richtig geraten, Stromausfall) ihr Programm runter wie immer, Rastazottel Barnes' Schreie werden von Auftritt zu Auftritt (bzw. Tütchen zu Tütchen) kränker und die ewig nach gleichem Muster aufgebauten Midtempogroovesongs "Revenge Of The Zombies", "Feasting On The Blood Of The Insane", "Burning Blood", "War Machine" und natürlich die AC/DC-Verneigung "TNT" von Auftritt zu Auftritt langweiliger (wenngleich heute ungewohnt viele Frühwerke der Band erklingen). Hinzu kommt, dass SIX FEET UNDER showtechnisch noch nie eine sonderlich spektakuläre Band waren, es wohl nie sein werden und auch an diesem Abend nicht sind. Und dass sie trotzdem mal wieder abgefeiert werden wie heimliche Death-Metal-Könige, liegt ohnehin daran, dass der ganze Pulk vor der Bühne inzwischen zugelötet ist bis zur Halskrause und es gerade noch so schafft, einen fahren zu lassen, ohne sich dabei in die Hose zu machen. Macht aber nix, denn wir (nüchtern) verdünnisieren uns irgendwann sowieso und nehmen auch TANKARD, die in der Nacht noch mörderisch das Zelt gerockt haben sollen, nicht mehr wahr. Damit Ende der Chronik. Bis nächstes Jahr, Party.San, es war klasse mit dir.



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