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Up From The Ground-Festival   26.-27.08.2005   Gemünden am Main
von ta

Metalfranken strikes back. Ohne Zweifel. Das Up From The Ground geht in die nächste Runde, CrossOver war wieder mit dabei, als es hieß: Lasset das Frankenland erbeben. 26 Bands, die keinen klaren Gesang lieben, stehen hier in zwei Tagen auf einer Bühne, ein Viertel davon weitestgehend unbekannt (gut, bei manchen ist es auch besser) und hocherfreut, von den Brettern eines mittelgroßen Festivals aus Leute zu belärmen, die hinterher immerhin den Namen kennen.

Freitag
Als am Freitag dem 26.08. Seliah um 12:30 Uhr eben selbige Bretter betreten, ist es jedoch noch so leer, dass man problemlos in die erste Reihe stapfen kann, ohne jemanden anzurempeln, was im direkten Zusammenhang mit der Tatsache steht, dass um diese frühe Uhrzeit die meisten Leute den noch geringen Matschgrad der Wiese des Konzertgeländes nutzen, um ihren Allerwertesten auf derselben und in möglichst großem Abstand von der Bühne zu platzieren. Vielleicht ist die Band deshalb so schüchtern und verspielt sich gelegentlich. Was hier aber keiner krumm nimmt. Stattdessen wird der teils krachige, teils angedüsterte Midtempo-Thrash der Mannen/Dame mit Applaus (aus dem Sitzen) bedacht, wobei ein ganz ordentliches Soundbild und das sichtbare Bemühen der Gruppe zur allgemeinen guten Laune ihren Teil beitragen. Experimente wie Blastbeats oder Clean-Gesang sollten Seliah allerdings bis auf weiteres abschaffen, denn hierfür reichen die umsetzungstechnischen Möglichkeiten noch nicht aus.
Antichrist sind dann eher ein Witz. Der Pseudo-Black Metal der Combo kommt ohne Corpsepaint, ohne Riffwände, ohne Blast aus, die Songs sind stattdessen der Versuch, traditionellen Heavy/Thrash Metal durch einige schwarzmetallische Melodielinien und etwas Gekeife zum Düsterstahl aufzuwerten, das Ergebnis ist aber leider zum Gähnen langweilig und der Drummer wirklich schlecht. Den Gesang kann man je nach Laune eigenständig oder unsinnig nennen, ich tendiere zugegebenermaßen zu zweiterem. Nichts gegen eine Chance für Newcomer, aber auf diesem Niveau? Wenn das der Antichrist gewesen sein soll, steht Gottes Reich auf Erden wahrlich nichts Ernstzunehmendes im Weg.
Obwohl: Fearer sind sicherlich auch keine bibelfesten Mannen, und die knüppeln immerhin ihren gewalttätigen Death Metal mit Präzision und Power in das inzwischen bereits gut angewachsene Publikum. Der Sound des Quartetts bedient sich zwar ohne große schöpferische Eigeninitiative aus dem Kochtopf von Suffocation und Malevolent Creation, welche hier im letzten Jahr noch Freitagsheadliner waren, aber wer hat schon ehrlich etwas gegen ein blutiges Hacksteak? Eben. Technisch versiertes und tightes Spiel, dabei agiles Auftreten und ein klasse Sound bedeuten beim Hörer akustischen und optischen Spaß und das Warmlaufen des Nackens. Endlich hockt auch ein den Visionen der Band angemessener Drummer hinter den Kesseln. Der schaut zwar, als ob er gleich umkippen würde, holzt jedoch nach einer kurzen Aufwärmphase ohne hörbare Ermüdung. Sehr schön. Der eigentliche Festivalauftakt.
Lustig wird es bei Delirium Tremens. Diese ziehen wirklich viele Leute und es gelingt ihnen mit ordentlich Bewegung auch tatsächlich, den Pulk vor der Bühne zu halten, obwohl die Musik eindeutiger als bei vielen anderen Bands an diesen Tagen Geschmackssache ist: Die Band klöppelt schnellen 80er Thrash, der enorm an die frühen Necrodeath-Scheiben gemahnt und wirklich so dermaßen retro daherkommt, dass ein guter Teil des immerhin vergleichsweise jungen Publikums sich einen abgrinst anstatt die Rübe zu schütteln. Besonders die hohen Schreie des Testosteron-Pakets am Mikrophon sorgen hinterher für bissige Kommentare. Nun, unterhaltsam war's allemal.
Von Dark Fortress bin ich hingegen enttäuscht, obwohl die Band wenig dafür kann. Die bayrische Black Metal-Combo kann auf Platte streckenweise überzeugen, langweilt live aber, weil sie nicht knallt. Sänger Azathoth (passend zum Suizid-Gedöns des letzten Schwärzlings "Stab Wounds" in ein dreckiges "Kill Me"-Shirt gekleidet) post ein wenig herum, die fünfköpfige Instrumentalabteilung wirkt beteiligt, wenn auch nicht übermäßig, verzieht ein wenig die Corpsepaintfratze, die Songs aber machen in der Bühnensituation nicht viel her, beginnen schnell, doch fallen dann in endloses Midtempo, in dem bis auf ein wenig Keyboardgewaber kaum etwas passiert, was allerdings auch daran liegen wird, dass der Sound bei sechs Mann wieder etwas verwaschen klingt. Garstiges Schwarzmetall ist in meiner Vorstellung etwas anderes. Entsprechend lässt sich an den T-Shirts im Publikum ablesen, dass Dark Fortress eher Fans aus anderen Musikrichtungen als reine Black Metaller ziehen. Und diese Fans sind im Gegensatz zum Delirium Tremens-Pulk auch deutlich weniger geworden. Schade. Aber vielleicht habe ich hier auch zuviel erwartet. (Für das Festival 2006 wären übrigens ein paar mehr Black Metal-Bands eine feine Sache. Aber dies nur nebenbei an die Veranstalter Final Breath.)
My Darkest Hate füllen das Gelände wieder auf, haben als erste Band des Festivals ein richtiges Intro dabei und lassen auch ansonsten nichts anbrennen. Der Midtempo-Death Metal des Sacred Steel-Ablegers ist zwar wirklich stumpf, walzt aber alles platt und ist dabei zudem brutal as brutality can be oder so, was zu großen Teilen dem Sänger zuzuschreiben ist, dessen kellertiefes und kraftvolles Gegrunze eine Ohrenweide ist. Die vereinzelten Speed-Passagen sorgen für die nötige Abwechslung, so dass genug Leuten nicht die Lust daran vergeht, sich systematisch die Häupter vom Rumpf zu schrauben.
Bei End Of Green gibt es eine geschmacksbedingte Pause für den Berichterstatter, der sich dafür anschließend The Duskfall und Primordial in voller Länge gönnt. Ersteren kommt sowohl song- als auch bühnentechnisch nur das Prädikat "annehmbar" zu. Die Stücke sind leidlich originell, am besten, wenn sie ins Thrashige gleiten, was Momente ausmacht, die vor allem zeigen, dass The Duskfall spielerisch topfit sind - hier sitzt jedes Break, jeder Einsatz, jede Sechzehntel. Die Musiker sind leidlich bewegungsfreudig, nicht bis zur Langeweile routiniert, aber auch nicht bis zum Bersten mit Energie aufgeladen, irgendwas dazwischen halt. Der Sound ist leidlich gut, aber das sollten andere Bands an diesen Tagen noch locker untertreffen. Wie gesagt: Annehmbar, angenehm anzuschauen und anzuhören. Obwohl: Ein paar weniger "Fuck"s in den Ansagen wären vielleicht auch drin gewesen.
Die Iren Primordial zählen sicherlich zu den originellsten Bands des Festivals und spielen ihren epischen Pagan Metal voller Inbrunst. Die Länge der Stücke erlaubt lediglich das Vortragen von sechs Songs, wobei die Hälfte des Sets aus Neulingen besteht und die andere Hälfte die vorangegangenen Scheiben bis "Journey's End" jeweils mit einer Auswahl abdeckt. Hierbei stellt "Autumns Ablaze" - obgleich in einer schlagzeugtechnisch abgewandelten Form - von eben jenem Album einen hervorragenden Handgriff dar, während die Hymne "Gods To The Godless" von "Spirit The Earth Aflame" und das treibende "Sons Of The Morrigan" von "Storm Before Calm" nicht weiter überraschen und wie die neuen Songs "The Golden Spiral", "The Gathering Wilderness" und "The Coffin Ship" eifrig bejubelt werden. Alan A. Nemtheanga rennt wie immer gestört über die Bretter und zerfließt unter der Tragik, die seine eigene Stimme entwirft, ist heute allerdings unüberhörbar angeschlagen, streckenweise aufgrund des undurchsichtigen Sounds kaum zu hören und verpasst zudem gleich mehrere Einsätze. Ergebnis: Guter Gig, aber kein unvergessliches Jahrhunderterlebnis.
Böse, böser, Belphegor. Die Österreicher kommen, schauen finster und hacken was das Zeug hält. Aus Stolz auf einen der schnellsten Schlagzeuger dieses Festivals wird prompt dessen Instrument im Soundbild so weit in den Vordergrund gemischt, dass die Riffs eher die Funktion eines undefinierbaren Background-Rauschens einnehmen. Das Publikum kreischt dem trotzend mutig "Fuck The Blood Of Christ" oder "Lucifer Incestus" in den Abendhimmel und besorgt sich spiral- oder auch fünfsternförmige Wirbelsäulen - vereinzelte Rufe nach dem "Necrodaemonterrorsathan" bleiben entgegen dieses körperlichen Aufwandes aber unerhört. Deibel auch.
Danach eine Pause für die Ohren, die auf Kosten der Ungarn Ektomorf, welche Zeugenberichten zufolge gut angekommen sind, geht. Sorry.
Bei Ensiferum ist dann gute Laune erlaubt. Obwohl es inzwischen eine Stunde vor Mitternacht ist und einem der Atem vor der Nase gefriert, kommen die Kerle halbnackt auf die Bühne - der finnische Winter hat sein Bestes getan. Neben nett angemalten Gesichtern gibt es eine technisch perfekte Performance sowie äußerst engagierte und spielfreudige Musiker (besonderer Respekt gebührt dem mit der Doppelbelastung Gesang/Gitarre problemlos zurechtkommenden Petri Lindroos) zu sehen, welche einen genauso lockeren Abend wie das Publikum verleben: Keine Partei bleibt sich etwas schuldig, Crowdsurfer und Musiker schaukeln sich gegenseitig zu Höchstleistungen hoch, nur die beißende Kälte verhindert, dass sich die Stimmung aus den vorderen Reihen auch nach weiter hinten fortsetzt. Mitreißend. Nur die Songs, u.a. "Tale Of Revenge", "Token Of Time", "Iron" und "Into Battle", sind schwächer, wiederholen sich nach einer Weile und haben wenig Druck. Folk-Black/Thrash Metal ohne nennenswerte Höhepunkte. Trotzdem würdiger Co-Headliner.
Probleme mit Sounddruck haben Napalm Death nicht. Die dienstälteste Band des Festivals kommt musikalisch und optisch dem vielzitierten Schlag in die Kauleiste gleich, grindet, was das Zeug hält, und spielt mal eben nicht nur den letzten, sondern auch den besten Gig des ersten Tages. Hackepeter im ständig continuing war on stupidity. Mitch Harris (git) und Shane Embury (bass) rotieren pausenlos, hinter der Schließbude wird von Danny Herrera ohnehin gekeult ohne Ende und Barney Greenway bellt in unnachahmlicher Manier seine Lösungsvorschläge zu Fragen der Kriegsführung, Umweltverschmutzung, Ideologiekritik und Gesellschaftsverfassung hinaus, während er in nicht weniger unnachahmlicher Manier über die Bühne rammelt, als stecke ihm ein Stromschocker im Hinterkopf. Unter den neuen Sachen, die gespielt werden, befinden sich "The Code Is Red ... Long Live The Code", "Right You Are", "Pray For The Privilege Of Breathing" (mit Harris als Ersatz für den Biafra-Part) und "Silence Is Deafening", gegen Ende des Sets nehmen die Klassiker dann überhand und spätestens nach den abschließenden Uralt-Metzeleien "Suffer The Children" und "You Suffer" ist jeder aufs Beste bedient. Dennoch reagiert das Publikum während der Songs eher lethargisch auf das Geballer. Die Reihen sind lichter als noch bei Ensiferum, die Stimmung ist etwas gedämpft, wenngleich gut - ist die Kälte schuld? Oder etwa die Tatsache, dass die Boxen trotz 20 Minuten mehr Aufwärmzeit als ursprünglich vom Spielplan vorgesehen zu viel undefinierten Lärm von sich geben? Nach zwei Zugaben, darunter ein von allen inbrünstig mitgeschrienes "Nazi Punks Fuck Off!", ist Schicht im Schacht und alles verkriecht sich aufs Camping-Gelände. Gefeiert wird, aber nicht so derb wie im letzten Jahr. Pinkel- und Müllprobleme gibt es aber trotzdem. Erstere resultieren aus der Tatsache, dass direkt auf dem Camping-Gelände zwar zwei spülbare Toilettenwagen (vorbildlich) und eine Waschbeckenreihe mit frischem Wasser (auch vorbildlich, nur eben nichts gegen Blasendruck) stehen, jedoch nur zwei Dixies, was bei insgesamt ca. 4500 Campern natürlich ein Witz ist. Die nächsten Dixies befinden sich erst wieder auf dem Konzertgelände - 10 Stück (OK), direkt am Eingang (neben dem Hammer-Autogrammestand, bäh). Zu zweitens: Müllprobleme hat jedes Festival, dabei gehören diese definitiv zu denen, die hundertprozentig vermeidbar sind. Den Veranstaltern ist hier kein Vorwurf zu machen, es wurden (kostenfrei) Müllsäcke ausgegeben, am Abfahrtstag lief sogar eine Person über unseren Camping-Platz, die Säcke an die Leute verteilt hat, welchen es augenscheinlich an eben diesen mangelte. Dass es trotzdem an manchen Stellen aussah wie nach einem Tornado, liegt tatsächlich an den Campern selbst. Was für gute Gründe gibt es eigentlich, nach einem Festival zu faul zu sein, seinen Dosen-, Büchsen-, abgefackelte Grillstühle-, Verpackungs-Müll in einen Sack zu packen und ordnungsgemäß in den Container zu hebeln? MduH, Metaller sein ist so uncool, dass auch Müllsäcke tragen dazu gehört. Im Ernst: Wenn jeder einfach darauf achten würde, was er anbringt und was er wieder mitnimmt, wäre hier einiges an logistischem Aufwand zu sparen. Außerdem bestände so nicht die Gefahr zusätzlicher an die Camper weitergegebener Kosten. Und jetzt gute Nacht.

Samstag
Als ich mit meinem Mitbringsel das Konzertgelände betrete, haben wir bereits eine schöne Wanderung durch den Gemünden umgebenden Wald - ach, schönes Frankenland ... - hinter uns, schließlich ist es bereits 12:30 Uhr. Auf der Bühne stehen Fragmentory, die erste Band des zweiten Tages, im groovigen Death Metal mit vereinzelten Thrash-Riffs und Tempoausflügen zuhause. Der Sound ist bereits fett und eine stattliche Schar Banger hottet vor der Bühne ab. Die sicherlich (abgesehen von Ex-Final Breather Thomas Zissel am Bass) jüngste Band des Festivals ist erfreut über die positiven Reaktionen, allerdings noch nicht ganz bühnenfest. Der Sängerknabe röhrt zwar kompetent alles in Grund und Boden, traut sich aber erst ab der Mitte des Sets, auch mal frontal ins Publikum zu schauen und überlässt die Ansagen prinzipiell dem linken Gitarristen. Der wiederum gibt einen Haufen unbrauchbares Zeug von sich, kommt dabei aber wenigstens sehr sympathisch und ehrlich rüber. Das Zusammenspiel ist an einigen Stellen noch verbesserungsbedürftig, aber genug Entfaltungspotenzial ist vorhanden, besonders die Saitenabteilung gefällt. Guter Gig.
Weil sich die Leute bei Fragmentory bereits eingekreiselt haben, machen sie bei Path Of Golconda gleich weiter. Und die Band hat es redlich verdient. Enorm selbstbewusst stampft das Oberhausener Quintett über die Bühne und bangt sich fast um den Verstand (besonders der Propeller des Bassisten ist durchaus beeindruckend). Die abwechslungsreiche Musik - epischer Death Metal mit vereinzelten Blackie-Elementen und Riffs, die an vielen Stellen auch von den Spätachtziger-Metallica-Scheiben stammen könnten - ist mir zwar auf Dauer zumindest live zu frei von Höhepunkten, wenngleich sehr eigenständig, aber wenn man sieht, wie sich die Band freut, als beim vorletzten Song (War's "Cannibal Crusade"?) nach einer netten Aufforderung von hundert Leuten mitgeklatscht wird, kann man nur mit derselben Begeisterung das Haupthaar schütteln. Klasse!
Gottlob für den Nacken halten Disinfected hernach nicht das Versprechen, dass sie geben. Die haben nämlich ein zwar martialisches KriegistBombenfallenundallesterben-Intro, setzen jedoch auf stumpfen und unbrutalen, kraftlosen Ami-Death, wie er am Tag zuvor um dieselbe Zeit von Fearer weitaus unterhaltsamer gespielt wurde. Von Song zu Song werden die Arrangements und Riffs dröger, das Wechselspiel des Sängers aus Grunzen und Kreischen macht auch nicht viel her, das Ganze wirkt schlussendlich einfach etwas uninspiriert. Hinzu kommen leichte Timingprobleme (gut, die hatten Fearer anfangs auch). Harmlosgeballer, nicht völlig umsonst, aber auch wenig beglückend. Nun, der Sound ist auch nicht unbedingt die Wucht in Reinkultur.
Bei Dark Age wird dann gefeiert, was das Zeug hält. Die spielen zwar auch Death Metal, allerdings in seiner melodischen und Midtempo-lastigen Form (Hat da jemand "Schweden" gesagt? Die kommen aus Hamburg!), und das ist es offensichtlich, worauf hier alle Lust haben. Die Band geht genauso steil wie das Publikum, macht keinen Bogen um den einen oder anderen clean gesungenen Refrain und weiß damit ihre Vielfältigkeit gut unter Beweis zu stellen. Überraschungen gibt es zwar keine - dafür mangelt es dann doch an Eigenständigkeit - aber gute Unterhaltung auf jeden Fall.
Und schon sind Hatesphere am Start. Die partyfreudigen Dänen haben die Kohle für ihre dreieinhalb bisher erschienenen Alben fleißig in Besuche beim örtlichen Tätowierer gesteckt und hampeln buntgesprenkelt und wie die Berserker über die Bühne. Ultratight klöppelt das Thrashkommando mit fettem Sound seine Songs in die Menge, die verzückt zu Perlen wie "Disbeliever" von "Bloodred Hatred", "Deathtrip" und "Vermin" von der letzten Full Length-Scheibe "Ballet Of The Brute" oder dem Opener der "The Killing EP", "Murderous Intent", austickt. Die ersten Crowdsurfer des Tages sind zu sehen, die Band, allen voran der besoffene Schreihals Jacob, der ständig den Kontakt zum Publikum sucht, bekommt das Grinsen gar nicht von den Backen. Besonders nicht, als der Sänger einen stämmigen Herren aus dem Publikum auf die Bühne holt, der zu einem Track der zum Zeitpunkt des Festivals noch nicht erschienenen neuen Scheibe "The Sickness Within" mit seiner aufblasbaren lila Gitarre megamäßig abrockt und dafür sorgt, dass die lachenden Musiker ein paar Mal fast aus dem Takt geraten. Fazit: Hatesphere hätten locker drei Plätze weiter oben auf dem Billing stehen können und gehören zu den Siegern des Festivals.
Heaven Shall Burn gehören dagegen zweifelsohne zu den Außenseitern des Festivals. War der Pulk vor der Bühne bei Hatesphere bereits kleiner als ich erwartet hatte, sind es bei den Weimarer Metalcorelern gleich noch mal ein paar weniger Leute. Dass es sich bei Heaven Shall Burn nicht um einen Haufen böser Satansanbeter handelt, dürfte inzwischen - besonders, nachdem das formidable letzte reguläre Album "Antigone" einigermaßen hohe Wellen in der Szene geschlagen hat - bekannt sein, und auch live nimmt die Band kein Blatt vor den Mund. Zwar hält sich Sänger Marcus in Sachen politische Ansagen enorm zurück (das einzige eindeutige politische Statement kommt vor dem Antikriegssong "Voice Of The Voiceless"), aber der Hardcore-Background der Band ist nicht nur daran erkennbar, dass bis auf Gitarrist Patrick alle Musiker durch Mattenabstinenz glänzen. Besonders Hyperaktivist Marcus wirkt beinahe ein wenig ironisch, wenn er die Deibelsfinger im Publikum kommentiert ("Ach ja, Metal, genau -" (Pommesgabelgeste folgt)) und viel überzeugender, wenn er zum Circle Pit anstachelt, was auf einem reinen Metal-Event wie dem Up From The Ground beileibe nicht dieselben Früchte trägt wie etwa auf dem With Full Force. Die Band nimmt die nicht übermäßig begeisterten Reaktionen locker hin und lässt sich nicht davon abhalten, das Up From The Ground in den Ground zurück zu drücken, was bei hochintensiven Metalcore-Hassbatzen wie "Bleeding To Death", "Unleash The Enlightment", dem Opener der jüngst erschienenen Split-CD mit Caliban, oder der langsam zum Hit der Band mutierenden Walze "The Weapon They Fear", die mit Abstand die besten Reaktionen einheimsen kann, aber auch kein Wunder ist. Ein Hammer!
Da ich mit dem Schweden-Sound von Ulms Death Metal-Gesandten Fleshcrawl nichts anfangen kann, gönne ich mir von derselben Band nur die ersten paar Stücke. Ein Urteil fällt darum an dieser Stelle weg, dafür lautet das Urteil über das u.a. während der zweiten Hälfte des Fleshcrawl-Gigs begutachtete Merchandise- und CD-Angebot auf dem Gelände: Exzellent. Die Preise sind wie im letzten Jahr sehr korrekt, die meisten CDs kosten nicht über 12 Euro, am Stand der Slowaken von Metal Age wechseln Unglaublichkeiten wie die beiden Emancer-Scheiben oder die vorletzte Shining für einen Euro den Besitzer, T-Shirts gibt es woanders für acht Euronen aufwärts. Auch die Preise für flüssige Verpflegung stechen andere Festivals aus, für das Bier müssen zwei Euro berappt werden, für ein Wasser noch einen weniger, in Bayern ein guter Preis. Das Angebot an fester Nahrung ist in Ordnung; der Carnivore entscheidet zwischen Bratwurst, Frikadellen- und Schinkenbrötchen (jeweils zwei Euro), für den Vegetarier bleibt eine eher bescheidene asiatische Nudelpfanne oder eine weniger bescheidene italienische Portion Spaghetti (jeweils drei Euro), viele Zeltende haben ohnehin den eigenen Campingkocher und entsprechendes Konservengut dabei. Wir natürlich nicht, weswegen wir uns in der Stadt den Bauch zuhauen und deswegen ein Stück Mnemic, die ab 18:45 fünfzig Minuten spielen, und den gesamten Auftritt von Rotting Christ verpassen. Was von Mnemic noch unsere Augen erreichte, war aber hervorragend gespielt und mit feiner Performance unterlegt. Die Band ist permanent in Bewegung, der Frontmann animiert unermüdlich das feiernde Publikum, zückt dazu notfalls den blanken Hintern und musikalisch sind die Meshuggah-meets-Linkin-Park-Metaller sicherlich die Band, welche die Toleranzgrenzen des Publikums zum äußersten ausreizt. Nu(n), das Unternehmen gelingt. Augen- und Ohrenzeugen nach zu urteilen, darf das von den Black/Dark-Metallern Rotting Christ nicht behauptet werden. Die zeitgleich stattfindende Hypocrisy-Autogrammstunde soll ungleich mehr Leute interessiert haben.
Satt und zufrieden kehren wir aufs Gelände zurück, wo Misery Index dann auch prompt ein Verdauungsgemetzel sondersgleichen veranstalten. Die Amis sind mit ihrem grindigen Death Metal eine der Bands des Festivals, die für die meisten Kracheruptionen aus den Boxen sorgen. Matt Byres' Nonstop-Blastbeats dreschen absolut unbarmherzig, seine Doublebass gewittert in jeder Midtempostelle und der rechte Gitarrist tickt teilweise völlig aus und verausgabt sich bis zum Kollaps. Meine Güte, was für ein Massaker! Als Misery Index ihren Gig beenden, kann man beim kurzen Blickcheck locker einen bpq (Blutnacken pro Quadratmeter) zählen. Schade nur, dass die Gitarren im Sound wie bereits bei Belphegor nur zu erahnen sind. Besonders die schnellen Bands scheinen den Mischern hier Probleme zu bereiten. Das funktionierte im letzten Jahr noch besser und wird hoffentlich im nächsten Jahr ebenfalls wieder besser funktionieren.
Den Brachialitätsfaktor von Misery Index können die Co-Headliner Unleashed nicht steigern und sie wollen es auch nicht. Die Midtempo Death-Veteranen sprechen mindestens die gesamte Old School-Fraktion des Festivals an und lassen sich ausgiebig feiern. Fürstliche Hymnen, die selbst bei höher angelegten Tempi noch grooven, etwa das Eingangsdoppel "Winterland/Destruction (Of The Race Of Man)", "To Asgard We Fly", "Into Glory Ride", "Victims Of War", "Never Ending Hate" und natürlich "Death Metal Victory", schmettert das Quartett im Akkord in die bangende Menge, während dieser Bär namems J. Hedlund mit energetischen Ansagen immer wieder das Publikum und seine Band zu Bewegungssteigerung animiert. Das Ganze ist so nett anzusehen, dass es im Ergebnis angeblich auf der nächsten Live-DVD erscheinen soll. Wir sind gespannt.
War es bei Unleashed schon recht voll, steht bei Hypocrisy wirklich jeder, der sich noch auf seinen zwei Stelzen halten kann, vor der Bühne. Sympath Tägtgren und seine Band gehen entsprechend motiviert an die Arbeit, erwischen mit dem zu behäbigen "Fractured Millenium" zwar einen etwas müden Start, steigern sich anschließend aber von Song zu Song. Headbanger en masse, Wellenbewegungen und Crowdsurfer im Auditorium zeugen von der bedingungslosen Anerkennung des Publikums, die Band lässt sich davon gerne pushen und besonders Tägtgren selbst bzw. seine Stimme läuft im Fortgang des Sets zur Höchstform auf. Die Mischung aus ganz neuem bis ganz altem Stoff besorgt ein abwechslungsreiches Set ("Roswell 47", "Fire In The Sky", "The Final Chapter" meets "Apocalypse", "Eraser" (erste Zugabe) oder "Buried"), zu wünschen wäre allerdings, dass mit einem so lockerem Handgelenker wie Horgh (Ex-Immortal) hinter den Kesseln zukünftig wieder mehr schnelle Songs live präsentiert werden. Trotzdem ein fetter und adäquater Festivalabschluss eines fetten und den Bedürfnissen des Ganzhartmetallers adäquat gerecht werdenden Festivals. Metalfranken strikes back! Notfalls mit schwedischer Unterstützung.

Fazit: Ein erneut gelungenes Festival, bei dem nur der Sound etwas zu gehäuft von sich selbst nicht wollte, was die Hörer von ihm wollten, nämlich Klarheit. Und die Hörer selbst? Ich habe kein einziges offensichtlich als rechtsradikales Subjekt identifizierbares Menschenwesen auf dem Gelände entdeckt, vereinzelte Zwischenfälle gab es lediglich, als diverse nicht mehr ganz standfeste Personen trotz Verbot und Absperrung auf die angrenzenden Bahnschienen polterten und mehrfach dafür sorgten, dass Züge angehalten werden mussten. Die insgesamt trotz heftiger Mucke friedliche Stimmung sucht ungeachtet einiger Störenfriede ihresgleichen. Als am Sonntag Morgen auf dem Zeltplatz rechts von uns eine entsetzte Stimme "Booaaah, igitt, hier hat irgendeine Sau direkt neben mein Zelt gekackt, ey" röhrt, tönt es von links prompt "Entschuldigung - hab's nicht mehr ausgehalten" zurück. Keine weiteren Fragen.



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