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von ta

PRIMORDIAL: The Gathering Wilderness   (Metal Blade)

"Ein Song ist wie eine durchgehende Bewegung", charakterisierte Alan A. Nemtheanga kürzlich den Sound seiner Band Primordial. Schöner hätte er die Kontinuität, Trance-Artigkeit, das Oszillieren der Musik, welcher sich Primordial beinahe seit ihren Anfangstagen widmen, wohl kaum beschreiben können. Ein Song von Primordial kommt mit vergleichsweise wenig Einzelelementen aus. Um die Riffs abzuzählen, ist sogar eine vollständige Hand zu befingert, exotische Instrumentierung oder Technikfilets fallen gleich raus, der dynamische Überschwang einer sicherlich auf ihre Art und Weise verwandten Band wie Opeth - was gegenüber diesen nicht abwertend gemeint ist - geht den Iren ebenso ab wie das Erklimmen gängiger Hartmetallextreme (Tempo, Brutalität, Bosheit). Was Primordial schlicht entgegensetzen, ist: eine durch Mark und Bein fahrende Bewegung, die sich wiederholt, "steigt und fällt und strömt und ruht" - woher wusste C.F. Meyer das nur vor 150 Jahren schon?
Die Discographie von Primordial enthält kein schlechtes Album, daran ändert auch "The Gathering Wilderness" gar nichts. Sieben Stücke versammeln sich auf dem nunmehr über Metal Blade vertriebenen fünften Album der Band - die jüngste Wiederveröffentlichung des noch arg schwarzmetallischen "Dark Romanticism"-Demos einmal ausgenommen -, sieben Bewegungen, deren musikalische Umsetzung im direkten Vergleich zum 2002er Opus "Storm Before Calm" melodischer im Gesang, langsamer (nicht unbedingt schwerer) in ihren rhythmischen Komponenten, insgesamt aber m.E. auch ein ganzes Stück spontaner ausgefallen ist. A. Nemtheangas Stimme kommt inzwischen beinahe ohne Schreie aus, dafür hat sich der charismatisch-wirre Frontmann für etwa den Opener "The Golden Spiral" oder den harten "Song Of The Tomb" ein räudiges Sing-Erzählen angeeignet, das es in der radikalen Form bei Primordial noch nicht gab. In Schmerz getünchte Innerlichkeiten ("The Coffin Ship", "Cities Carved In Stone") zeigen seinen klaren Gesang besser und höher denn je, während die Riffbastion MacUilliam/O'Floinn einen undurchdringichen Riffschleier - würde es nicht mit der Metapher von der Bewegung konfligieren, schriebe ich: eine Riffwand - nach dem anderen durch die Membrane pustet ("End Of All Times"), auch mal folkloristische Themen anschlägt ("The Gathering Wilderness") und O'Laoghaire seine unausweichlichen spielerischen, ternären Beckenschläge tut (deren Rolle im Gesamtergebnis nicht unterschätzt werden darf). "The Gathering Wilderness" ist sieben Mal epischer Pagan Metal, wie es so schön heißt, ein Mal niemals unter acht Minuten, dafür ein Mal auch niemals unter acht Schwingungen in der Seele. Primordial zeigen sich inspiriert und traurigschön wie eh und je.
Auch textlich ist sich die Band bzw. ist sich A. Nemtheanga treu geblieben. "The Gathering Wilderness" erzählt über menschlichen Unfrieden, der mal verbunden ist mit Entfremdung von alten Traditionen, ein anderes Mal verbunden ist mit dem unwillentlichen Anknüpfen an alte Traditionen. Die Menschheit steckt in einem Dilemma: Eigentlich entspringt alles einer Wurzel, aber wir erweisen uns mit unserem Gehabe nicht dieser Erde in ihrer einheitlichen Verwurzelung würdig. Zeit für einen Gattungswechsel. Der solcherart propagierte Traditionalismus (wenn es so etwas gibt), welcher oftmals unter dem Heidentum-Banner geführt wird, kann einem gerade in Verbindung mit dem pessimistischen Fatalismus, der oft genug durchscheint, auch mal gehörig auf den Zeiger gehen und Kritiker (wie ich) werden A. Nemtheanga vorwerfen, dass er eigentlich seit drei Alben einfach nur ein bestimmtes Kriegs-, Bruderschafts- und Schicksalsvokabular in neuen syntaktischen Kombinationen präsentiert. Ich bin im Areal des Heidentums aber auch nur ein "passenger of foreign tongue" (um es mal mit dem Verfasser von "Cities Carved In Stone" selbst zu sagen).
Weitere Konstanten: A. Nemtheanga hat Linernotes verfasst, die Bookletgestaltung fällt einmal mehr farblich reduziert und atmosphärisch aus. Neu hingegen: der Sound ist ursprünglicher und rauher als zuletzt, aber sehr fett und so differenziert, wie es bei Primordial eben nötig ist. Perfekt.
Und in dem Sinne: Beweg dich.
Kontakt: www.metalblade.de

Tracklist:
1. The Golden Spiral
2. The Gathering Wilderness
3. The Song Of The Tomb
4. End Of All Times (Martyrs Fire)
5. The Coffin Ships
6. Tragedy's Birth
7. Cities Carved In Stone



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